Ein Kommentar von Tom Luongo
Die derzeitigen Angriffe auf den meist ahnungslosen Joe Biden sind äußerst interessant. Droht ein Umschwung in Davos, oder ist dies ein weiteres Signal dafür, dass Kräfte des Souveränismus innerhalb des Machtgefüges der USA die Oberhand gewinnen? Mit dieser Frage im Hinterkopf, sollten wir zunächst einen Kontext zu den jüngsten europäischen Ereignissen herstellen und zu dem, was diese Ereignisse über die globale Geschichte aussagen, die sich vor uns entfaltet.
Die EZB hat wohl deshalb zum ersten Mal seit 2011 ihren Leitzinssatz auf -0,1 Prozent hochgeschraubt, weil es wohl unterhalb der "europäischen Werte" liegen würde, wenn Banken dafür zahlen müssten, sich Geld auszuleihen, das den Sparern gestohlen wurde. Manch einer war schockiert – ich sage "SCHOCKIERT" –, dass die Entscheider der EZB eine Erhöhung um 50 Basispunkte (0,5 Prozent) durchgesetzt haben. Aber angesichts der dramatischen Ereignisse in Italien, wie hätten sie auch anders handeln können, ohne wie realitätsferne Halbkluge dazustehen, die sie in Wirklichkeit sind?
Die EZB hat gerade ihren Spitzenmann in Italien verloren, und es sieht so aus, als würde die populistische Rechte in ein paar Monaten in einem Kernland der EU die Macht übernehmen, ohne dass eines der Davoser Giftpillengesetze verabschiedet wird. Klingt das bekannt? Dasselbe passierte letztes Jahr in den USA, und wir blicken jetzt auf die historische Vernichtung der Demokratischen Partei in den Zwischenwahlen im kommenden November. Dies wird ein echter, schwerer Verlust für Davos, wie ich im Artikel der vergangenen Woche über den ersten Rücktrittsversuch von Mario Draghi skizziert habe.
Zum selben Zeitpunkt, als die EZB die Zinsen erhöhte, kündigte sie auch ein neues "unbegrenztes" Programm zur quantitativen Lockerung (QE) namens Transmission Protection Instrument (TPI) an. Wie der Artikel von Zero Hedge zu Recht betont, würde die Bezeichnung "Italien-spezifisches QE" ein wenig naiv klingen. Ich würde hinzufügen, dass es auch gegen europäische Grundwerte verstößt, wie zum Beispiel gegen den Grundwert, die Wahrheit zu sagen. Die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, hatte die volle Kontrolle beim Skizzieren dieses neuen Experiments in Sachen Geldpolitik, das jetzt eindeutig mehr Kunst als Wissenschaft ist.
"Wir haben alles unter Kontrolle", war der Tenor aller Schlagzeilen, die diese Woche aus Europa kamen. Unabhängig vom Thema können selbst Kleinigkeiten, wie der Zusammenbruch der von Davos kontrollierten Regierung von Mario Draghi, das europäische Projekt zum Scheitern bringen. Aber es ist alles gut, wir müssen nur den Kurs halten, uns "auf die Daten verlassen" und die europäischen Grundwerte nicht aufgeben, was an dieser Stelle darauf hinausläuft, den Brandstiftern das Kommando über die Feuerwehr anzuvertrauen.
Um eine Vorstellung davon zu erhalten, wie tief diese Haltung verwurzelt ist, reicht ein Blick auf die Erklärung des EU-"Außenministers" Josep Borrell vom Wochenbeginn. Europa müsse den Druck auf Russland aufrechterhalten, sagte er. Man könne sich "Sanktionsmüdigkeit nicht leisten". Man müsse die russische Wirtschaft langfristig weiter unter Druck setzen. Man müsse die Flächenbombardierung des russischen Finanzsystems aufrechterhalten, egal wie viele dieser Bomben auf Rom, Athen oder Berlin statt auf Moskau fallen.
