Die internationale Umweltschutzorganisation Navdanya (Neun Samen) führt im Oktober die weltweite Kampagne "Unser Brot, unsere Freiheit" durch. Mittels eines internationalen Aktionsaufrufs werden Menschen in allen Erdteilen dazu eingeladen, sich vom 2. bis zum 16. Oktober mit unterschiedlichen Aktionen an der Kampagne zu beteiligen.
Navdanya warnt schon seit Jahren davor, dass die Welternährung auf der Kippe stehe. In der Kampagne "Unser Brot, unsere Freiheit" gehe es daher um die Frage, ob und wie wir uns in Zukunft ernähren werden: Gibt es in Zukunft
"Nahrung für alle, Gesundheit für alle und Arbeit für alle – oder keine Nahrung, keine Gesundheit, keine Arbeit und die Kontrolle über Nahrung in den Händen des einen Prozent?"
Navdanya erinnert daran, dass Nahrung und Lebensmittel auf unserem Planeten den Kreislauf des Lebens bestimmen. Im Lebensnetz sei Nahrung das Geschenk der Erde, das große verbindende Element zwischen Boden, Pflanzen, Tieren und Menschen. Durch die Arbeit von "Frauen, Bauern, Landarbeitern, Fischern, Viehzüchtern und Hirten, Gärtnern und Müttern" werde uns dieses Geschenk gegeben. In der echten Landwirtschaft achte man auf die Ökologie, stellt die Umweltorganisation fest:
"Die Prinzipien echter Landwirtschaft sind Agrarökologie, regenerative Landwirtschaft, Natürlichkeit, biologische Landwirtschaft – sie alle basieren auf Vielfalt und Fürsorge. Sie maximieren fotosynthetische Biomasse für vielfältige Funktionen und Anwendungen, indem sie organische Substanz wiederverwerten und nach dem Gesetz der Rückführung arbeiten."
Im verbundenen Ökosystem sei echte Nahrung zudem auch der Schlüssel zur Gesundheit unseres Planeten sowie auch zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Menschen. Im Gegensatz dazu haben laut Navdanya industrielle Lebensmittelsysteme, die auf fossilen Brennstoffen und Chemikalien basieren, innerhalb weniger Jahrzehnte das Ökosystem der Erde, die menschliche Gesundheit und die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen vieler Menschen zerstört. Industrielle Lebensmittelsysteme verstießen direkt gegen die ökologischen Gesetze und die Gesetze der sozialen Gerechtigkeit.
Schließlich widersprächen Monokulturen anstelle von Vielfalt ökologischen Gesetzen ebenso wie der rücksichtslose Einsatz von Pflanzen-, Insekten, und Bodengiften sowie die künstliche Trennung von Pflanzenanbau und Tierhaltung. Dabei habe man zuerst Pflanzen- und Tiermonokulturen geschaffen und natürliche Kreisläufe zerstört. Aktuell würden viele Tiere getötet und die Bauern komplett enteignet, weil man absichtlich eine Verwechslung geschaffen habe zwischen Massentierhaltung, die auf Ausbeutung basiere, und Tieren in kleinen ökologischen Betrieben, die ein wesentlicher Bestandteil eines integrierten Systems seien.
Das antiökologische industrielle Lebensmittelsystem verursache mittlerweile 75 Prozent der Wüstenbildung und Bodenzerstörung auf diesem Planet. 70 Prozent des Süßwasserverbrauchs seien dieser Lebensmittelproduktion geschuldet, und 75 Prozent des Verlusts an genetischer Vielfalt von Pflanzen in einem Jahrhundert gingen auf ihre Kosten.
"Ein industrielles, globalisiertes und grenzenloses Warenproduktionssystem trägt zur ökologischen Zerstörung der Lebensprozesse der Erde und ihrer Gesundheit bei."
Keinesfalls sei Russland für Inflation und drohenden Hunger verantwortlich, stellt Navdanya ausdrücklich fest:
"Die derzeitige Preiskrise und die sich abzeichnende Hungerkrise sind auch kein Symptom der russischen Invasion in die Ukraine, sondern das Symptom eines Systems, das aus dem Ruder gelaufen ist."
