Die USA ziehen den Westen in eine Auseinandersetzung mit China hinein

Die USA nutzen die Ukraine-Krise, um den Westen hinter seinem eigentlichen Ziel zu vereinen: dem Schlagabtausch mit China. Die Welt bewegt sich von einer europäischen zu einer echten globalen Sicherheitskrise. Kann China der große Nutznießer der Entwicklungen sein?

Eine Analyse von Iwan Suenko

Hätte es in den vergangenen Jahrzehnten keine aktive Annäherung zwischen Moskau und Peking gegeben und hätte Russland keine asiatische Alternative zu den europäischen Öl- und Gasmärkten gehabt, wäre Moskau nicht in der Lage gewesen, die Ukraine militärisch anzugreifen. Bedeutet dies, dass China der Hauptnutznießer der europäischen Krise ist und sich die Situation nach Pekings Plänen entwickelt?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Art und Folgen der Ereignisse, die im Februar begannen, zu beurteilen. Klar ist jedoch, dass sie nicht isoliert vom historischen Kontext betrachtet werden können, der mindestens auch die vergangenen acht Jahre miteinbeziehen sollte, beginnend mit dem vom Westen unterstützten Sturz der Regierung von Wiktor Janukowitsch in der Ukraine. Oder noch besser, die gesamte Periode der postbipolaren Weltordnung seit dem Ende der UdSSR im Jahr 1991.

Es sollte auch nicht auf das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew reduziert werden. Die Situation in der Ukraine ist eine Folge der Tatsache, dass die Länder der euro-atlantischen Allianz seit dem Ende des Kalten Krieges nicht bereit waren, ein umfassendes Sicherheitssystem in Europa zu etablieren, das Russland miteinschließt. Der aktuelle Konflikt und seine wirtschaftlichen Aspekte betreffen derzeit fast den ganzen Globus. Darüber hinaus hat sich der chinesische Faktor in einer Situation, in der die Taktik der "totalen Isolation" und der Abbruch der wirtschaftlichen und humanitären Verbindungen die wichtigsten Druckmittel gegen Russland darstellen, als entscheidend erwiesen.

Hätte China gegenüber der russischen Militäroperation keine wohlwollende Neutralität eingenommen, nicht weiterhin russische Waren gekauft und damit ein verlässliches strategisches Rückgrat geschaffen, wäre die Fortsetzung der militärischen Offensive Russlands objektiv unmöglich gewesen. Aber ist China der Hauptnutznießer der europäischen Krise wie eingangs gefragt? Für mich lautet die Antwort ganz klar nein. Der aktuelle Verlauf der Ereignisse ist weder nach Pekings Geschmack noch in seinem Interesse. China selbst ist davon überzeugt, dass die USA derzeit praktisch die einzige Partei sind, die auf der Gewinnerseite steht, und betrachtet Washington als Kriegstreiber.

Das Zusammenwachsen des "kollektiven Westens" – basierend auf der imaginären Gegensätzlichkeit von "Demokratie vs. Autoritarismus", einem "Kampf zwischen Gut und Böse" – schadet Chinas Interessen, indem es die Möglichkeit einer Normalisierung der Beziehungen zu den USA untergräbt, was, aus rein wirtschaftlichen Gründen, für Peking von Vorteil wäre. Es verringert auch den Handlungsspielraum Chinas in Westeuropa, einem Schlüsselmarkt für seine Waren, ungeachtet des starken Anstiegs der Energie- und Lebensmittelpreise, die für eine stabile Entwicklung der chinesischen Wirtschaft unerlässlich sind.

Insgesamt ist die Situation für China kompliziert. Das Land bereitet sich darauf vor, dass seine natürlichen Ambitionen für die Rolle einer Führungsnation in der Welt – das Konzept des "chinesischen Traums" – früher oder später mit Muskeln untermauert werden müssen. Wirtschaftlicher Druck, die Verhängung von Sanktionen gegen China und die aggressive Rhetorik westlicher Staatenlenker in den vergangenen fünf Jahren haben Peking keine andere Wahl gelassen, als sich auf einen zukünftigen Krieg vorzubereiten – unabhängig davon, ob es sich um einen "hybriden" oder einen "Schützengrabenkrieg" handeln wird. Die Ereignisse haben sich jedoch zu schnell entwickelt, und derzeit fühlt sich die Führung in Peking noch nicht bereit, dieselbe Art von entschlossenen Maßnahmen einzuleiten, die Moskau ergriffen hat.

Darüber hinaus glaubt China, dass die Zeit auf seiner Seite ist, und Pekings Aufgabe ist es nun, so lange wie möglich eine neutrale Haltung beizubehalten, seine Streitkräfte aufzubauen und gleichzeitig zu hoffen, dass seine Konkurrenten zunehmend schwächer werden. Das erkennen auch die euro-atlantischen Hauptstädte und üben geopolitischen Druck auf China aus. Die These von der "Unteilbarkeit der Sicherheit im euroatlantischen und indopazifischen Raum" ist bereits in der Rhetorik aufgetaucht und legt effektiv die Schaffung einer "globalen NATO" nahe. Wir bewegen uns also von einer europäischen Sicherheitskrise zu einer wahrhaft globalen.

In der Praxis ist eine globale NATO bereits im Entstehen, und der Madrider Gipfel der US-geführten Militärallianz Ende Juni ist der beste Beweis dafür. Zum ersten Mal in der Geschichte der NATO wurden die pazifischen Staaten – Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea – eingeladen. Bemühungen wurden intensiviert, um "Quasi-Allianzen" zu bilden, wie Quad, der quadrilaterale Sicherheitsdialog zwischen den USA, Australien, Japan und Indien, AUKUS, der trilaterale Pakt zwischen den USA, Großbritannien und Australien und die der Blue Pacific Partners bestehend aus AUKUS plus Japan und Neuseeland. Im Gegensatz zur "klassischen NATO", die in China lange Zeit als Überbleibsel des Kalten Krieges und der Konflikte innerhalb des Westens wahrgenommen wurde, haben diese Bündnisse eine eindeutig antichinesische Ausrichtung. Am Ende könnte die aktuelle Ukraine-Krise als ein Nebenschauplatz vor dem Hauptereignis in Erinnerung bleiben.

Übersetzt aus dem Englischen.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Russisch auf ru.valdaiclub.com veröffentlicht.

Iwan Suenko ist Senior Forscher am Institut für Internationale Studien und außerordentlicher Professor der Abteilung für Orientalistik an der MGIMO, Moskau.

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