Habeck bittet Kanada um Freigabe von Nord-Stream-1-Turbine – Ukraine pocht auf Sanktionen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll laut einem Medienbericht die kanadische Regierung um eine Ausnahme bei den Sanktionen gegen Russland gebeten haben. Es geht um die Freigabe einer Gasturbine, die in Kanada überholt wurde. Kiew ist nach Angaben eines Beamten im Energieministerium aber dagegen, dass die Turbine geliefert wird.

Am 11. Juli beginnen die Wartungsarbeiten an der Gaspipeline Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. In dieser Zeit wird vorerst kein Gas mehr aus Russland nach Deutschland fließen. Bereits vor mehr als einem Monat wurden die Lieferungen durch die Ostseepipeline um rund 60 Prozent gedrosselt. Der russische Konzern Gazprom nannte als Grund Verzögerungen bei Reparaturarbeiten. Auch der Energietechnikkonzern Siemens Energy teilte Mitte Juni mit, dass eine in Kanada überholte Gasturbine aufgrund der Russland-Sanktionen derzeit nicht aus Montréal zurückgeliefert werden könne.

Kanada hatte seine Sanktionsliste gegen Russland erweitert und die Öl-, Gas- und Chemieindustrie ins Visier genommen. Dies behindert auch die Rückgabe wichtiger Turbinen, die in dem nordamerikanischen Land hergestellt werden. Diese müssen regelmäßig zur Wartung dorthin zurück. 

Wie es nun in einem Bericht der US-amerikanischen Finanznachrichtenagentur Bloomberg heißt, soll der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die kanadische Regierung um eine Ausnahme bei den Sanktionen gegen Moskau gebeten haben. Demnach habe der Grünen-Politiker an Ottawa appelliert, die für Nord Stream 1 so wichtige Turbine freizugeben.

Das Ersatzteil für die russische Gaspipeline müsse bis Montag an Russland zurückgegeben werden, so Habeck gegenüber Bloomberg. Dann begännen Wartungsarbeiten an der Gasleitung. Wie es in dem Bericht weiter heißt, habe Habeck darauf hingewiesen, dass man dem russischen Präsidenten keine "Ausreden" für einen kompletten Gasstopp liefern dürfte. Man würde Wladimir Putin eine Begründung weniger geben, die Gasleitung nach Deutschland gedrosselt zu halten, unterstrich Habeck. Er fügte gegenüber Bloomberg hinzu: 

"Ich werde der Erste sein, der für ein weiteres starkes EU-Sanktionspaket kämpfen wird, aber starke Sanktionen müssen Russland und Putin mehr schaden als unserer Wirtschaft."

Deshalb bitte er um Verständnis, "dass wir Putin die Ausrede über diese Turbinen nehmen müssen".

Die Angst vor einem Lieferstopp von Gas aus Russland ist unter anderem in der deutschen Wirtschaft groß. Vor allem die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie befürchtet einen kompletten Lieferausfall. Nach Angaben des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) sei die Branche, die über 530.000 Menschen beschäftigt, mit einem Anteil von 15 Prozent größter deutscher Gasverbraucher. Knapp ein Drittel des Industrieverbrauchs entfällt auf sie.

Die Pharma- und Chemiebranche braucht Gas als Energiequelle und als Rohstoff zur Weiterverarbeitung in Produkten wie etwa in Kunststoffen, Arzneien oder Düngemitteln. Vertreter des Industriezweigs warnten bereits vor Dominoeffekten in der gesamten Industrie, falls Gaslieferungen komplett ausbleiben sollten.

Erst vor wenigen Tagen hatte Habeck im ZDF bei "Markus Lanz" erklärt, dass er nicht ausschließe, dass der russische Präsident die Reparaturarbeiten "künstlich" in die Länge ziehen und Deutschland für Wochen oder sogar Monate von der Gasversorgung abschneiden könnte. Gegenüber Bloomberg unterstrich Habeck nun, wie wichtig Nord Stream 1 für Deutschland sei, um "die Speicher zu füllen". Er ergänzte:

"Gefüllte Speicherkapazitäten in Deutschland sind nicht nur für den deutschen Markt wichtig, sondern auch für den europäischen Markt und für die Versorgungssicherheit in Europa."

Auch wenn die EU kein Gas-Embargo gegen Russland verhängt hat, unterliegt die Lieferung von Ausrüstung den Sanktionsauflagen. Deshalb habe Berlin wohl laut Medienberichten Ottawa vorgeschlagen, die betroffene Turbine zum Betrieb der Anlage an Deutschland und nicht an den russischen Energiekonzern zu übergeben.

Aus der Ukraine kam eine scharfe Reaktion auf diese Nachricht. Eine Quelle aus dem ukrainischen Energieministerium hatte gegenüber Reuters betont, dass Kiew es ablehne, dass Kanada die Gasturbine zurückschicken lässt. Eine namentlich nicht genannte Person unterstrich gegenüber der Nachrichtenagentur: 

"Die Sanktionen verbieten den Transfer von Ausrüstungen, die mit Gas zu tun haben." 

Dies würde gegen die Sanktionen gegen Russland verstoßen, wird die Quelle von Reuters zitiert. Man könne nicht "von Solidarität sprechen, wenn sich Länder nicht an Entscheidungen halten, die sie in Bezug auf Sanktionen vereinbart haben", hieß es weiter aus Kiew.

Wie die Welt berichtet, habe am Freitag Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärt, dass die Bundesregierung zu diesem Thema "positive Signale" von der kanadischen Regierung bekommen hätte. Man könne aber nicht bestätigen, dass die Lieferung schon erfolgt sei. Auch Reuters berichtet unter Verweis auf Informationen der ukrainischen Seite, dass Kanada wohl die Rückgabe der Turbine vorbereite.

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