Wie am Donnerstag in Ottawa bekannt wurde, hatte der US-Präsident Joe Biden den kanadischen Premierminister Justin Trudeau dazu gedrängt, den "Freedom Convoy" zu beenden, dessen Teilnehmer damit an der Grenze zwischen Kanada und den USA gegen die vorgeschriebenen Corona-Impfmandate protestierten. Danach bemühten sich Premierminister Justin Trudeau und hochrangige kanadische Regierungsbeamte, die wachsende Besorgnis in Washington zu dämpfen, wie die Nachrichtenplattform Politico nun berichtet.
Bekannt wurde dies durch Zeugenaussagen und Dokumente, die bei einer öffentlichen Untersuchung der Entscheidung der kanadischen Regierung vorgelegt wurden, um Notstandsbefugnisse zur Beendigung der Truckerproteste zu nutzen und auch die wochenlangen Demonstrationen in der Innenstadt von Ottawa zu beenden, die im Januar 2022 begannen. Die Untersuchung ist gesetzlich vorgeschrieben, nachdem der Premierminister am 14. Februar beschlossen hatte, das Notstandsgesetz zur Beendigung der Proteste anzuwenden.
Anfang des Jahres 2022 kam es zu Demonstrationen gegen die Corona-Politik Trudeaus, insbesondere gegen COVID-Impfmandate. Die Proteste von Fahrern der Lastkraftwagen weiteten sich aus, bis diese dann wichtigen Transportwege entlang der kanadisch-amerikanischen Grenze blockierten und Teile der kanadischen Hauptstadt für mehr als drei Wochen lahmlegten. Auf Grundlage des von Trudeau verhängten Gesetzes wurden willkürlich Bankkonten eingefroren, deren Inhaber im Verdacht standen, die Truckerproteste finanziell zu unterstützen. Zudem wurden Reisen zu den Protestorten verboten und Lastwagen zum Abschleppen von Fahrzeugen gezwungen, wenn diese die Straßen blockierten. Die Kommission muss nun feststellen, ob die kanadische Regierung diese Maßnahmen zu Recht ergriffen hat.
Nun wurde im Rahmen der Untersuchung insbesondere auch bekannt, dass Biden seinen kanadischen Amtskollegen drängte, den Konvoi zu stoppen. Die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland berichtete der Kommission von einem Anruf von Brian Deese, dem Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats und Bidens oberstem Wirtschaftsberater, mit der Äußerung, Washington zeige sich "sehr, sehr, sehr besorgt". Demnach habe Freeland in einer E-Mail an ihre Mitarbeiter geschrieben:
"Wenn das nicht in den nächsten 12 Stunden geklärt wird, werden alle ihre Autofabriken im Nordosten des Landes geschlossen."
Eine Analyse von Transport Canada hatte die Kosten der Blockaden infolge der Unterbrechung des Handels zudem auf 3,9 Milliarden kanadische Dollar beziffert. Am 11. Februar organisierten Deese und Trudeaus Stabschef Brian Clow ein Telefonat zwischen Biden und dem kanadischen Premierminister. In Clows Nachrichten heißt es, Trudeau habe mit dem Präsidenten über den amerikanischen Einfluss auf die kanadischen Blockaden gesprochen, einschließlich "Geld, Leute und politische/mediale Unterstützung".
Biden sprach angeblich auch über Gerüchte von einem separaten Konvoi, der Washington und den Super Bowl in Inglewood, Kalifornien, in der Nähe von Los Angeles, blockieren sollte. Laut Freeland hatte Biden diese Blockaden als ein "gemeinsames Problem" bezeichnet. Drei Tage, nachdem der US-Präsident ihn zur Beendigung des "Freedom Convoys" gedrängt hatte, berief sich Trudeau auf das kanadische Notstandsgesetz, das bisher nur sehr selten angewandt worden war, um die Proteste zu beenden. Freeland kommunizierte auch mit Alan Kestenbaum, dem CEO des Stahlgiganten Stelco (U.S. Steel Canada). So soll Kestenbaum geschrieben haben:
"Das trifft uns wie viele andere jetzt wirklich hart. Noch schlimmer, ich befürchte, die langfristigen Folgen der Schließung von Autofabriken aufgrund des Mangels an kanadischen Teilen werden die Autofirmen nur noch mehr überzeugen, sich ins eigene Land zurückzuziehen und Lieferanten (und unsere Kunden) in die USA zu verlagern."
Freeland erklärte weiter, sie hätte die Bedenken geteilt und befürchtete, dass Kanada dabei sei, "unseren Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten langfristigen und möglicherweise irreparablen Schaden zuzufügen".
"Wir sind entschlossen, dem schnell ein Ende zu setzen, und das werden wir auch", sagte sie.
Freeland kritisierte während ihrer Aussage auch die Parteien der Demokraten und Republikaner in Washington, "die jeden Vorwand nutzen würden, um uns weitere protektionistische Maßnahmen aufzuerlegen". Im Februar wurden die Blockaden an der Grenze zwischen den USA und Kanada schließlich aufgelöst. Die genauen Auswirkungen der Notstandsbefugnisse auf die Grenzblockaden bleiben weiterhin unklar. Aus den bei der Untersuchung vorgelegten Dokumenten geht hervor, dass die Strafverfolgungsbehörden das Notstandsgesetz nicht zwingend benötigten, um die Grenze zu öffnen.
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