Russland könnte seine Erdgasexporte in die EU für mehr als ein Jahr komplett einstellen, ohne dass der eigenen Volkswirtschaft erheblichen Schaden zugefügt wird, berichtete Bloomberg unter Berufung auf Analysten der Unternehmensberatung Capital Economics.
Russlands Zahlungsbilanz sei angesichts der aktuellen Preissituation in einer so starken Position, dass Russland bei gleichbleibenden Ölpreisen und Ölexporten, die Gasexporte nach Europa für mindestens drei Jahre auf 20 Prozent des gewöhnlichen Niveaus herunterfahren könne, hieß es in einem Bericht des Unternehmens, der Bloomberg vorliegt.
"Eine einjährige Unterbrechung der Exporte durch Russland könnte ohne nachteilige Folgen für seine Wirtschaft eintreten", so Liam Peach, ein Ökonom und Mitverfasser des Berichts bei Capital Economics. Laut ihm würden sich Russlands vierteljährliche Einnahmen aus dem Export von Gas, trotz reduzierter Mengen, auf 20 Milliarden US-Dollar belaufen.
"Ob Russland die Gashähne vollständig abdreht oder nicht, wird eine politische Entscheidung sein, und die Dauer einer Abschaltung würde von der Höhe der kompensierten Öleinnahmen abhängen",
sagte Peach gegenüber Bloomberg. Mehrere europäische Staats- und Regierungschefs warfen Moskau in der Vergangenheit wiederholt vor, Gas als "Waffe des politischen Drucks" einzusetzen, wobei der Kreml diese Vorwürfe stets zurückwies. Die jüngsten technischen Probleme mit der Pipeline Nord Stream 1, einer wichtigen Gasleitung von Russland nach Europa, veranlassten Gazprom, die Lieferungen zu drosseln, was die Preise in die Höhe schnellen ließ.
Ein weiterer großer Test für den Energiemarkt wird voraussichtlich diese Woche stattfinden, wenn der Energieriese am 31. August den Gasfluss durch Nord Stream 1 für drei Tage wegen Wartungsarbeiten gänzlich stoppen wird. Notwendig sei die erneute Wartung aufgrund fehlerhafter Turbinen geworden, so Gazprom. Wie bereits bei der vorangegangenen Wartung Mitte Juli reagierte der Gasmarkt sehr nervös auf diese Ankündigung und erneut steigt die Furcht, dass das Gas nach Ende der Wartungsarbeiten gar nicht mehr fließen wird.
Seit Mitte Juni hat Gazprom die Gaslieferungen nach Deutschland immer mehr gedrosselt. Zuerst sank das Volumen auf 40 Prozent der ursprünglichen Menge und nach der zweiwöchigen Wartung Mitte Juli schließlich auf 20 Prozent. Seitdem fließen nur noch 33 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag durch die Pipeline. Währenddessen hat laut dem deutschen Handelsblatt, der Gaspreis am vergangenen Freitag ein neues Rekordniveau erreicht.
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