Armenien wirft Russland Missachtung von Friedensverpflichtungen im Bergkarabach vor

Armenien macht sich Sorgen wegen der humanitären Lage im Bergkarabach, da aserbaidschanische Aktivisten nach wie vor einen wichtigen Weg in die südkaukasische Konfliktregion blockieren. Jerewan wirft deswegen dem russischen Friedenskontingent Untätigkeit vor.

Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan hat die humanitäre Situation in der selbsterklärten Republik Arzach in der Konfliktregion Bergkarabach als äußerst angespannt bezeichnet. Am Donnerstag erklärte der Politiker, dass sich dort ein Defizit an Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs spürbar mache. Infolge einer Straßenblockade im sogenannten Latschin-Korridor seien hunderte Familien voneinander getrennt.

Paschinjan warf Aserbaidschan die Blockade der Autostraße zwischen den Städten Goris in Armenien und Stepanakert im Bergkarabach vor. Die Handlungen des Nachbarlandes seien illegal und verstießen grob gegen seine internationalen Verpflichtungen, darunter gegen die trilaterale Vereinbarung zwischen Armenien, Russland und Aserbaidschan.

Gleichzeitig machte der armenische Regierungschef Russland für die entstandene Situation mitverantwortlich. Ihm zufolge missachte das vor Ort stationierte russische Friedenskontingent seine Pflicht, den Latschin-Korridor zu bewachen. Paschinjan verwies darauf, dass sich die wichtige Verkehrsroute nach dem Abkommen vom 9. November 2020 unter der Kontrolle der russischen Friedensstifter befinde, während sich Baku dazu verpflichtet habe, die Sicherheit des Personen- und Güterverkehrs in beiden Richtungen zu garantieren.

"Faktisch wird heute dieser Punkt nicht erfüllt. Es ergibt sich de facto, dass die in der trilateralen Erklärung verankerten Verpflichtungen, das heißt die Kontrolle über den Latschin-Korridor, auch vom Friedenskontingent der Russischen Föderation missachtet werden."

Zwar passiere dies wegen der illegalen Handlungen Aserbaidschans, aber dies ändere nichts an der Situation, da der Sinn der Präsenz der Friedensstifter eben darin bestehe, jegliche Gesetzlosigkeit zu unterbinden und den Latschin-Korridor zu kontrollieren.

Auf der Kabinettssitzung am Donnerstag rief der Politiker dazu auf, proaktiv auf die Entsendung von Beobachtermissionen der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder der Minsker Gruppe der OSZE in den Bergkarabach hinzuarbeiten.

Paschinjan teilte darüber hinaus mit, dass Jerewan Baku seine Vorschläge in Bezug auf einen Friedensvertrag übergeben habe. Vor einigen Monaten habe Armenien dem Nachbarland unter anderem seine Anregungen in Bezug auf die Arbeit einer Kommission zur Grenzziehung und die Sicherheit in den Grenzgebieten vorgelegt. Eine Antwort bliebe bislang aus. Gleichzeitig sei die Regierung in Baku aufgefordert worden, mit der "Besatzung der souveränen Territorien" aufzuhören und die aserbaidschanischen Truppen zurückzuziehen.

Kremlsprecher Dmitri Peskow wies auf seinem Pressebriefing am Donnerstag Paschinjans Vorwurf gegenüber den russischen Friedensstiftern zurück. Ihm zufolge agiere das russische Militärkontingent im Bergkarabach völlig im Einklang mit der trilateralen Vereinbarung zwischen Russland, Armenien und Aserbaidschan und tue sein Bestes, um die Ordnung in der Region zu gewährleisten. Der Kreml werde dennoch dieses Thema mit den armenischen Kollegen und Verbündeten weiterhin besprechen.      

Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium bekannt gegeben, dass die aserbaidschanische Seite am 12. Dezember die einzige Autostraße zwischen Stepanakert im Bergkarabach und Goris in Armenien gesperrt habe. Deswegen verhandele das Kommando des russischen Friedenskontingents mit Vertretern von Aserbaidschan über die Wiederherstellung des Personenverkehrs. Auch das US-Außenministerium rief Aserbaidschan auf, die Blockade des Latschin-Korridors aufzuheben. Nach Darstellung der Regierung in Baku handele es sich dabei um eine Protestkundgebung von Bürgeraktivisten und Umweltschützern, die gegen illegale Tätigkeiten der armenischen Seite vor Ort demonstrierten. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, zeigte sich wegen der Blockade des Latschin-Korridors besorgt. Moskau rechne damit, dass man den Verkehr dort in kürzester Zeit wiederherstellen werde.

Der jahrzehntelange Konflikt zwischen den ehemaligen Sowjetrepubliken hatte sich Ende September 2020 erneut zu einem regelrechten Krieg eskaliert. In der Nacht zum 10. November desselben Jahres einigten sich die Konfliktseiten unter der Vermittlung Russlands auf einen Waffenstillstand. Im Rahmen des trilateralen Abkommens trat Jerewan Baku einige Gebiet ab, die sich bis dahin unter der Kontrolle der nicht anerkannten Republik Arzach befunden hatten. Außerdem schickte Russland seine Friedenstruppen in die Region.

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