von Seyed Alireza Mousavi
Der faktische Herrscher des Königreichs Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman betrat nun erstmals wieder auch europäischen Boden. Es ist sein erster Besuch in der Europäischen Union (EU) seit der grausamen Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018. Bin Salman wurde am Dienstag in Athen vom griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis empfangen. Zwei Tage lang wird sich der saudische Kronprinz zu Gesprächen in Athen aufhalten, um dann anschließend Berichten zufolge nach Frankreich weiterzureisen.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der explodierenden Preise für Energieträger hofiert der Westen seit geraumer Zeit auch bin Salman, den die westlichen Eliten in Washington und Brüssel lange geächtet hatten. Vor weniger als zwei Wochen hatte zunächst der US-Präsident Joe Biden dem einst geächteten saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Saudi-Arabien einen Besuch abgestattet, bei dem es in erster Linie um eine Erhöhung der Erdölfördermenge ging.
Die USA werden nur dann als Sieger aus der Ukraine-Krise hervorgehen können, wenn der Preisanstieg für Energieträger gedeckelt werden kann. Die im Zuge des Ukraine-Krieges explodierenden Preise auf den Rohstoffmärkten haben dazu geführt, dass Russland trotz geringerer Ausfuhrmengen sogar höhere Gewinne als zuvor daraus erzielen konnte. Wenn die Ölpreise nicht in den nächsten Monaten sinken, droht dem Westen unter anderem eine Hyper-Inflation – und die deutsche Außenministerin fürchtete kürzlich sogar "Volksaufstände".
Die Reise von Biden brachte allerdings kaum handfeste Ergebnisse, der US-Präsident kehrte ohne eine Zusage für höhere Ölförderungen aus Saudi-Arabien zurück. Kurz nach seinem Besuch in Saudi-Arabien telefonierte bin Salman gar mit dem russischen Präsidenten Putin, um die Kooperation mit Russland auf dem Ölmarkt im Rahmen der OPEC+ zu bekräftigen. Nun soll Macron den mutmaßlichen Verbrecher im Fall Khashoggi dazu bewegen, mehr Öl auf den Markt zu bringen. Macron war eigentlich der erste westliche Staatschef seit der Ermordung des Journalisten Khashoggi, der im Dezember 2021 bin Salman in Dschidda besucht hatte.
Griechenland hat allerdings beim Besuch von bin Salman auch ein eigenes Anliegen. Obwohl Athen die europäische Sanktionspolitik gegen Russland mitgetragen hat, definiert Griechenland die eigenen Interessen stets auch durch eine Abgrenzung gegenüber seinem Hauptrivalen im östlichen Mittelmeer, gegenüber dem NATO-Verbündeten Türkei. Dabei pflegt die Regierung Mitsotakis nicht nur gute Beziehungen zu Israel und Ägypten sowie Zypern, sondern sie versucht auch, die Beziehungen zu Saudi-Arabien weiter auszubauen.
Bin Salman traf Ende Juni mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan in Ankara zusammen, wobei die Türkei und Saudi-Arabien ihre Entschlossenheit erklärten, nun eine "neue Ära der Zusammenarbeit" einzuläuten.
Saudi-Arabien und Griechenland haben sich dagegen bereits über eine Vielzahl bilateraler Foren zusammengeschlossen. Ende Mai wurde ein umfassendes Protokoll über die weitere Zusammenarbeit unterzeichnet – unter anderem in der Schifffahrt und der Landwirtschaft. Die beiden Länder vertiefen auch ihre Militärkooperation, etwa durch die Stationierung einer griechischen Patriot-Luftabwehreinheit im saudischen Königreich.
Saudi-Arabien ist zudem energiepolitisch wichtig für Griechenland. Athen hat bereits zusätzliche Lieferungen von Rohöl aus Saudi-Arabien beantragt, um den bisherigen russischen Anteil, der bei 18 Prozent lag, ersetzen zu können. Die Türkei steuert zeitgleich auf eine Verschärfung der Konfrontation mit Griechenland zu, da Athen seine Lobbyarbeit über Sicherheitsbedenken in den USA gegen Ankara im Zuge des Ukraine-Krieges intensiviert hat. Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage versuchen Russland und Iran wiederum, Ankara an ihre Seite zu binden.
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