Schließlich bestehe nach Angaben der FAO, der Weltbank und des Internationalen Expertengremiums für nachhaltige Ernährungssysteme (IPES) grundsätzlich derzeit gar keine Gefahr einer weltweiten Nahrungsmittelknappheit.
Tatsächlich verursache übermäßige Spekulation mit Lebensmitteln, die zu einem finanziellen Vermögenswert und aufgrund der Finanzialisierung zu einer x-beliebigen Ware geworden seien, die drohende Hungerkrise. Spekulation führe zu einem steilen Preisanstieg für die Verbraucher und zu steigenden Unternehmensgewinnen für Finanzakteure und Agrarkonzerne. Das Problem liege nicht im Mangel am Nahrungsmittelangebot, sondern darin, wie das Lebensmittelsystem um Macht herum strukturiert sei. Nun sei es an der Zeit, so Navdanya im Aktionsaufruf,
"unsere ressourcenintensiven und profitorientierten Wirtschaftssysteme aufzugeben, die in der Welt Chaos angerichtet, die Ökosysteme des Planeten gestört und die gesellschaftlichen Systeme von Gesundheit, Gerechtigkeit und Demokratie untergraben haben".
Der internationalen Konsens über die Notwendigkeit der Schaffung einer Alternative zur industriellen Landwirtschaft und zum zentralisierten Verteilungsmodell müsse umgessetzt werden. Nur der Aufbau lokaler ökologischer Ökonomien auf der Grundlage von "Brotarbeit" ("bread labour" nach Gandhi) und Ko-Kreativität mit der Natur könne die Erde und menschliche Gesellschaften durch die Wiederbelebung von echter Arbeit zu erhalten.
"Die ethische und ökologische Antwort ist die Rückkehr zur Erde und ihren ökologischen Gesetzen, um Nahrung für alle, Gesundheit für alle und Arbeit für alle zu gewährleisten."
"Die Rückgewinnung von Saatgutfreiheit und Nahrungsfreiheit ist unsere ökologische und ethische Verpflichtung gegenüber der Erde, unserer Erdfamilie und der Menschheit."
An dieser Stelle wird nur die neunte und letzte Forderung aus dem Aktionsaufruf für Saatgutfreiheit und Nahrungsfreiheit, Saatgutsouveränität und Ernährungssouveränität der Kampagne "Brot und Freiheit" wiedergegeben. Darin geht es um die Forderung, den Ernährungsfrieden und den Frieden mit der Erde wiederherzustellen, anstatt, wie von Henry Kissinger erklärt, Nahrung als Waffe einzusetzen:
"9. Kissinger hatte erklärt: 'Nahrung ist eine Waffe.' In der heutigen Welt der Fake-Wissenschaft und der Fake-Wirtschaft ist patentierte 'Fake-Nahrung' die neue Art, Lebensmittel als Waffe zu gebrauchen. Dies wird durch rassistische, faschistische und totalitäre Lebensmittelsysteme durchgesetzt. Wir werden nicht zulassen, dass dieser Rassismus die Erde, unsere Gesundheit und unsere Freiheit zerstört. Wir säen die Saat des Ernährungsfriedens, schließen Frieden mit der Erde und sorgen dafür, dass niemand hungern muss und niemand aufgrund eines ungesunden, krankmachenden industriellen Ernährungssystems ungesund ist. Ernährungsfrieden ist Ernährungssouveränität, Ernährungsdemokratie und Nahrungsfreiheit. Ernährungsfrieden ist Nahrung für alle, Gesundheit für alle, Arbeit für alle."
Die Gründerin von Navdanya International, die Physikerin und Trägerin des alternativen Nobelpreises Dr. Vandanya Shiva, fügt dem noch die Bedeutung des schöpferischen Potenzials der Menschen hinzu:
"Lasst uns unser schöpferisches Potenzial mit den höheren planetarischen Gesetzen und den höheren Gesetzen der Menschheit in Einklang bringen, die Leben und Wohlergehen für alle ermöglichen."
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