Das unausgesprochene Ziel dieser Sanktionen gegen Russland besteht darin, fortschrittliche Technologie aus Russlands Reichweite zu halten, damit es nicht jene Waffen produzieren kann, die benötigt werden, um die NATO zu bekämpfen – zwar nicht im nächsten Monat, aber im nächsten Jahr oder im Jahr 2024. Dies ist ein langfristiger Plan. In einer Episode von RT Crosstalk, an der ich Anfang letzter Woche als Gast teilgenommen habe, brachte Gastgeber Peter Lavelle die Bemerkung der Biden-Administration zur Sprache, dass die aktuelle Krise in der Ukraine zu einem 20 Jahre dauernden Krieg gegen Russland und/oder China führen wird.
Die Rede von Mike Pompeo, die heute allgemein als die "Drei Leuchttürme"-Rede bekannt ist, lief auf dieselbe Schlussfolgerung hinaus. Eine ganze Generation von Amerikanern wird einen heiligen Krieg gegen den Osten führen müssen, damit die USA die Kontrolle über die globalen Energieressourcen erlangen können. Schade, dass niemand dabei mitmachen möchte, Mike.
Sie haben nur diesen einen existierenden Plan und sie wurden dafür eingesetzt, ihn auszuführen, auch wenn andere Kräfte dem effektiv entgegenwirken. Biden spielt seine Rolle ebenfalls nach demselben Drehbuch, aber er wird bald weg vom Fenster sein, weil er kein glaubwürdiger Botschafter mehr ist. Danach wird man Kamala Harris als Oberidiotin ins Weiße Haus bringen. Was uns ständig daran erinnert, dass diesen ungehobelten Amis nicht erlaubt werden darf, in irgendetwas die Führung zu übernehmen.
Aber schauen wir uns vor diesem Hintergrund an, was die EU diese Woche sonst noch hervorgebracht hat:
Wann hat man das letzte Mal erlebt, dass eine Reihe von Wirtschaftsindikatoren perfekt mit den Erwartungen übereinstimmte? Ernsthaft? Denn dies wäre die erste Prognose einer europäischen Behörde, die jemals zutraf.
Mehr noch: Wenn diese Prognose zutrifft, warum hat dann die Ermittlung des Verbraucherpreisindex die EZB dazu veranlasst, die Zinsen um 50 Basispunkte statt 25 Basispunkte anzuheben? Sie haben doch die Veröffentlichung des Verbraucherpreisindex erwartet. Wäre es dann nicht angemessen gewesen, die ganze Zeit über eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte zu kommunizieren?
Es gibt die Logik und dann gibt es die EZB
Dies ist jedoch nur ein weiteres verzweifeltes Narrativ, um den Anschein aufrechtzuerhalten, dass man alles unter Kontrolle und die wirtschaftliche Situation im Griff habe und es für niemanden Grund zur Panik gebe. Weil panische oder "ungewollte und ungerechtfertigte" Änderungen des Kreditaufschlags dazu führen würden, dass man den TPI dafür anwenden müsste, die Zentralbank der EU, die von Davos aufgebaut wurde, vor dem Bankrott zu bewahren.
Für die EU tickt die Uhr jedoch schneller. Nächste Woche ist die Federal Reserve Bank (Fed) an der Reihe und bei einer Erhöhung des Zinssatzes um 50 Basispunkte durch die EZB muss man fast mit einer Erhöhung um 100 Basispunkte durch den Fed-Präsidenten Jerome Powell rechnen. Man muss daran denken, dass Eurokraten wie Borrell und Lagarde keinen Plan B haben – aber vielleicht haben sie ja einen Plan R.
Ich habe Dr. Seltsam hier aus einem bestimmten Grund heraufbeschworen. Man sehe sich den Film "Dr. Seltsam" noch einmal strukturell an und beachte die unzähligen "Umkehrungen", die darin vorkommen. Der Film ist ein Meisterwerk des Drehbuchschreibens. Er zeigt, wie unbeirrbar Menschen sein können, wenn sie zielstrebig Hindernisse überwinden müssen, um eine Aufgabe zu erledigen, und so tun, als ob das Unwahre wahr wäre. Es gibt keine bessere Metapher für den aktuellen Zustand der Kapitalmärkte und der politischen Kriegsführung als diese aus Dr. Seltsam.
