Die Regierung der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo hat angesichts der eskalierenden Spannungen an der Grenze zwischen Serbien und dem Kosovo zugesagt, die Einführung des umstrittenen Verbots serbischer Nummernschilder und Ausweispapiere vorerst zu verschieben. In Zusammenarbeit mit internationalen Bündnispartnern verspreche seine Regierung, die Umsetzung um 30 Tage auszusetzen, erklärte Ministerpräsident Albin Kurti am frühen Montagmorgen auf Twitter.
Die vorläufige Verschiebung der Maßnahme sei jedoch an die Forderung gebunden, dass alle serbischen Barrikaden in der Region entfernt und eine komplette Freizügigkeit wiederhergestellt würden, so Kurti weiter. Der Kosovo hatte Serbien am Sonntag beschuldigt, Unruhen zu schüren und zu versuchen, die "Rechtsstaatlichkeit" in der abtrünnigen Provinz zu untergraben. In einer am Sonntag veröffentlichten Videobotschaft behauptete Kurti, dass "illegale serbische Strukturen im Norden begonnen haben, Straßen zu blockieren und Gewehre auf die Sonderpolizei von Pristina abzufeuern", noch bevor diese an der Verwaltungsgrenze zu Serbien eingesetzt wurde.
Proteste gegen freiheitseinschränkende Maßnahmen
Die Serben im Norden der abtrünnigen Provinz hatten zuvor Straßensperren errichtet und die Alarmglocken läuten lassen, nachdem schwer bewaffnete Sondereinsatzkräfte des Kosovo die Kontrolle über zwei Grenzübergänge zu Serbien übernahmen. Zu den Spannungen kam es demnach, weil die kosovarischen Behörden an den Grenzübergängen keine serbischen Personaldokumente und Nummernschilder mehr anerkennen wollten. Von der Maßnahme betroffene Serben müssen sich an der Grenze künftig ein provisorisches Dokument ausstellen lassen.
Sowohl die örtlichen Serben als auch Belgrad erhoben daraufhin Einspruch dagegen und verwiesen darauf, dass Pristina seinen Verpflichtungen zur Achtung der Bürger- und Menschenrechte der Serben wiederholt nicht nachgekommen sei. Kurti hingegen machte den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dessen Kosovo-Beauftragten Petar Petković für die "aggressiven Aktionen" und "Drohungen" aus Belgrad verantwortlich.
Die Entscheidung, den Start der geplanten Maßnahmen im Grenzverkehr nun auf den 1. September zu verschieben, habe der Kosovo nach Angaben der Regierung nach Rücksprache mit US-amerikanischen und europäischen Vertretern gefällt. Zuvor hatten sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie der US-Botschafter im Kosovo, Jeff Hovenier, für einen Aufschub dieser ausgesprochen. Die Verschiebung der Maßnahmen sei aufgrund von "Fehlinformationen und Missverständnissen" über die Art der Maßnahmen notwendig, erklärte Ministerpräsident Kurti am Montag. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass Europa und die USA lediglich um eine Verschiebung, nicht aber um eine Annullierung der Maßnahmen gebeten hätten.
Borrell begrüßt Entscheidung des Kosovo
Borrell begrüßte unterdessen die Verschiebung der Maßnahmen. Er erwarte, dass "alle Blockaden sofort entfernt werden", schrieb er am frühen Montagmorgen auf Twitter. Noch offene Probleme sollten stattdessen über einen von der EU vermittelten Dialog gelöst werden. Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien sei essenziell für deren Weg in die Europäische Union.
Russland, das als Verbündeter Serbiens gilt, sieht die Kosovo-Politik der Europäischen Union indes hingegen als gescheitert an. Die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, erklärte am Sonntagabend:
"Eine solche Entwicklung der Ereignisse ist ein weiterer Beweis für das Scheitern der Vermittlungsmission der Europäischen Union."
NATO: Sind bereit, bei Bedarf einzugreifen
Angesichts der ausufernden Spannungen im Kosovo hatte die Kosovo-Truppe der NATO (KFOR) am Sonntag erklärt, dass sie die Situation genau beobachte und gemäß ihres Mandats auch bereit sei "einzugreifen, sollte die Stabilität gefährdet sein". Die NATO-geführte Mission konzentriere sich jeden Tag darauf, ein sicheres Umfeld und Bewegungsfreiheit für alle Menschen im Kosovo zu garantieren.
Die NATO besetzte den Kosovo im Jahr 1999 – nach einem 78-tägigen Luftkrieg gegen das damalige Jugoslawien. 2008 erklärte die Provinz mit westlicher Unterstützung ihre Unabhängigkeit. Die USA und die meisten ihrer Verbündeten haben sie anerkannt, Serbien, Russland, China und die UNO im Allgemeinen jedoch nicht. Im Rahmen der internationalen Mission ist auch die Bundeswehr seit 1999 im Kosovo stationiert.
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