Der Präsident der Weltbank, David Malpass, warnt vor den Risiken einer Umstellung der globalen Versorgungsströme weg von russischen Energieträgern. Nach Malpass könnte diese Umstellung Jahre dauern und sei begleitet vom Risiko der Stagflation.
Unter Stagflation wird eine anhaltende Periode von geringem oder negativem Wachstum bei gleichzeitig hoher Inflation verstanden. Sie gilt als besonders schwer zu bekämpfen, da die üblichen Steuerungsinstrumente wie Leitzinserhöhungen nicht greifen.
In einer Rede an der kalifornischen Stanford University wies Malpass auf die hohe Wahrscheinlichkeit einer Rezession in Europa hin. Gleichzeitig habe sich das Wachstum in China verlangsamt. Die US-Wirtschaft schrumpft nach Daten aus dem ersten Quartal auf dieses Jahr hochgerechnet um 1,6 Prozent. Die Wirtschaftsleistung sank in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen. Damit befinden sich die USA technisch in der Rezession.
Der Weltbankpräsident warnte vor den gravierenden Konsequenzen dieser Entwicklungen für die Entwicklungsländer. Ihm zufolge braue sich gerade der perfekte Sturm zusammen, bestehend aus steigenden Zinsen, hoher Inflation und geringem Wachstum. All dies erfordere neue makro- und mikroökonomische Ansätze wie zielgenaue Ausgaben und vermehrte Anstrengungen zur Verbesserung des Angebots.
Malpass wies auf den in Kürze erscheinenden Armutsreport der Weltbank hin. Daten würden zeigen, dass sich nach den Jahren des Fortschritts in der Armutsbekämpfung dieser Prozess ab 2015 verlangsamt habe, also noch lange vor der Corona-Pandemie. Diese habe dafür gesorgt, dass zusätzlich 70 Millionen Menschen in die absolute Armut abgerutscht seien. Zudem seien die mittleren Einkommen seit 1990 um vier Prozent gesunken.
"Die Entwicklungsländer stehen in naher Zukunft großen Herausforderungen gegenüber, die durch deutlich teurere Energie- und Düngemittelpreise, steigende Zinsen und immer weiter auseinander laufende Zinssätze, Entwertung von Währungen sowie Kapitalabflüsse gekennzeichnet sein werden", sagte der Weltbankpräsident.
Es bestehe insgesamt die Möglichkeit einer globalen Rezession. Es sei daher dringend notwendig, weltweit vor allem die mittleren Einkommen zu stärken und die Kaufkraft zu erhöhen. Gleichzeitig müsste nach Wegen gesucht werden, die Inflation zu reduzieren, ohne dass die Zentralbanken in wechselseitiger Reaktion die Leitzinsen erhöhen.
Auch Dean Baker, Wirtschaftswissenschaftler und Publizist, weist in einem in dem wirtschaftspolitischen Magazin Makroskop auf Deutsch erschienenen Artikel nach, dass die Zinssteigerungen zur Inflationsbekämpfung vor allem die unteren Einkommensschichten besonders hart treffen werden.
Klar ist, dass die Versuche der EU, künftig auf russische Energieträger zu verzichten und sich aus anderen Quellen beliefern zu lassen, eine enorme Belastung für die Weltwirtschaft darstellen. Die EU hat zudem das Potential, zu zusätzlichen politischen Verwerfungen zu führen, da sie ärmeren Ländern das Flüssiggas wegkauft und so die dortigen Ökonomien schädigt, wie es in einem Bericht bei German Foreign Policy heißt.
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