Im Mai hatte die Leitung des nach dem berühmten Dirigenten Rodolfo Lipizer benannten Wettbewerbs in der italienischen Stadt Gorizia beschlossen, drei Violinistinnen mit russischer Staatsbürgerschaft abzulehnen.
Lorenzo Qualli, der Präsident des Wettbewerbs, erklärte damals gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, dass diese Entscheidung wegen des Ukraine-Krieges und im Einklang mit internationalen Sanktionen getroffen wurde. Er wäre bereit gewesen, russische Violinistinnen zum Wettbewerb zuzulassen, jedoch nur unter einer Bedingung: Sie müssten öffentlich ihr Nein zur russischen Politik in der Ukraine bekunden und gegen das Vorgehen der russischen Regierung protestieren.
In einem Brief an die Künstlerinnen schrieb Qualli, dass er "nichts gegen sie" habe und sich freuen würde, sie nach Beendigung des Ukraine-Konflikts zu empfangen. Er betonte auch, dass er für das kommende Jahr eine Änderung des Statuts der Veranstaltung plane und eine Klausel über die Unzulässigkeit der Teilnahme von "Vertretern aus Ländern, die sich im Krieg befinden", einfügen wolle.
Nun hat die Wettbewerbsleitung plötzlich ihre Entscheidung revidiert und die russischen Violinistinnen doch zur Teilnahme zugelassen. Jedoch wollen die Künstlerinnen aufgrund der russlandfeindlichen Haltung der Veranstalter selbst nicht mehr an dem Wettbewerb teilnehmen. Eine der Violinistinnen, Lidia Kotscharjan, hat der Nachrichtenagentur RIA Nowosti erklärt:
"Wir werden sowieso nicht an dem Wettbewerb teilnehmen, wir haben ja unseren Stolz. Wie kann man nach so etwas überhaupt noch zusagen?"
Wie sie betonte, habe man die Künstlerinnen einfach vor die Tatsache gestellt, dass sie nun wieder zur Teilnahme berechtigt seien – für die diskriminierende Entscheidung habe sich bei ihnen niemand entschuldigt.
Der Zeitung Il Goriziano zufolge änderte der Wettbewerbsleiter Lorenzo Qualli nun seine Meinung, da "die Organisatoren des Wettbewerbs von allen Seiten erpresst" worden seien. Er hat erklärt, die Veranstaltung könne "ohne die Unterstützung der lokalen Behörden" nicht überleben und gerade sie hätten die Sanktionen gegen russische Künstlerinnen nicht unterstützt. "Während die Regierung von Sanktionen, Aufrüstung und Angst vor einer möglichen Invasion spricht, sagen die regionalen Behörden, die Stadt und alle anderen das Gegenteil", so Qualli.
Die Behörden von Gorizia haben sich tatsächlich sehr gegen die russophobe Maßnahme der Wettbewerbsveranstalter gewehrt. "Das ist eine unverständliche und inakzeptable Entscheidung, sie widerspricht dem Geist der Veranstaltung, die Musik immer als ein Instrument der Annäherung zwischen den Menschen, der Überwindung von Grenzen und der menschlichen und kulturellen Freiheit verstanden hat", sagte der Bürgermeister der Stadt Rodolfo Ziberna laut BLN.
Außerdem verkündete das FVG-Orchester, das üblicherweise mit den Kandidaten des Wettbewerbs auftritt, dass es sich dieses Jahr aus dem Programm zurückzieht. "Wir haben diese Entscheidung sofort getroffen, auf eigene Initiative zusammen mit unserem künstlerischen Leiter", teilte der Präsident des FVG-Orchesters Paolo Petiziol der Nachrichtenagentur TASS mit: "Teilnehmer auszuschließen, nur weil sie russische Staatsbürger sind – das ist ein schwerwiegender Vorfall."
Mehr zum Thema - Abartige Russophobie