Unter den NATO- und EU-Mitgliedsländern würde die Besorgnis darüber wachsen, wie die Ukraine mit den vom Westen gelieferten Waffen umgehe, berichtet die Financial Times am Dienstag. Wie die Zeitung weiter berichtet, versuchten nun die westlichen Staaten, einen speziellen Rückverfolgungsmechanismus einzurichten, um zu verhindern, dass die Waffen auf den europäischen Schwarzmärkten landen.
Seit dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine haben die USA und ihre Verbündeten in Europa und anderswo Kiew militärische Unterstützung im Wert von über 10 Milliarden Dollar zugesagt. Die Lieferungen umfassten zahlreiche Kleinwaffen sowie mobile Panzerabwehr- und Luftabwehrraketen.
Ein namentlich nicht genannter westlicher Offizieller sagte gegenüber der Financial Times, dass all die gelieferten Waffen "in den südlichen Teilen Polens landen, wo sie an die Grenze verfrachtet werden und dann einfach auf Fahrzeuge aufgeteilt, um die Grenze zu überqueren: Lastwagen, Lieferwagen, manchmal auch Privatautos." Damit erklärte er, warum die EU und die NATO von Kiew eine detaillierte Inventarliste aller erhaltenen Waffen verlangen. Der Beamte fügte hinzu:
"Von diesem Moment an wissen wir nicht mehr, wo sie sich befinden, und wir haben keine Ahnung, wohin sie gehen, wo sie verwendet werden oder ob sie überhaupt im Land bleiben."
Nach Angaben von Europol, der Polizeibehörde der Europäischen Union mit Sitz im niederländischen Den Haag, könnten einige der Waffen die Ukraine bereits verlassen und ihren Weg zurück nach Europa gefunden haben. Bereits im April warnte Europol, dass seine Ermittlungen darauf hindeuteten, dass die Waffen aus der Ukraine in die EU geschmuggelt wurden, um Gruppen der organisierten Kriminalität zu versorgen. Der Konflikt in der Ukraine "hat zur Verbreitung einer beträchtlichen Anzahl von Schusswaffen und Sprengkörpern in dem Land geführt", erklärte die Behörde damals.
Europol zeigte sich besonders besorgt darüber, dass die ukrainischen Behörden zu Beginn des Konflikts die Praxis aufgegeben hätten, "ein Register der an Zivilisten ausgegebenen Schusswaffen" zu führen. Seitdem würden Schusswaffen ohne entsprechende Erfassung verteilt, erklärte die Behörde und forderte die Einrichtung eines ähnlichen Registers für alle Waffen und militärische Güter, die von der EU an die Ukraine geliefert werden.
Kiew bestreitet, dass es zu einer "wichtigen Drehscheibe für Waffenschmuggel" geworden ist. Einem Berater des ukrainischen Verteidigungsministers zufolge werde "jede Bewegung von Waffen in die Ukraine oder aus der Ukraine heraus... sehr genau überwacht und kontrolliert, sowohl von der Ukraine als auch von unseren internationalen Partnern".
Washington erklärte, es vertraue Kiew, räumte aber zugleich ein, dass die Gefahr, dass US-amerikanische Waffen in die falschen Hände geraten könnten, aufgrund der "schwierigen Lage" vor Ort, "eine von vielen Erwägungen" sei. Die Unterstaatssekretärin für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit, Bonnie Jenkins, erklärte diesbezüglich am vergangenen Freitag vor Reportern in Brüssel:
"Wir sind zuversichtlich, was die Zusage der ukrainischen Regierung betrifft, die US-Waffen angemessen zu schützen und darüber Rechenschaft abzulegen."
Amerikas europäische Verbündete scheinen da weniger sicher zu sein. So sagte die tschechische Verteidigungsministerin Jana Černochová am Freitag vor Journalisten in Prag:
"Es ist schwer, den Handel oder Schmuggel zu verhindern."
Den westlichen Staaten sei es nicht gelungen, "dies im ehemaligen Jugoslawien zu erreichen, und dass sie es wahrscheinlich auch nicht in der Ukraine verhindern werden", so Černochová weiter. Der tschechischen Ministerin zufolge wäre es nicht möglich, jeden einzelnen Gegenstand zu verfolgen, selbst wenn die Geberländer alles in ihrer Macht Stehende tun würden, um die Waffen zu verfolgen.
Im Juni schlug die schwedische Polizei Alarm, weil Waffen, die nach Kiew geschickt wurden, möglicherweise bei kriminellen Banden landen könnten. Auch Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock äußerte im selben Monat ähnliche Bedenken.
Mehr zum Thema - Wann die Zeit reif ist für Verhandlungen mit der Ukraine