Twitter-Chef Elon Musk hat angekündigt, gesperrte Twitter-Konten in der kommenden Woche wieder freischalten zu lassen. Zuvor hatte der Milliardär die Nutzer des Kurznachrichtendienstes abstimmen lassen, ob es für gesperrte Konten eine Generalamnestie geben solle, "vorausgesetzt, sie haben nicht gegen das Gesetz verstoßen oder ungeheuerlichen Spam betrieben". Mehr als 3,1 Millionen Stimmen wurden bei der am Mittwoch verbreiteten Umfrage gezählt, 72,4 Prozent der Twitter-Nutzer sprachen sich demnach für eine Reaktivierung gesperrter Accounts aus.
"Das Volk hat gesprochen", verkündete Musk dann am späten Donnerstagabend auf Twitter. "Die Amnestie beginnt nächste Woche. Vox Populi, Vox Dei". Die kurze lateinische Redewendung "Vox Populi, vox die" geht auf Alkuin aus Yorkshire zurück, der Ende es achten Jahrhunderts im Dienste des Frankenkönigs Karls des Großen stand. In einem Brief warnte Alkuin Karl den Großen damals: "Nec audiendi qui solent dicere: 'Vox populi, vox Dei', cum tumultuositas vulgi semper insanię proxima sit", was auf Deutsch so viel heißt wie:
"Auf diejenigen muss man nicht hören, die zu sagen pflegen, 'Volkes Stimme, Gottes Stimme', da die Lärmsucht des Pöbels immer dem Wahnsinn sehr nahe kommt."
Einige Tage zuvor hatte der Milliardär und SpaceX-Chef – ebenfalls nach einer Nutzerumfrage – bereits den Account des früheren US-Präsidenten Donald Trump freischalten lassen, ebenso die Konten des kanadischen Psychologen Jordan Peterson, des ehemaligen Profi-Kickboxers Andrew Tate – dessen extrem frauenfeindliche Ansichten 2017 zu einem Twitter-Verbot führten – und das Konto des US-Rappers Ye, geboren als Kanye West, der wegen antisemitischer Kommentare erst kürzlich von der Social-Media-Plattform verbannt worden war.
Am 28. Oktober, einen Tag nach seiner Übernahme der Kontrolle über den Social-Media-Giganten, kündigte Musk noch an, dass er einen "Rat zur Moderation von Inhalten" mit "sehr unterschiedlichen Standpunkten" einrichten wolle. Bis dieser Rat eingerichtet sei, so der Milliardär damals, würden auch keine gesperrten Konten reaktiviert werden. Dieses Versprechen nahm Musk jedoch am Dienstag bereits wieder zurück. Der versprochene Twitter-Beirat sei Teil einer Vereinbarung mit einer "großen Koalition politischer Aktivistengruppen" gewesen, die versprochen habe, "Twitter nicht durch Entzug der Werbeeinnahmen zu töten". Sie hätten die Vereinbarung gebrochen, deshalb könne auch er sich nicht mehr an die ursprünglich getroffene Vereinbarung halten.
Vor der Übernahme durch Musk verhängte Twitter in der Regel sogenannte "Strikes", also kurzzeitige Suspendierungen, wenn Nutzer wiederholt gegen die Regeln der Plattform verstoßen hätten. Um einen solchen "Strike" zu bekommen, reichte es seinerzeit jedoch bereits aus, auch nur vermeintliche Fehlinformationen zu teilen, etwa zur COVID-19-Pandemie oder zu den umstrittenen US-Präsidentschaftswahlen 2020. Neun solcher Strikes reichten aus, um gänzlich von der Plattform ausgeschlossen zu werden. Die Plattform verfügte auch über andere Durchsetzungsmechanismen – wie die Kennzeichnung eines Tweets oder die Verringerung von dessen Reichweite. Mit dieser Art Politik der permanenten Verbote war Musk von Anbeginn nicht einverstanden.
Möglicherweise hatte der neue Twitter-Chef deshalb zu Beginn der Woche beispielsweise auch den Account der republikanischen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene reaktiviert. Greene war zu Beginn des Jahres gesperrt worden, weil sie angeblich wiederholt "Desinformationen" über das Coronavirus verbreitet hatte. Die am Donnerstag angekündigte Amnestie wird jedoch nicht allen Nutzern gesperrter Twitter-Konten gewährt. Am Sonntag hatte Musk erklärt, dass der Verschwörungstheoretiker Alex Jones beispielsweise nicht zu Twitter zurückkehren dürfe. "Mein erstgeborenes Kind ist in meinen Armen gestorben", schrieb Musk auf Twitter.
"Ich habe seinen letzten Herzschlag gespürt. Ich habe kein Mitleid mit jemandem, der den Tod von Kindern für Profit, Politik oder Ruhm ausnutzt."
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