Anlässlich seines Besuches in Wien stellte der ungarische Ministerpräsident Orbán heute auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem österrreichischen Bundeskanzler Nehammer zunächst einen Zusammenhang zwischen der Kriegsposition des Westens gegenüber der Ukraine und Russland und der Wirtschafts- und Energiesituation in den Ländern der europäischen Union her. Seiner Meinung nach unterstütze die NATO die Ukraine mit Waffen und mit militärischer Ausbildung. Doch die Ukraine sei "eine solche Konstruktion, bei der sich erwiesen hat, dass das nicht zum Sieg der Ukraine führt."
Daraus schlussfolgerte der ungarische Premier, dass es ohne eine Änderung der westlichen Strategie keinen Frieden in der Ukraine geben würde und somit auch das Energieproblem nicht gelöst werden könne. Ohne Energie würde die EU in eine Kriegswirtschaft versetzt, die mit einer Mangelwirtschaft, Preisanstiegen, Rezession und Arbeitslosigkeit einhergehen würde. Frieden und damit zunächst auch eine Änderung der westlichen Strategie seien die Voraussetzung für die Lösung aller anderen Probleme.
"Es geht jetzt nicht darum, die Heizung um 1 bis 2 Grad herunterzudrehen. Wir müssen jetzt alles für den Frieden tun."
Auf die Frage, was er über die neue EU-Gasersparnisverordnung denken würde, freiwillig und im Notfall verpflichtend, äußerte Orbán Bedenken. Er verwies auf die Grundverträge der EU-Energiepolitik, wonach der Energiemix von jedem Land in eigener Regie festgelegt würde. Das Brüsseler "Reinreden", wieviel Gas gespeichert, wieviel gespart und wie der Verbrauch gesenkt werden solle, sähen die Ungarn negativ. Man würde Solidarität zwar auch als etwas Schönes betrachten, aber man wolle doch auf die eigene Leistung bauen nach dem Motto:
"Hilf Dir selbst, dann hilft Dir auch der liebe Gott."
Allerdings fügte Orbán dann hinzu, dass die Ungarn die europäische Einheit als großen Wert betrachten würden.
"Daher nehmen wir die EU-Entscheidung zur Kenntnis und versuchen, sie unter geringstmöglichen Schäden umzusetzen."
Er betonte nochmal, dass er sich weiterhin für einen Strategiewechsel, also für den Frieden einsetzen wolle, der wäre "gut für die Ukraine, für uns, für die europäische Wirtschaft und für die Haushalte, die für die Energieblase zahlen müssen." Demgegenüber sähe er eine gemeinsame europäische Energiebeschränkung bereits als Warnsignal, als ersten Schritt in Richtung Kriegswirtschaft und die beschriebenen Folgen.
Der österreichische Bundeskanzler Nehammer stellte als erstes fest, dass in Österreich 52 Prozent der Vorräte für die Energiesicherheit im Winter vorhanden wären. Im Moment würde in Russland mit Energiefragen Politik betrieben. Daher habe Österreich ein starkes Interesse, von der russischen Gasversorgung unabhängig zu werden.
"Um dagegen resilienter zu werden, haben wir uns das Ziel gesetzt, deutlich mehr von anderen Anbietern zu kaufen, als von der russischen Föderation. Dafür haben wir in Österreich nun ein Gesetz geschaffen, dass für Unternehmer der höhere Preis anderer Anbieter kompensiert wird. Zum ersten mal in der Geschichte der zweiten Republik hat Österreich beschlossen, eine strategische Gasreserve in Höhe von 20 Terrawatt Gas anzulegen."
Der Bundeskanzler bewertete Energieeffizienz und Einsparungen grundsätzlich als gute Grundlagen. Diese EU-Vorgabe solle ja insbesondere dazu dienen, dass sich auch die Staaten daran halten müssten, die nicht so sehr von der Abhängigkeit von russischem Gas betroffen wären. Die Vorgabe solle der EU insgesamt zugutekommen. Nehammer beendete das Thema mit der Feststellung, dass er sich aber in einem Punkt mit Viktor Orbán einig sei:
"Es gibt viele Ankündigungen von der EU-Kommission, aber es gibt ganz wenige Umsetzungen."
Hier erinnerte Nehammer an die Einrichtung einer sogenannten Plattform für den gemeinschaftlichen Gaseinkauf, damit sich die EU-Länder am Weltmarkt nicht gegenseitig Konkurrenz machen würden. Bisher sei von dieser Plattform nichts mitzubekommen. Einerseits würde die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu aufrufen, sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen, andererseits gäbe sie Österreich den Auftrag, seine Landesspeicher mit 80 Prozent zu befüllen. So würde das nach Nehammers Meinung nicht funktionieren. Die Kommission müsse mehr von dem umsetzen, wovon sie spricht.
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