Die Vereinten Nationen fordern die US-Notenbank Fed und andere Zentralbanken auf, ihre Zinserhöhungen zu stoppen. Die US-Notenbank und andere Zentralbanken riskieren, die Weltwirtschaft in eine Rezession zu stürzen, gefolgt von einer längeren Stagnation, wenn sie die Zinssätze weiter anheben, so eine Agentur der Vereinten Nationen am Montag.
Die Warnungen kommen nach einer wachsenden Unruhe über die Eile, mit der die Fed und ihre Partner die Kreditkosten erhöhen, um die steigende Inflation einzudämmen. Die indische Zentralbank erklärte am Freitag, die Weltwirtschaft stehe nach der COVID-19-Pandemie und dem Ukraine-Krieg vor einem dritten großen Schock in Form von aggressiven Zinserhöhungen durch die Zentralbanken der reichen Länder.
In ihrem Jahresbericht über Handel und Entwicklung erklärte die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad), dass die Bestrebungen der großen Zentralbanken, die Zinssätze als Reaktion auf die steigenden Preise zu erhöhen, ein "unvorsichtiges Spiel" darstellen, das gefährlich nach hinten losgehen könnte.
In ihrem Jahresbericht über die globalen Wirtschaftsaussichten erklärte die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, dass die US-Notenbank Gefahr laufe, den Entwicklungsländern erheblichen Schaden zuzufügen, wenn sie die Zinssätze weiterhin so schnell anheben. Derzeit erhöhen die Zentralbanken die Zinssätze drastisch, um die Inflation zu bekämpfen, die so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr ist. Die US-Notenbank Federal Reserve erwägt eine weitere drastische Anhebung der Zinssätze ab dem nächsten Monat. Die Bank of England und die Europäische Zentralbank wollen ähnliche Schritte unternehmen.
Unctad erklärte allerdings, dass die Regierungen und die Zentralbanken in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften den Fehler machten, auf die aggressive Politik der 1970er und 1980er Jahre zurückzugreifen, um die Inflation zu bekämpfen. Diese Politik sei für die gegenwärtige Situation in der Welt allerdings nicht geeignet.
Im Bericht wird die Annahme in Frage gestellt, dass ein scharfer geldpolitischer "Schock" durch die Zentralbanken erforderlich sei: Ein Großteil des derzeitigen Inflationsausbruchs werde durch steigende Energie- und Lebensmittelpreise sowie Problemen im Welthandel und nicht durch eine übermäßige Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen verursacht.
Dem Bericht zufolge sind Maßnahmen wie strategische Preiskontrollen, Steuern auf unerwartete Gewinne, Kartellmaßnahmen und strengere Vorschriften für Rohstoffspekulationen erforderlich, um den Inflationsdruck an der Quelle zu bekämpfen, ohne die ärmeren Länder in den Abgrund zu stürzen. Weiterhin müsse man sich auch auf Preisobergrenzen, die durch einmalige Steuern auf die ungewöhnlich hohen Gewinne vieler Energieunternehmen finanziert werden, konzentrieren. Richard Kozul-Wright, der Leiter des für den Bericht zuständigen Teams, erklärte:
"Das eigentliche Problem, mit dem die politischen Entscheidungsträger konfrontiert sind, ist nicht eine Inflationskrise, die dadurch verursacht wird, dass zu viel Geld für zu wenige Güter ausgegeben wird, sondern eine Verteilungskrise, bei der zu viele Unternehmen zu hohe Dividenden zahlen, zu viele Menschen sich von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck hangeln und zu viele Regierungen von Anleihezahlung zu Anleihezahlung überleben."
Durch die höheren Zinssätze der Fed ist der Wert des Dollars im Vergleich zu anderen Währungen stark gestiegen, was die ärmeren Länder bei den Preisen für aus dem Ausland importierte Waren und den Kosten für den Schuldendienst unter Druck gesetzt hat. Die Agentur schätzt, dass ein Anstieg des Leitzinses der Fed um einen Prozentpunkt die Wirtschaftsleistung in anderen reichen Ländern um 0,5 Prozent und die Wirtschaftsleistung in armen Ländern in den folgenden drei Jahren um 0,8 Prozent senkt. Rebeca Grynspan, die Generalsekretärin der Unctad, sagte:
"Es ist noch Zeit, sich vom Rand der Rezession zu entfernen. Wir haben die Mittel, um die Inflation zu beruhigen und alle gefährdeten Gruppen zu unterstützen. Dies ist eine Frage der politischen Entscheidungen und des politischen Willens. Aber das derzeitige Vorgehen schadet den Schwächsten, insbesondere in den Entwicklungsländern, und birgt die Gefahr, dass die Welt in eine globale Rezession gerät."
Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell erklärte auf einer abschließenden Pressekonferenz jedoch, die Zentralbank berücksichtige die Auswirkungen ihrer Politik auf den Rest der Welt, werde aber weiterhin die Zinssätze anheben. Man sei sich "sehr bewusst, was in anderen Volkswirtschaften auf der ganzen Welt vor sich geht und was das für uns bedeutet und umgekehrt" und versuche, dies zu berücksichtigen.
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