Der Europäischen Union ist es nicht gelungen, den Verband südostasiatischer Nationen (ASEAN) zu einer gemeinsamen Verurteilung Russlands wegen des Krieges in der Ukraine zu bewegen.
Die Staats- und Regierungschefs der EU empfingen ihre Amtskollegen aus dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) unter anderem, um den wirtschaftlichen Aufstieg Asiens zu würdigen. Der derzeitige ASEAN-EU-Aktionsplan, der noch bis 2027 läuft, soll einer der wichtigsten Eckpfeiler der verstärkten Zusammenarbeit sein und umfasst verschiedene Bereiche – von der politischen und sicherheitspolitischen bis hin zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Das Treffen fand jedoch – einen Tag dem letzten eigenen Gipfeltreffen dieses Jahres – mitten in einer Phase immer größer werdender Herausforderungen für die 27 Mitgliedsstaaten der EU statt.
"Wir müssen sicherstellen, dass wir in unseren Beziehungen zu ASEAN eine starke Position haben … Wir sprechen über weltweite Lieferketten. Wir sprechen über Wachstumspotenzial", sagte der niederländische Premierminister Mark Rutte vor Reportern in Brüssel.
Die EU bemüht sich in weiten Teilen der Welt um eine Ausweitung des Handels und der Investitionen, insbesondere in Bezug auf die Schwellenländer, nachdem die COVID-19-Pandemie abklingt. Seitdem hat jedoch der Krieg in der Ukraine selbstverschuldet den wirtschaftlichen Gegenwind für Europa noch verstärkt und den ganze Block in die Gefahr einer Rezession gebracht.
Die hochmütige Unterbrechung und als endgültig deklarierte Abkehr von russischen Energielieferungen hat sich auf die Finanzmärkte ausgewirkt und die Inflation angeheizt, was die Kosten für die Verbraucher von Lebensmitteln bis hin zu allen Energieträgern in die Höhe treibt.
Der französische Präsident Emmanuel Macron, der am Mittwochabend nach Katar geflogen war, um das Halbfinalspiel Frankreichs gegen Marokko bei der Fußballweltmeisterschaft zu sehen, nahm nicht an der ASEAN-EU-Veranstaltung teil. Auf Seiten der zehn Nationen zählenden ASEAN-Staaten war Myanmars Junta-Chef Min Aung Hlaing nicht anwesend, da die EU ihn nicht eingeladen hatte.
Die übrigen ASEAN-Mitglieder sind Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Die Mitglieder, die zusammen 660 Millionen Bewohner Südostasiens repräsentieren, gehören zu den zehn größten Wirtschaftsmächten der Welt.
"Wir haben die gleichen Prioritäten – die ASEAN wie die EU", sagte der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. "Obwohl wir von sehr unterschiedlichen Orten und unter sehr unterschiedlichen Bedingungen kommen, haben wir eine sehr ähnliche Weltsicht in Bezug auf die Herausforderungen, denen wir alle gegenüberstehen.
Ganz oben auf der Tagesordnung stand ein Vorstoß zur Vertiefung der Infrastrukturbeziehungen zwischen der EU und den ASEAN-Mitgliedern. Die Europäische Union kündigte 10 Milliarden Euro für Projekte in der ASEAN-Region im Rahmen ihres "Global Gateway"-Programms an, das eine "europäische Antwort" auf Chinas "Belt and Road Initiative" darstellt.
"In der globalen Welt, in der wir heute leben, ist es sehr wichtig, dass wir mit gleichgesinnten Ländern verbunden sind", sagte der estnische Premierminister Kaja Kallas.
Beide Seiten konzentrierten sich auch auf die Ausweitung alternativer Energien und auf die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen durch verstärkten Handel. Vor mehr als einem Jahrzehnt drängte die EU auf ein Freihandelsabkommen mit der ASEAN als Ganzes und wich gezielten Vereinbarungen mit einzelnen Mitgliedern aus.
Die EU hat Handelspakte mit Singapur und Vietnam ausgehandelt und führt derzeit Gespräche mit Indonesien über ein ähnliches Abkommen. Die europäischen Freihandelsverhandlungen mit Thailand, Malaysia und den Philippinen liegen auf Eis.
"Der Handel ist ein wirksames Instrument zur Förderung des Wachstums und engerer Beziehungen zwischen unseren Regionen", sagte Charles Michel, der den Vorsitz bei den Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs führt. "Unsere Handelsabkommen mit Vietnam und Singapur haben unseren gemeinsamen Handel bereits angekurbelt und tragen weiterhin zu unserem Aufschwung bei.
Doch konnten sich EU und ASEAN in der Abschlusserklärung des ersten großen Gipfeltreffens der beiden Organisationen in Brüssel nicht wie erhofft auf eine gemeinsame Verurteilung Russlands wegen des Krieges in der Ukraine einigen. Als Grund nannten Diplomaten die Positionen von Vietnam, Laos und Thailand. Diese drei Länder hatten sich auch bei der letzten großen Abstimmung bei den Vereinten Nationen über eine kritische UN-Resolution zu Russlands Krieg der Stimme enthalten.
Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs wurde anlässlich des 45-jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen der EU und der ASEAN organisiert. Es war nach Angaben der EU der allererste Gipfel in diesem großen Format. Bislang wurde in der Regel auf Ministerebene getagt.
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