Ein Jahr nach seiner Flucht aus Afghanistan angesichts der Machtübernahme der Taliban sagt der frühere afghanische Präsident Aschraf Ghani eine große Flüchtlingsbewegung aus seinem Land voraus. "Millionen werden versuchen, aus Afghanistan zu flüchten", prognostiziert Ghani, der zurzeit im Exil lebt. Die meisten der Flüchtlinge würden seiner Meinung nach versuchen, nach Deutschland zu kommen. Ob sie es bis nach Deutschland schaffen, hänge "auch von den Schleppern ab". Diese seien "Teil eines kriminellen Netzwerks". Die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen, sei "eine Frage der Erschwinglichkeit".
Der in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebende Ghani sagte, dass er sich weiterhin als "rechtmäßiges Staatsoberhaupt Afghanistans" betrachte – und es daher begrüßen würde, von der deutschen Bundesregierung empfangen zu werden. "Wenn sie an Lösungen interessiert sind, habe ich eine Menge Ideen", so Ghani.
Der ehemalige afghanische Präsident verteidigte unter anderem seine Flucht aus dem Land in einem Interview mit CNN. "Ich bin gegangen, da ich den Taliban und ihren Anhängern nicht das Vergnügen bereiten wollte, einen afghanischen Präsidenten erneut zu demütigen", sagte er am Sonntag.
Ghani war am 15. August 2021 ins Ausland geflohen. Innerhalb von Stunden fiel an diesem Tag die Stadt an die Taliban, die seitdem das Land regieren. Seit der Machtübernahme der Taliban wurde Afghanistan von einer Reihe von Anschlägen erschüttert. Ein Jahr danach ist Afghanistans wirtschaftliche Lage desaströs. Zur Verschärfung der Lage tragen die gesperrten Konten des afghanischen Staates durch die USA bei. Vor Kurzem haben dutzende Wirtschaftsexperten die US-Regierung aufgefordert, eingefrorene Milliarden der afghanischen Zentralbank freizugeben. Die Autoren des Briefes, unter ihnen Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz, zeigten sich zutiefst besorgt über die sich in Afghanistan entwickelnde wirtschaftliche und humanitäre Katastrophe und insbesondere die Rolle der US-Politik.
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