Ich spreche in der technischen Analyse von Märkten ständig von "Umkehrungen", aber es ist eine Idee, die tief im Erzählen von Geschichten eingebettet ist. Der erste Schlüssel zum Schreiben eines großartigen Drehbuchs ist das Wissen, dass jede Szene eine "Umkehrung der Werte" haben muss.
Eine Umkehrung der Werte kann so einfach sein wie eine Person, der kalt ist und die einen Hut findet, oder ein armer Mensch, der einen Koffer voller Geld findet. Die Szene, egal wie klein, hat eine führende Idee. Diese führende Idee muss in der Filmhandlung einen bestimmten Zustand auf irgendeine Weise ändern, sonst macht die Szene keinen Sinn. Gute Film-Cutter schneiden solche sinnlosen Szenen deshalb raus und die Filmstudios schneiden sie wieder rein, um eine "Version des Regisseurs" auf Blu-Ray zu verkaufen. In der EU dreht sich alles um Versionen von Regisseuren aus dem unerträglichen französischen Kino.
Umkehrungen sind wichtig, sie erzeugen und lösen Spannungen. Gute Schreibe baut ständig kleine Umkehrungen auf, um die Bühne für größere Szenenbögen zu bereiten, die sich auf größere Akte auswirken und so weiter.
Die Eurokraten und Davos glauben nicht an Umkehrungen. Sie glauben an die Unausweichlichkeit, und wenn sie einfach "dem Drehbuch folgen" können - egal, welche Komplikation ihren Plan bereits zunichte gemacht hat -, dann können sie immer noch die Ziellinie erreichen und gewinnen.
Dies geschah diese Woche bei der Sitzung der EZB. Man blieb auf Kurs, mit zwei Prozent Inflation als Ziel. Lagarde ließ alle Prognosen fallen und sprach von einer "vorübergehenden" Inflation. Auch wenn sich die Umstände gegen die EZB gewendet haben und man es letztendlich öffentlich zugeben musste, wird man das allgemeine Narrativ, dass alles in Ordnung sei, nicht aufgeben. Europas Werte können nur durch die EU zum Ausdruck gebracht werden, und daher rettet alles, was die EU retten kann, auch die europäischen Werte. Vielleicht kann sich Kamala Harris davon eine Scheibe abschneiden. Aber Gott sei Dank haben wir ungehobelten Amis diese europäischen Werte hinter uns gelassen, auch wenn man ständig versucht, sie uns auf Schritt und Tritt wieder aufzuzwingen.
Für viele Anleger war die Fed-Sitzung des vergangenen Monats die entscheidende, als die Fed die Zinsen um 75 Basispunkte anhob. Aber eine Umkehrung der Politik der Fed fand nur in ihren Köpfen statt. Wie ich es schon seit mehr als einem Jahr vorausgesagt habe, fand der entscheidende Beschluss der Fed nicht im vergangenen Juni statt, sondern ein Jahr zuvor im Juni 2021, als die "heimliche Verstraffung" durch Rückkaufvereinbarungen begann. Dies setzte eine Reihe von Komplikationen für die EZB und Davos in Gang, die sich zu häufen begannen, wie jene Komplikationen, die sich vor den Darstellern im Film "Dr. Seltsam" auftürmen, während sie versuchen, einen Weltuntergang zu stoppen. Die EZB hat nun endlich erkannt, dass ihr jetzt nichts anderes übrig bleibt, als die qualmenden Trümmer zu akzeptieren und der Realität ins Auge zu sehen.
Was wir letzte Woche an den Märkten erlebt haben, nachdem der Euro kurzzeitig die Parität mit dem US-Dollar durchbrochen hatte, ist der vorhersehbare Aufprall, der nach Abschluss eines großen Szenenbogens kommt. Der Euro schaffte es wieder auf 1,03 Dollar, nicht weiter. Aber es reichte aus - ein kleiner Hüpfer, ein kurzes komisches Zwischenspiel -, um Spannung abzubauen. Die Leistung von Lagarde war ihr Eingeständnis einer "Lücke beim Kreditaufschlag", die jetzt unüberbrückbar geworden ist. Italiens Schulden steuern auf die Nichtbeachtung zu und die EZB hat soeben mitgeteilt, dass sie jeden Euro an deutschen Ersparnissen ausgeben wird, um dies so lange wie möglich zu vermeiden.
