Nach der abendlichen Festnahme von Sam Bankman-Fried am 12. Dezember auf Grundlage eines Eilhaftbefehls der New Yorker Staatsanwaltschaft erfolgte am nächsten Morgen der vom FTX-Gründer und seinen Anwälten anvisierte Versuch eines Kautionsantrags vor einem Amtsgericht in Nassau auf den Bahamas. Im Verlauf des knapp dreistündigen Termins wurden auch die Einzelheiten des Auslieferungsbeschlusses der USA thematisiert. Der ehemalige FTX-CEO, auch bekannt als "SBF", gab vor Gericht zu Protokoll, dass er "nicht auf sein Recht verzichte, seine Auslieferung an die USA anzufechten".
Zum Gerichtstermin waren auch die Eltern des Beschuldigten, Joe Bankman und Barbara Fried, aus den USA angereist. Bankman-Frieds Anwälte ließen verlautbaren, dass "für ihren Mandanten keinerlei Fluchtgefahr bestehe", so Informationen der vor Ort anwesenden Nachrichtenseite CoinDesk. Zudem wurde seitens der Anwälte argumentiert, dass SBF seit dem Bekanntwerden "der FTX-Problematik die Möglichkeit hatte, zu fliehen, und diese nicht genutzt hat". Ein Fluchtrisiko könnte zudem durch "elektronische Überwachungssysteme und eine hohe Bargeldkaution gemildert werden". Der Eilantrag auf eine Kautionszahlung wurde final von dem Gericht abgelehnt.
Die verantwortliche Richterin lehnte argumentativ aus zwei Gründen ab. So soll das Auslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten die Inhaftierung des Angeklagten vorschreiben. Zudem mache Bankman-Frieds "möglicher Zugang zu finanziellen Ressourcen seine Chance zu fliehen 'so groß'", dass er inhaftiert bleiben müsse, so die Darlegungen der New York Times. In der offiziellen Anklageschrift "der Staatsanwaltschaft der Vereinigten Staaten für den südlichen Bezirk von New York" heißt es zu den Gründen der Festnahme wörtlich in der Veröffentlichung:
"Vor einem Monat ist FTX zusammengebrochen und hat seinen Kunden, Kreditgebern und Anlegern Verluste in Milliardenhöhe zugefügt (...) Wie die heutige Anklage deutlich macht, war dies kein Fall von Missmanagement oder schlechter Aufsicht, sondern von vorsätzlichem Betrug, schlicht und einfach."
Bezugnehmend auf die Anklageschrift heißt es:
"Samuel Bankman-Fried, 30, aus Stanford, Kalifornien, wird wegen Verschwörung zum Internetbetrug ("wire fraud") in zwei Fällen, wegen Internetbetrugs in zwei weiteren Fällen und wegen Verschwörung zur Geldwäsche in einem Fall angeklagt, worauf jeweils eine Höchststrafe von 20 Jahren steht. Außerdem wird er der Verschwörung zum Warenbetrug, der Verschwörung zum Wertpapierbetrug und der Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten und zur Verletzung der Wahlkampffinanzierung angeklagt, worauf jeweils eine Höchststrafe von fünf Jahren steht."
Der US-Staatsanwalt Damian Williams fasst in einem Artikel des US-Senders CNBC-News die Beschuldigung zur Wahlkampffinanzierung dahingehend zusammen, dass "die Spenden getarnt" wurden, um den Anschein zu erwecken, "sie kämen von wohlhabenden Spendern, während sie in Wirklichkeit von Bankman-Frieds privatem Krypto-Hedgefonds Alameda Research mit gestohlenen Kundengeldern finanziert worden seien". "Und all dieses schmutzige Geld", so Williams, wurde verwendet, um "überparteilichen Einfluss zu kaufen und die Richtung der öffentlichen Politik in Washington zu beeinflussen."
Auf der regelmäßigen Pressekonferenz des Weißen Hauses vom 13. Dezember wurde die leitende Pressesprecherin Karine Jean-Pierre mit dieser Thematik konfrontiert. Ein anwesender Journalist stellte diesbezüglich folgende Fragen:
"Der Präsident (Biden) erhielt Wahlkampfspenden ‒ Wahlkampfspenden von ihm (SBF) ‒ und viele prominente Demokraten taten dies, einige Republikaner ebenfalls. Wird der Präsident diese Spenden zurückgeben? Fordert er alle Politiker, die Wahlkampfspenden erhalten haben, die möglicherweise von Kundengeldern stammen, auf, diese Gelder zurückzugeben?"
Karine Jean-Pierre wich der Frage argumentativ aus und bemerkte:
"Sehen sie, ich unterliege hier dem Hatch Act. Ich bin in meinen Aussagen beschränkt. Und für alles, was mit politischen Spenden von hier aus zu tun hat, muss ich Sie an das DNC (das nationale Organisationsgremium der Demokratischen Partei) verweisen."
Zu dieser Argumentationslinie der Pressesprecherin heißt es auf einer US-Regierungsseite erklärend: "Das Hatch-Gesetz, ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1939, schränkt bestimmte politische Aktivitäten von Bundesbediensteten sowie einiger Angestellter von Bundesstaaten, D.C. und Kommunalverwaltungen ein, die in Verbindung mit staatlich finanzierten Programmen arbeiten."
Der US-Staatsanwalt von Manhattan, Damian Williams, bezeichnete den Fall als "einen der größten Finanzbetrügereien in der amerikanischen Geschichte" und teilte mit, dass die Untersuchung des mutmaßlichen Systems SBF "noch sehr lange andauern wird". So hatte im Juli 2018 die Mutter von SBF, eine damalige Stanford-Professorin, mit zwei Stanford-Kollegen ein politisches Aktionskomitee (PAC) für die Demokraten gegründet. Der Name des Komitees lautet "Mind the Gap" (Beachte die Lücke). Das Aktionskomitee erhielt nachweislich auch Gelder aus dem FTX-Umfeld.
Dies alles könnten Gründe sein, warum die Richterin den Antrag von SBF auf Kaution mit dem Hinweis auf seine "Fluchtgefahr" ablehnte und damit anordnete, dass der Angeklagte "bis zum 8. Februar in der Strafvollzugsbehörde der Bahamas in Gewahrsam" verbleiben werde, so Einschätzungen von US-Medien. SBF drohen damit theoretisch bis zu 130 Jahre Gefängnis.
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