Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat dem Nachbarn Griechenland erneut scharf gedroht. "Wir können plötzlich eines Nachts kommen", sagte Erdoğan am Dienstag vor einer dreitägigen Balkanreise. Den Satz hatte der türkische Präsident in der Vergangenheit häufig bezogen auf militärische Operationen verwendet – etwa in Syrien oder im Irak. Erdoğan bezog sich auf die angebliche Ausrichtung des S-300-Luftverteidigungssystems Griechenlands auf türkische Jets. Athen bestreitet diese Vorwürfe Ankaras.
Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis reagierte enttäuscht auf die Äußerungen Erdoğans: "Es ist inakzeptabel, dass Griechenland Drohungen von einem Land erhält, das ein Verbündeter der NATO ist – Drohungen, die so weit gehen, die griechische Souveränität infrage zu stellen", sagte Mitsotakis am Dienstag im staatlichen Fernsehen.
Bereits am Samstag hatte Erdoğan das Nachbarland wegen der Militarisierung griechischer Inseln in der Ostägäis kritisiert und eine offene Drohung ausgesprochen. Erdoğan sagte:
"Eure Besetzung der Inseln bindet uns nicht. Wir werden das Notwendige tun, wenn die Zeit gekommen ist. Wie wir sagen: Wir können eines Nachts plötzlich kommen."
Der griechische Außenminister Nikos Dendias teilte daraufhin mit, man werde Verbündete und Partner der NATO, der EU und den Vereinten Nationen (UN) über die Drohung informieren.
Ankara argumentiert, Griechenland verstoße mit der Stationierung von Militäreinheiten und Waffensystemen auf Inseln in der Ägäis gegen die Verträge von Lausanne (1923) und Paris (1947). Athen begründet die Militarisierung mit einer Bedrohung durch Ankara und dem Recht eines jeden Staates auf Selbstverteidigung.
Das türkische Außenministerium hat ein Schreiben an 25 EU-Mitglieder sowie an den Spitzendiplomaten der EU, Josep Borrell, und an NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geschickt, in dem es den türkischen Standpunkt zur angespannten Lage in der Ägäis darlegte.
In dem Schreiben, das auch an die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und UN-Generalsekretär António Guterres gerichtet war, wurde Athen beschuldigt, den nicht militärischen Status der Insel in der östlichen Ägäis zu verletzen und andere "ungesetzliche Handlungen" zu begehen, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu.
Die Türkei warf Griechenland auch vor, "maximalistische Forderungen" zu stellen, insbesondere durch die Beanspruchung eines Zehn-Seemeilen-Luftraums, obwohl die Hoheitsgewässer in der Ägäis nur ein Gebiet von sechs Seemeilen von jeder Insel abdecken, so Ankara.
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