Die angespannte Situation an den europäischen Flughäfen spitzt sich immer weiter zu. Wie ORF.atam 23. Juli berichtete, blieben auf Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main "bereits täglich bis zu 5.000 Koffer von Lufthansa-Passagieren am Boden zurück".
Im britischen Heathrow "müssen ankommende Passagiere wegen Überlastung und Unterbesetzung oft stundenlang auf ihre Koffer warten, da ausgehendes Gepäck bevorzugt bearbeitet wird", so ORF.at. Man versuche das Problem zu lösen, indem eine Obergrenze von 100.000 Passagieren pro Tag eingeführt werde. Bis zum 11. September sollten Fluggesellschaften den Ticketverkauf für diesen Zeitraum einstellen. ORF berichtete:
"Die arabische Fluggesellschaft Emirates kritisierte die Maßnahmen des 'inkompetenten' Londoner Flughafens und sagte, die Branche stehe vor einem 'Airmageddon'."
Tausende von Fluggästen verließen Paris ohne Gepäck aufgrund einer technischen Panne am internationalen Flughafen Roissy-Charles de Gaulle, berichtete der Fernsehsender BFMTV Anfang Juli. Ein Vertreter der Gewerkschaft erklärte damals, es sei möglich, dass ein Teil des Gepäcks gar nicht an die Eigentümer zurückgegeben werden könne. "Etwa 50 Prozent der Menschen, die gestern abflogen, sind ohne ihr Gepäck oder mit dem Gepäck eines anderen geflogen", erklärte der Gewerkschafter und fügte hinzu:
"Wahrscheinlich sind einige Gepäckstücke für immer verloren."
Die Probleme der europäischen Fluggesellschaften mit dem Passagiergepäck scheinen in diesem Jahr systembedingt zu sein. Russischen Touristen, die nach Europa reisen, rät der Verband der Fremdenverkehrsorganisationen Russlands daher, kein Reisegepäck mitzunehmen, sondern sich auf das Handgepäck zu beschränken.
Die massiven Probleme in der europäischen Luftfahrt wurden in erster Linie durch den Personalabbau während der Pandemie verursacht, als ein Großteil der Mitarbeiter an den großen Luftverkehrsknotenpunkten entlassen wurde. Wie die Nachrichtenagentur RIA Nowosti bereits im Juni berichtete, fehle es auf den Flughäfen in Madrid, Barcelona, Berlin, Brüssel, Paris, Dublin und Heathrow an Ladepersonal, Mitarbeitern für die Abfertigung und Luftsicherheitsexperten. Hinzu kommen endlose Streiks - seit Beginn des Sommers streikt das Personal vieler Fluggesellschaften und Flughäfen für bessere Arbeitsbedingungen.
Wie die niederländische Tageszeitung De Telegraaf mitteilte, war im Juni die Situation am Amsterdamer Flughafen Schiphol am kritischsten. Die Behörden des Drehkreuzes haben offiziell erklärt, dass die für diesen Sommer erwartete Nachfrage die verfügbaren Kapazitäten übersteige, und hätten den Fluggesellschaften empfohlen, Flüge von Rotterdam und Eindhoven aus zu planen.
Die größte britische Fluggesellschaft, British Airways, kündigte Anfang Juli an, dass sie zwischen August und Ende Oktober Zehntausende von Flügen wegen Personalmangels streichen werde, wodurch die Pläne von mehr als einer Million Reisenden durchkreuzt würden, berichtete die britische Zeitung Independent.
"Die gesamte Luftfahrtindustrie steht weiterhin vor ernsten Problemen. Die Regierung hat beschlossen, Maßnahmen zu ergreifen, um mögliche Störungen auf den Flughäfen in diesem Sommer so gering wie möglich zu halten. Und obwohl weitere Maßnahmen zur Streichung von Flügen nicht das sind, was wir wollten, ist es die richtige Entscheidung für unsere Kunden und Kollegen", zitierte die Zeitung einen Sprecher von British Airways.
Die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa hat aufgrund von Streiks und Personalmangel bis zum Ende des Sommers ebenfalls rund 2.000 Flüge gestrichen, sagte ein Sprecher der Fluggesellschaft Mitte Juli der Nachrichtenagentur DPA. Die Flugausfälle, die auf anhaltende Probleme mit dem Wartungspersonal zurückzuführen sind und die Flugpläne stabilisieren sollen, betreffen die Drehkreuze Frankfurt und München, sagte der Lufthansa-Sprecher.
Ein weiterer Grund für die Probleme der europäischen Luftverkehrsbranche ist der dramatische Anstieg des gesamten Passagieraufkommens. Nachdem in den Jahren der Pandemie und der Lockdown-Monate kaum gereist wurde, sind nun alle wieder mit neuem Elan unterwegs – so die Medien. Wie ORF allerdings berichtet, sei dies durchaus vorhersehbar gewesen. Der Geschäftsführer des österreichischen Dachverbands Luftfahrt, Peter Malanik, musste gegenüber ORF.at feststellen:
"Man muss sagen, dass das starke Ansteigen der Nachfrage zu einem Großteil leider vorhersehbar war. Wir haben schon vergangenen Sommer eine Marktforschungsstudie in Auftrag gegeben, die eindeutig gezeigt hat, dass die Bereitschaft der Leute, nach der Corona-Krise wieder zu reisen, groß sein wird."
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