Von Andrei Restschikow
Die in Rumänien stationierten Eliteverbände der 101. US-amerikanischen Luftlandedivision sollen "im Laufe einer Nacht" zum Kampf auf ukrainischem Gebiet bereit sein. Zudem haben die USA ihre Truppen auf der polnischen Militärbasis Kościuszko verstärkt, wo das 5. Armeekorps dauerhaft stationiert wurde. Wie real ist daher die Gefahr einer direkten Beteiligung der USA und damit einer möglichen Eskalation des Ukraine-Konflikts?
Die Kommandeure der 101. Luftlandedivision, die Washington im Sommer vor dem Hintergrund der Verschärfung der Beziehungen zwischen Russland und der NATO umverlegte, deuten auf die Bereitschaft der US-Truppen hin, in die Ukraine einzumarschieren. In einem Interview für den Kanal CBS News behauptete der Kommandant der Kampfgruppe der 2. Brigade, Oberst Edwin Matthaidess, dass die Soldaten "im Laufe einer Nacht zum Kampf bereit" seien, sollte die militärische Lage eskalieren oder die NATO angegriffen werden.
Der stellvertretende Divisionskommandant John Lubas fügte dem hinzu:
"Wir sind bereit, jeden Zoll des NATO-Bodens zu verteidigen."
Die Division verfüge über "einzigartige Möglichkeiten" zur Durchführung eines Luftschlags, erklärte er weiter.
Die Soldaten der "Screaming Eagles" genannten Luftstreitkräfte wurden im Juli auf die rumänische Fliegerbasis Mihail Kogălniceanu versetzt. Zum ersten Mal seit 80 Jahren kam es zur Umverlegung dieser Eliteeinheit, die im Zweiten Weltkrieg als bedeutendste Division der US-Streitkräfte galt. Am 6. Juni 1944 nahm sie an der größten Landeoperation der Geschichte in der Normandie teil.
Der Verband ist dazu ausgebildet, innerhalb weniger Stunden auf jedem Kampffeld gefechtsbereit zu sein. Auf der rumänischen Basis verrichten derzeit etwa 4.700 Militärangehörige ihren Dienst. Das operative Zentrum des Verbands bildet die 2. Kampfgruppe der 2. Brigade.
Alexander Bartosch von der Russischen Akademie der Militärwissenschaften ist der Auffassung, dass die "Screaming Eagles" aufgrund der geringen Zahl der stationierten Soldaten zwar keine ernste Bedrohung darstellen, allerdings könnten sie an der Herbeiführung einer Eskalation mitwirken. Ein möglicher Einmarsch in die Ukraine würde die US-Armee in direkten Kontakt mit den Streitkräften Russlands bringen. Bartosch erklärte:
"Das heißt, dass es zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO käme. Das Gefasel und die Wichtigtuerei, die sich amerikanische Militärs erlauben, zeugen davon, dass sie sich dessen nicht bewusst sind, was auf die Handlungen, von denen sie sprechen, folgen könnte."
Eine unmittelbare Teilnahme der "Screaming Eagles" an den Kampfhandlungen in der Ukraine würde "einen bedeutenden Schritt zur militärischen Eskalation" darstellen. Der Experte warnte:
"Das Problem besteht nicht im militärischen Muskelspiel, sondern in der Schaffung eines politischen Präzedenzfalls. Es wird praktisch darum gehen, dass Russland in einen Krieg gegen die USA und andere NATO-Länder eintritt."
Bartosch zufolge könnten die USA für das Überschreiten der ukrainischen Grenze "jeglichen Vorwand" nutzen. Er erläuterte weiter:
"Die USA kämpfen jetzt schon in der Ukraine mit fremden Händen – die Streitkräfte der Ukraine betrachten sie als Kanonenfutter. Und nun wollen sich diese tapferen Jungs selbst als Kanonenfutter anbieten."
