Von Seyed Alireza Mousavi
Katar und Deutschland haben sich auf einen langfristigen Liefervertrag für Flüssigerdgas (LNG) geeinigt. Zuvor hatte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser versucht, den neuerlichen Ruf Deutschlands als "moralische Supermacht" in Katar noch zu retten, indem sie die One-Love-Binde bei dem WM-Spiel Deutschland gegen Japan trug. Der Gasdeal scheint nun eher ein Zeichen dafür zu sein, dass in Katar das Geschäft vorgeht, auch wenn es politisch zwischen Berlin und Doha knirscht. Unter deutschen Wirtschaftsvertretern herrschte zuvor die Sorge, das gespannte politische Klima könnte sich auf das Geschäft mit dem Emirat negativ auswirken.
Das Flüssiggas soll laut dem Vertrag an den US-amerikanischen Konzern Conoco-Phillips verkauft werden, der den Rohstoff dann weiter nach Brunsbüttel in Deutschland liefert. Diese Lieferungen sollen allerdings erst 2026 beginnen und bis zu 15 Jahre laufen, obwohl Deutschland dringend auf neue Handelspartner beim Gas angewiesen ist. Der bisherige Großlieferant Russland fällt seit der russischen Militäroperation in der Ukraine aus. Gemäß dem Vertrag mit Katar sollen jährlich nur bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssigerdgas nach Deutschland geliefert werden. Diese zwei Millionen Tonnen LNG entsprechen etwa 2,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr, was als Liefermenge sehr gering ist: Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 waren bis zum Beginn des Ukraine-Krieges jährlich rund 55 Milliarden Kubikmeter von Russland nach Deutschland geliefert worden, 2021 hatte Deutschland zudem knapp 90,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht. Im Zusammenhang mit dem neuen Gasdeal ist auch anzumerken, dass Katar Energy sich zu dem vereinbarten Preis nicht äußern wollte. Insofern dürfte man feststellen, dass dieser Deal eher ein symbolischer Akt ist, zumal damit nur ein Bruchteil des Gasbedarfs in Deutschland abgedeckt werden kann.
Der deutsche Vertragsabschluss kam nur wenige Tage nach der Verkündung eines Gasdeals zwischen Katar und China, der vor allem wegen seiner langen Laufzeit von strategischer Bedeutung ist. Das Lieferabkommen mit China sieht den Export von verflüssigtem Erdgas (LNG) im Umfang von 108 Millionen Tonnen über 27 Jahre vor. Diese Zahlen machen deutlich, dass der Golfstaat für seine langfristigen Geschäfte eher auf Staaten im Osten setzt als auf westliche Staaten, die aufgrund ihrer hochgeschraubten "Moralität" nichtwestliche Staaten stets belehren wollen. Durch den langfristigen Vertrag mit Katar diversifiziert Peking seine Gas-Bezugsquellen und macht sich unabhängiger von westlichen Lieferländern. Der Preis soll Berichten zufolge bei dem chinesischen Vertrag auch günstiger ausfallen als bei dem deutschen, da das katarische Gas über den US-Konzern Conoco-Phillips an Deutschland geliefert wird.
In der westlichen Überheblichkeit scheint es indes keinen Platz für eine ebenbürtige Partnerschaft zu geben. Im Zuge des Gasdeals mit Deutschland attackierte Wirtschaftsminister Robert Habeck Katar entsprechend mit dem Vorwurf, die WM-Austragung in dem Emirat sei nur "durch Korruption" zu erklären. Zu der Aussage Habecks sagte Katars Energieminister Saad Scharida al-Kaabi gegenüber BILD: "Wenn man jemanden der Korruption beschuldigt, muss man Beweise vorzeigen. Man ist juristisch haftbar, wenn man sagt, dass jemand korrupt ist."
Er forderte von Habeck mehr Respekt gegenüber Katar und der katarischen Bevölkerung ein. Die Führung in Doha ist sich durchaus bewusst, dass die westlichen Staaten keine verlässlichen Partner sind. Und auch ein saudischer Energie-Experte erklärte vor Kurzem in einem Interview mit dem ZDF, dass Saudi-Arabien Deutschland nicht als verlässlichen Partner betrachte, da Berlin mit der Beschlagnahmung russischer Gasinfrastruktur Vertrauen verspielt habe.
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