Von Mojra Bozic
Das Pentagon hat eine Reihe neuer Richtlinien zum Schutz von Zivilisten bei US-Militäroperationen vorgelegt. Der am Donnerstag veröffentlichte "Civilian Harm Mitigation and Response Action Plan" (zu Deutsch etwa: Aktionsplan zur Minderung ziviler Verluste und zur Reaktion darauf) enthält elf Richtlinien, die auf die jüngsten Berichte des Verteidigungsministeriums und unabhängiger Organisationen über die Versäumnisse des Militärs im Umgang mit sogenannten "Kollateralschäden" zurückgehen.
"Wir werden sicherstellen, dass wir gut darauf vorbereitet sind, zivile Opfer in gegenwärtigen und zukünftigen Konflikten zu verhindern, zu minimieren und darauf entsprechend zu reagieren", schrieb US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in einem Vermerk an militärische Befehlshaber und zivile Beamte und fügte hinzu, dass die neue Doktrin "anpassbar und sowohl für Operationen zur Terrorismusbekämpfung als auch für groß angelegte Konflikte mit gleichwertigen Gegnern relevant" sei.
Das Dokument fordert die Umsetzung von Maßnahmen, die sich mit zivilen Opfern im "gesamten Konfliktspektrum" befassen – von Ausbildung und Training bis hin zu Doktrin und Offiziersausbildung. Damit sollen demnach jegliche Lücken im Verständnis oder der Einhaltung der Vorschriften zwischen den Abteilungen vermeiden werden. Ebenso sollen die Verfahren zur Untersuchung und Meldung solcher Opfer standardisiert werden, sodass die Ermittler die Aufgabe hätten, Daten aus mehreren Quellen zu sammeln.
Mehrere der Richtlinien sehen die Einführung neuer bürokratischer Abläufe vor, und es werden rund 150 neue Mitarbeiter benötigt, darunter etwa 30 für die Leitung eines speziellen "Kompetenzzentrums für den Schutz von Zivilisten".
Selbst diejenigen, die die Maßnahmen als Schritt in die richtige Richtung lobten, bemängelten, dass nicht erklärt wird, wie das Militär seine Fähigkeit zur Abschätzung der Zahl der zivilen Opfer verbessern will, wie es Informationen von außerhalb des Pentagons einbeziehen will und welche Kommandoebenen für Todesfälle verantwortlich gemacht werden sollen.
Die USA werden häufig dafür kritisiert, dass sie alle von ihnen getöteten Männer im wehrfähigen Alter in die Kategorie "Kombattanten" einordnen, unabhängig von ihrer jeweiligen Herkunft. Das Pentagon hatte zugegeben, dass seine Drohnenangriffe oft auf der Grundlage fehlerhafter Geheimdienstinformationen durchgeführt wurden. Ein im Jahr 2020 in die Öffentlichkeit durchgesickerter Bericht enthüllte etwa, dass während eines fünfmonatigen Zeitraums fast 90 Prozent der Opfer von US-Drohnenangriffen nicht die eigentlich beabsichtigten Ziele waren.
Erst im Herbst vergangenen Jahres sorgte ein US-Drohnenangriff während der Evakuierung in Afghanistan für Schlagzeilen. Dabei waren zehn afghanische Zivilisten ums Leben gekommen, darunter sieben Kinder. Das Pentagon hatte behauptet, dass der Angriff einem ISIS-K-Terroristen samt seiner Autobombe gegolten hatte, doch laut einem späteren Bericht der New York Times sei der Mann kein Selbstmordattentäter gewesen, sondern ein NGO-Mitarbeiter. Außerdem hatte die US-Zeitung festgestellt, dass es entgegen den Behauptungen der US-Regierung keine Hinweise auf angebliche "sekundäre Explosionen" gebe, die darauf schließen lassen hätten, dass das getroffene Auto wirklich mit Sprengstoff präpariert war.
Durch Handyvideos, soziale Medien und die Veröffentlichung von belastendem geheimen Material wie den Irak- und Afghanistan-Kriegstagebüchern, die die Enthüllungsplattform WikiLeaks von dem ehemaligen Armee-Geheimdienstanalysten Bradley (jetzt Chelsea) Manning erhalten hatte, ist es für die USA schwierig geworden, ihr Verhalten bei Kampfeinsätzen nicht zu thematisieren. Der Kongress hatte sogar Beschränkungen für Militärgelder verhängt, bis das Pentagon diese Richtlinie für zivile Opfer vorlegt. Zuvor hatte ein von ihm in Auftrag gegebener Bericht über die Verfahren des Ministeriums zur Vermeidung von Opfern zahlreiche Mängel aufgedeckt.
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