Der Ansicht, dass von einer direkten Teilnahme der USA am Ukraine-Konflikt eine große Bedrohung ausgehen würde, ist auch Alexander Artamonow, Militärexperte und Absolvent der Diplomatenakademie Frankreichs. Ihm zufolge entspreche die Vorgehensweise der USA tatsächlich der Stimmung der US-Truppen. Er erklärte:
"Die USA zeigen die absolute Bereitschaft, zur nächsten Phase des Konflikts überzugehen. Das sieht man mit bloßem Auge. In der Regel schreien sie umso lauter nach Frieden, je provokativer ihre Handlungen sind. Die Eskalation dauert an, obwohl vor einigen Tagen der Verteidigungsminister Russlands, Sergei Schoigu, mit dem Chef des Pentagons, Lloyd Austin, die Lage in der Ukraine am Telefon besprach."
Die Ankunft der US-Militärs auf der Militärbasis Mihail Kogălniceanu wurde von einer feierlichen Zeremonie begleitet. Anschließend fand zur Demonstration der eigenen Schlagkraft zusammen mit rumänischen Soldaten eine Militärübung unter Einsatz von Kampfhubschraubern, Artillerie, Maschinengewehren und Panzern statt. Die Übung imitierte die Kämpfe der ukrainischen Truppen gegen die russischen Streitkräfte. Die US-amerikanische Presse bezeichnete die Übung als klares Signal an Russland und die NATO-Verbündeten, dass sich die US-Armee nun in unmittelbarer Nähe befindet.
Die Erhöhung der Truppenstärke in Rumänien durch die rotierende Brigade und die dauerhafte Stationierung einer Garnison in Polen hatte der US-Präsident Joe Biden während des NATO-Gipfeltreffens in Madrid angekündigt. In der Folge wurde erstmals US-amerikanisches Militär zur dauerhaften Stationierung auf die Militärbasis Kościuszko bei Posen entsandt. Bei den Einheiten handelt es sich um das 5. Armeekorps, das für die Leitung militärischer Übungen in Europa zuständig ist.
Die Teilnahme eines multinationalen Truppenverbands unter Leitung der USA am Ukraine-Konflikt hält auch der ehemalige CIA-Chef und Ex-Kommandant der US- und NATO-Truppen in Afghanistan, David Petraeus, für möglich. Wie die Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtet, behauptete Petraeus dies während eines Interviews mit der Zeitung Express. Grund für eine Eskalation wäre der Überfall auf ein Mitglied der Allianz. Für die NATO sei dies eine "rote Linie", deren Überquerung eine heftige Reaktion zur Folge haben werde. Weiter führte er aus:
"Die USA und andere Länder können auf die eine oder andere Weise reagieren, aber als eine multinationale Kraft unter US-Leitung, nicht als eine Kraft der NATO."
Nach Artamonows Einschätzung seien polnische Bataillone mit Erlaubnis Wladimir Selenskijs de facto bereits in die Ukraine einmarschiert, als er entsprechende Verträge mit Warschau unterzeichnete. Bei den polnischen Truppen handele es sich um Streitkräfte der NATO, weswegen die USA automatisch eine Verantwortung für den Einmarsch ihrer Waffenbrüder in der Ukraine tragen. Er merkte aber auch an:
"Wie US-amerikanische Analytiker sagen, wird die Armee der USA im Falle einer direkten Konfrontation mit Russland nicht lange standhalten. Ihnen fehlt jede reale Kampferfahrung, alle erinnern sich an den demütigenden Truppenabzug aus Afghanistan."
Darüber hinaus wäre die US-Armee im Falle einer direkten Konfrontation mit Russland mit mehreren Problemen, darunter im logistischen Bereich, konfrontiert, da sie Munition über den Atlantischen Ozean heranschaffen müsste. Die US-Truppen wären im Falle von Versorgungsengpässen und bei einem Mangel an Panzern nicht in der Lage, in die Offensive zu gehen. Denkbar wäre hingegen eine nukleare Provokation durch die USA, da sich in Polen zahlreiche Vorrichtungen für den Einsatz von Tomahawk-Raketen befänden, die mit einem Nuklearsprengkopf ausgestattet werden könnten, warnte Artamonow.
Übersetzt aus dem Russischen.
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