Wir haben also diese Idee, dass die EZB über allem steht. Aber was ist mit dem Krieg in der Ukraine? Was ist mit der Zukunft der EU? Die nächste Schlagzeile ist angesichts einer auseinanderfallenden EU und dem Machtverlust von Mario Draghi in Italien genauso verblüffend: Die EU hat Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien aufgenommen, was übersetzt bedeutet: Keine Sorge, die EU ist gesund und alle wollen Mitglied werden. Wir werden dadurch nur stärker, nicht schwächer. Wir werden ganz Europa absorbieren, die NATO von den Amerikanern beanspruchen und sie zwingen, gegen China zu kämpfen, während wir Russland aushungern. So weit so gut, das scheint alles Teil des Drehbuchs zu sein, obwohl es das eindeutig nicht ist.
Währenddessen verraten uns die Russen, was die EU tatsächlich macht, nämlich Sanktionen aufheben und verzweifelt versuchen, an Energie und Nahrung zu kommen, die Europa benötigt, um den Henkern außerhalb der Parlamente der "zivilisierten Welt" einen Schritt voraus zu sein.
Die Wahrheit ist, dass Davos zum ersten Mal seit sehr langer Zeit nicht mehr für den gesamten Westen der Wortführer ist. Italiens Regierung ist weg, weil den Populisten zugesagt wurde, dass sie die Unterstützung der USA hätten, um die Terrorherrschaft von Draghi zu beenden. Die talentierte Geographin Liz Truss hat gute Chancen, die nächste britische Premierministerin zu werden, um die Kontrolle der USA über die City of London zu sichern und Großbritannien im Spiel zu halten.
Kanada erhöhte neulich die Zinsen um 1 Prozent, was Kommentare laut werden ließ, dass man der Fed folgen müsste, wenn nicht sogar noch einen draufsetzen. Die kanadischen Banken haben eindeutig genug von Justin TrueDOH! und seiner ukrainischen fünften Kolumnistin, dem Davos-Küken Chrystia Freeland. Und in der kommenden Woche wird die Fed den Einsatz für Lagarde erneut erhöhen, unabhängig davon, was sie gestern gesagt hat. Das neue Kriseninstrument TPI, der Schutzschild für Schuldenländer, ist unbrauchbarer Müll, den die Akteure an den Finanzmärkten in die Vergessenheit treiben werden. Wenn man wissen möchte, wie sich das anfühlt, sollte man vielleicht lieber mit Haruhiko Kuroda von der japanischen Zentralbank sprechen als mit den datengesteuerten Experten in Brüssel.
Mein letzter Punkt ist einer, den viele Leute nicht hören wollen, über den sie aber besser nachdenken sollten. Anti-amerikanische Kommentatoren verstehen nicht, was gerade passiert. Sie können sich nicht mit der Vorstellung abfinden, dass es Kräfte innerhalb der Hierarchie der USA gibt, die eine imperiale Falle als das sehen, was sie ist - dass es das Ende der USA bedeuten würde, sollte alles so weitergehen wie bisher. Sie verstehen nicht, dass die Fed einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt ist, aber trotzdem mehr Spielraum hat als allgemein angenommen.
Vielleicht, aber nur vielleicht, kämpfen derzeit die Riesen gegeneinander und wir Ameisen haben Schwierigkeiten, nicht nur zu unterscheiden, wer gerade am Gewinnen ist, sondern wessen Füßen wir ausweichen sollten. Irgendwann bricht die ganze Illusion zusammen. Europa ist die alte, die sich immer noch für eine heiße Mittzwanzigerin hält, und die Fed der Typ an der Bar, der lieber alleine trinkt.
Man muss sich nur das Bild ansehen, das Lagarde und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in die Welt projizieren, um zu verstehen, wovon ich spreche. Den Göttern sei Dank verließ Merkel die Szene frühzeitig. Diese Damen folgen dem Drehbuch, während sie mit der Bombe in der Hand zum Ground Zero fahren und dabei glauben, dass sie noch Tanzpartner haben.
Übersetzt aus dem Englischen
Tom Luongo ist Betreiber des Blogs "Gold, Goats 'n Guns: Grübeleien über Geopolitik, Märkte und Ziegen".
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