Im Jahr 2019 gründete Sam Bankman-Fried (30, medial als SBF betitelt) die Handelsplattform FTX. Dabei handelt es sich um eine der ehemals größten Börsen für digitale Währungen. Die Plattform erreichte innerhalb ihrer kurzen Existenzzeit eine Bewertung von 32 Milliarden US-Dollar. Im November 2022 geriet FTX in finanzielle Turbulenzen und musste nach fragwürdigen Rettungsversuchen und der bis dato noch unaufgeklärten Verschiebung von Milliardensummen letztlich Insolvenz anmelden.
Ab dem 1. Dezember 2022 soll nun ein Ausschuss im US-Senat aufklären, welche Rolle SBF, das ehemalige Wunderkind der Krypto-Finanzwelt ("der nächste Warren Buffett"), bei dem Zusammenbruch spielte. SBF spendete unter anderem mehr als fünf Millionen Dollar an Joe Biden und war damit zweitgrößter Einzelspender der Demokraten, nur noch übertroffen von den 128 Millionen Dollar von George Soros. Zudem gab es eine FTX-Solidarpartnerschaft mit der ukrainischen Regierung, um Spenden auf Krypto-Basis zu ermöglichen.
Unmittelbar nach seinem Absturz gab die New York Times (NYT) SBF eine erste Chance, sich in einem eher wohlwollenden Interview zu den jüngsten Ereignissen zu äußern. Ungeachtet der laufenden Ermittlungen seitens der US-Behörden bekam SBF jetzt eine weitere Möglichkeit zur Darlegung seiner Sicht auf die Geschehnisse – und zwar erneut seitens der NYT, auf der schon vor dem Crash anberaumten DealBook-Konferenz. SBF weilt weiterhin auf den Bahamas, laut eigenen Aussagen aber nicht mehr in seinem Millionenanwesen.
In einem Artikel zu der Konferenz erläuterte die NYT, die kommenden zivil- und strafrechtlichen Ermittlungen des US-Justizministeriums und der Börsenaufsichtsbehörde konzentrierten sich laut US-Medien auf die Frage, ob das Unternehmen FTX gegen das geltende Gesetz verstoßen habe, "indem es die Gelder seiner Kunden an eine Handelsfirma, Alameda Research, verliehen hat, die ebenfalls Herrn Bankman-Fried gehörte".
Alameda Research wurde unter dubiosen Umständen und Verknüpfungen von einer ehemaligen Lebensgefährtin von SBF, Caroline Ellison, geleitet.
Irritierend in der Betrachtung ist die Tatsache, dass ein mutmaßlicher Milliardenbetrüger und Bankrotteur, gegen den weitreichende Ermittlungen eingeleitet wurden, zu Beginn der Veranstaltung mit herzlichem Applaus bedacht wurde:
In der Videoübertragung von den Bahamas teilte er zu Beginn mit, dass er "gegen den Rat seiner Anwälte sprechen würde", die ihn angewiesen hätten, eher zu schweigen und sich "in ein Loch zurückzuziehen", so SBF wörtlich. Er habe jedoch beschlossen, "sich über ihren Rat hinwegzusetzen", denn er habe "die Pflicht zu reden". Zu Beginn des Gesprächs behauptete SBF:
"Ich wusste nicht genau, was vor sich ging (...) Ich sah es als florierendes Geschäft und war schockiert davon, was diesen Monat (November) passiert ist."
Nicht überraschend übernahm SBF die Verantwortung für den Zusammenbruch von FTX:
"Sehen Sie, ich habe es vermasselt, ich war der CEO (Geschäftsführer)."
Bei den aufzuklärenden Zusammenhängen des gigantischen Zusammenbruchs haben private Investoren wie auch Firmen Milliarden von Dollar verloren, die sie bei FTX gelagert hatten. Die Plattform kümmerte sich um den Kauf und Verkauf der sogenannten Währungseinheit FTX-Token (FTT). Ausgehend von der gesellschaftlich-medialen Wahrnehmung mimte SBF bei dem Gespräch auf der Konferenz nur sehr bedingt glaubwürdig für die Zuhörer und die geschröpften Anleger das unwissende Unschuldslamm. So behauptete er auf Fragen zu seiner Verantwortung für das Desaster:
"Ich habe nur begrenzten Zugang zu den Daten gehabt (...) Ich habe nicht wissentlich Gelder vermischt."
