Wegen eines mutmaßlichen Cyberangriffs auf die digitale Infrastruktur des Landes hat Albanien entschieden, die diplomatischen Beziehungen zu Iran abzubrechen. Das gesamte diplomatische Personal Teherans wurde aufgefordert, innerhalb von 24 Stunden auszureisen. Dies verkündete der albanische Premierminister Edi Rama am Mittwoch in einer Videobotschaft. Darin betonte Rama, dass "diese extreme Reaktion in vollem Verhältnis zur Schwere und zum Risiko des Cyberangriffs steht", der vor kurzem die staatlichen Einrichtungen getroffen und Chaos und Unsicherheit in dem Balkanland ausgelöst habe.
Der Premierminister fügte hinzu, dass der Angriff Mitte Juli "seinen Zweck verfehlt" habe, da der Schaden minimal gewesen sei. Den Strafverfolgungsbehörden in Tirana sei es jedoch gelungen, "ohne den Schatten eines Zweifels" den Täter hinter dem Hacking-Versuch zu ermitteln. Rama erklärte:
"Die gründliche Untersuchung hat uns unwiderlegbare Beweise dafür geliefert, dass der Cyberangriff auf unser Land von der Islamischen Republik Iran orchestriert und finanziert wurde."
Der albanische Premier fügte hinzu, dass es sich um eine konzertierte Aktion von vier Gruppen gehandelt habe, von denen eine offenbar bereits ähnliche Angriffe auf Israel, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Kuwait und Zypern durchgeführt hat.
Auch die Vereinigten Staaten meldeten sich zu Wort: Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Adrienne Watson, erklärte, Washington verurteile den iranischen Cyberangriff aufs Schärfste und unterstütze Tirana in seinen Bemühungen, Teheran zur Rechenschaft zu ziehen. Sie wies darauf hin, dass US-Cyberexperten an der Untersuchung des Hackerangriffs beteiligt gewesen und zu dem Schluss gekommen seien, dass Iran "diesen rücksichtslosen und unverantwortlichen Cyberangriff durchgeführt hat".
Die Beziehungen zwischen Albanien und Iran sind schon seit einiger Zeit angespannt. Im Jahr 2018 beschuldigte Tirana Teheran unter Berufung auf US-Beamte, "terroristische Anschläge" in dem Balkanland zu planen und wies zwei iranische Diplomaten aus, darunter den Botschafter. Damals verurteilte Iran die Entscheidung mit der Begründung, sie beruhe auf "gefälschten Informationen" und sei auf Druck Washingtons getroffen worden.
Seit Jahren bietet Albanien einer militanten iranischen Oppositionsbewegung, der Modschahedin-e-Chalgh-Organisation (MEK), eine Heimat. Rund 2.500 Volksmudschahedin, wie sie auch genannt werden, sollen laut übereinstimmenden Medienberichten in einem Camp in der Nähe der Hauptstadt Tirana leben. Bis zum Jahr 2012 war die Gruppe auf der Terrorliste der USA gelistet. Die Organisation der iranischen Dissidenten beschuldigt Teheran, seit der islamischen Revolution von 1979 mehr als 12.000 iranische Zivilisten und Vertreter der Behörden getötet zu haben. Laut eigenen Verkündungen streben sie einen "Regime-Change" an. Für den Umsturz setzen sie seit Jahren vermehrt auf Unterstützung aus dem Westen und betreiben intensive Lobbyarbeit.
Mehr zum Thema - Iran: Welche Rolle spielte obskure Kultorganisation beim US-Rückzug aus dem Atomabkommen?