Auf die Frage, wann er wusste, dass es ein Problem gab, antwortete er "am 6. November". Und das war zufällig der Tag, an dem der chinesisch-kanadische Krypto-Händler Changpeng Zhao, auch bekannt als CZ, öffentlich twitterte, dass er die FTT-Bestände von Binance auflösen werde. CZs Unternehmen Binance galt zu diesem Zeitpunkt als größter Konkurrent von FTX. In Bezug auf die noch zu klärenden geschäftlichen Beziehung zwischen FTX und dem Unternehmen Almeda kommentierte SBF, er sei "nervös wegen eines Interessenkonflikts" und habe "sich unter anderem aus diesem Grund von den Aktivitäten des Unternehmens distanziert." Damit auch sehr auffällig von seiner damaligen Lebensgefährtin Caroline Ellison, die er – und das ist durchaus erwähnenswert – in dem Interview nicht einmal namentlich benannte.
SBF bezeichnete das ganze Debakel als "ein Problem des Risikomanagements", das in einem "Ansturm auf die Bank" aus dem Ruder gelaufen sei. Er habe "nichts von irgendwelchen Maßnahmen seitens Alameda gewusst", so seine Aussagen bei dem Gespräch auf der Konferenz. In Bezug auf die anstehenden juristischen Ermittlungen schätzte SBF ein:
"Ich persönlich glaube nicht, dass ich strafrechtlich haftbar bin."
Zu der Frage des Moderators, was mit den 515 Millionen Dollar geschehen sei, "die von FTX nach dessen Konkursanmeldung auf verdächtige Weise transferiert wurden", nannte SBF "die Möglichkeit unzulässiger Zugriffe auf Vermögenswerte." Zu medialen Berichten über die WG-ähnlichen Zustände in dem Millionenanwesen auf den Bahamas – mit zehn engeren Angestellten, wie auch Caroline Ellison, sowie ausuferndem Drogenkonsum bei FTX – kommentierte SBF:
"Es gab keine wilden Partys. Auf unseren Partys spielen wir Brettspiele. Zwanzig Prozent der Leute haben jeweils einen Liter Bier getrunken und der Rest von uns hat nichts getrunken."
Er erläuterte, er habe jedoch verschiedene Mittel verschrieben bekommen, die ihm helfen sollen: "Ich glaube, sie helfen mir, mich ein bisschen zu konzentrieren." Die New York Times erwähnt in ihrer Zusammenfassung des Gesprächs:
"Während er Fragen beantwortet, zappelt SBF herum und trinkt gelegentlich aus einer Dose La Croix (US-Mineralwassermarke)."
Zu den Auswirkungen des Zusammenbruchs des Unternehmens auf seine eigene Zukunft äußerte sich SBF abschließend mit der Darlegung: "Ich habe einen schlechten Monat hinter mir." Wobei das in New York anwesende Publikum anschließend mit Gelächter reagierte:
Sein Nettovermögen sei auf etwa 100.000 Dollar geschrumpft. Und er bemerkte:
"Ich habe kein verstecktes Vermögen. Ich habe alles, was ich hatte, in FTX gesteckt."
Zudem habe er "darüber nachgedacht, in die Vereinigten Staaten zu kommen." Laut jüngsten Berichten der US-Medien erhielten demokratische Abgeordnete, als Mitglieder der "Arbeitsgruppe für digitale Vermögenswerte des Ausschusses", die sich mit der Regulierung der Kryptoindustrie befassten und dabei SBF im Dezember des Vorjahres in Washington befragten, zuvor größere Beträge von FTX. So heißt es in einem Artikel vom November:
"Sam Bankman-Fried und Führungskräfte seiner FTX-Firma haben Hunderttausende von Dollar an Mitglieder des Repräsentantenhaus-Ausschusses gespendet, der im nächsten Monat Anhörungen zum Zusammenbruch des Unternehmens durchführen wird."
Besonders eine Abgeordnete der Demokraten war nach dem Besuch von SBF im Ausschuss so begeistert, dass sie ihm am Ende der Veranstaltung einen "Luftkuss" zugeworfen hatte. Maxine Waters ist nun voraussichtlich auch bei den am 1. Dezember gestarteten Ermittlungen involviert:
Am Mittwoch bezeichnete US-Finanzministerin Janet L. Yellen den Zusammenbruch von FTX als einen "Lehman-Moment" für die Kryptowährungsindustrie und bezog sich dabei auf den Konkurs der Wall Street Investmentbank Lehman Brothers zu Beginn der Finanzkrise 2008.
Weitere Gäste der NYT DealBook-Konferenz am 30. November waren: Larry Fink, CEO von BlackRock; Mark Zuckerberg (Gründer von Facebook/Meta); Reed Hastings (Gründer von Netflix); Andy Jassy (Präsident von Amazon); und die beiden Politiker Benjamin Netanjahu (designierter israelischer Premierminister) und Wladimir Selenskij, ukrainischer Präsident.
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