von Dmitri Trenin
Kurz bevor sich die Staats- und Regierungschefs der G7 letzte Woche auf Schloss Elmau in deutschen Bayern trafen, hielten ihre Amtskollegen aus den fünf BRICS-Staaten unter chinesischem Vorsitz ein virtuelles Gipfeltreffen ab. Von der G7 wurde Russland als Bedrohung gebrandmarkt, beim BRICS-Gipfel jedoch als ein wichtiger Teilnehmer willkommen geheißen.
Die Zeiten, in denen Moskau die Kluft zwischen dem Westen und dem Nicht-Westen überbrücken konnte, sind lange vorbei. Nach der Krise in der Ukraine, die 2014 begann, kehrte die G8 zu ihrem früheren G7-Format zurück – und nach dem Beginn der russischen Militäraktion in der Ukraine im vergangenen Februar degenerierte die russisch-westliche Konfrontation zu einem ausgewachsenen "hybriden Krieg", komplettiert durch eine tatsächliche militärische Konfrontation – wenn auch bisher nur in einer Konfrontation über den Stellvertreter Ukraine.
Nachdem Russland nach dem Ende des Kalten Krieges versucht hat, Teil des neuen Westens zu werden – und bei diesem Vorhaben gescheitert ist –, konzentriert sich Russland nun darauf, seine Beziehungen zu Asien, dem Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika auszubauen.
Dies ist aus mehreren Gründen sowohl eine schwierige als auch eine notwendige Aufgabe. Erstens wirkt immer noch eine starke Trägheit aus vergangenen Epochen. Mindestens seit den Tagen von Peter dem Großen haben die russischen Eliten stets nach Westen geblickt und westliche Erscheinungsweisen und Verhaltensweisen angenommen – während sie unter der Volkstracht und in ihren Manieren deutlich russisch blieben. Es gab Anpassungen an westliche Institutionen, wenn auch oft nur oberflächlich, die Übernahme westlicher Denkmuster bei gleichzeitiger kreativer Weiterentwicklung, wie zum Beispiel beim Marxismus, ein Streben danach, eine europäische Großmacht und später – zu Zeiten der Sowjetunion – eine globale Supermacht zu werden und – in jüngerer Zeit – ein Schlüsselelement eines größeren Europas "von Lissabon bis Wladiwostok" zu sein.
Dies ist ein Weg, von dem man sich nur schwer verabschieden kann. Doch jetzt steht Russland – zum ersten Mal überhaupt – einem gegen sich völlig geeinten globalen Westen gegenüber – von Nordamerika über Großbritannien und die Europäische Union bis hin zu Japan und Australien.
Darüber hinaus gibt es im Westen keine Verbündeten, an die sich Moskau wenden könnte – selbst bisher vermeintlich neutrale Staaten wie Finnland, Schweden, Österreich und die Schweiz haben alle ihre Neutralität aufgegeben. Russlands politischer Bruch mit dem Westen ist somit vollständig, und jede neue Norm der Beziehungen zwischen beiden Seiten kann nur als Ergebnis eines "hybriden Krieges" entstehen, dessen Austragung Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern wird.
In der Vergangenheit wurden die Wirtschaftsbeziehungen Moskaus weitgehend zum Westen hin aufgebaut. Historisch gesehen war Russland für die westeuropäische Industrie der Quell von Ressourcen, der Brotkorb des Kontinents und gleichzeitig ein bedeutender Abnehmer von Waren und Technologie. Bis vor Kurzem machte allein der Handel Russlands mit der Europäischen Union mehr als die Hälfte des russischen Außenhandels aus, und Deutschland war der führende Exporteur von Maschinen und Technologie auch nach Russland. Seit Anfang der 1970er Jahre bilden Öl- und Gaspipelines von Russland nach Westeuropa das Rückgrat der wirtschaftlichen Beziehungen und sorgten für allgemeine Stabilität auf dem Kontinent, selbst in den gefährlichen Jahrzehnten des Kalten Krieges und in den turbulenten Zeiten während des Zerfalls der Sowjetunion selbst. Aber auch das ist mittlerweile Geschichte.
Die harten Sanktionen, die von den USA, der EU und dem Vereinigten Königreich gegen Russland verhängt wurden, werden auf absehbare Zeit nicht aufgehoben werden, selbst wenn die eigentliche militärische Auseinandersetzung in der Ukraine beendet sein sollte. Zudem werden die schmerzhaften Erfahrungen mit der Beschlagnahme von Devisen und Vermögenswerten der russischen Föderation zukünftig jeden russischen Ansatz für neuerliche wirtschaftliche Beziehungen mit dem Westen stark prägen.
Drittens hatten sich traditionell die Russen auch kulturell mit dem Rest Europas identifiziert – durch das Christentum, die Hinterlassenschaften des antiken Griechenlands und Roms, die Ideen der französischen Aufklärung und der deutschen Philosophie, durch europäische Literatur und Kunst, Musik und Tanz. All dies trug dazu bei, auch Russlands eigene Kultur zu prägen und zu gestalten und gab ihr einen starken Anreiz zu eigenen Entwicklungen. Trotz des jüngsten politischen Bruchs und der geoökonomischen Verschiebungen bleiben die Grundlagen der russischen Kultur definitiv europäisch.
Eine Reihe von Elementen der heutigen Kulturszene im Westen, insbesondere der vorherrschende Kult der individuellen Selbstdarstellung, der immer repressiver werdende ausufernde Liberalismus, die Erosion jeglicher familiärer Werte und die Erweiterung der "Geschlechtervielfalt" widersprechen jedoch dem traditionsverbundenen kulturellen Kodex der Mehrheit der russischen Bevölkerung.
Die offensichtliche Notwendigkeit für Russland, jetzt über den Westen hinauszublicken, bedeutet jedoch, dass das Land wahrscheinlich die historische Trägheit und das Erbe früherer geoökonomischer Prioritäten und kultureller Affinitäten überwinden kann. Da der Westen Russland um jeden Preis meiden will und versucht, es zu isolieren und sogar "auszulöschen", wird Moskau nun keine andere Wahl gelassen, als seine alten Gewohnheiten aufzugeben und sich noch zielstrebiger mit der größeren, der ganzen Welt – auch jenseits von Westeuropa und Nordamerika – zu verbinden.
In der Tat ist auch dies etwas, was eine Reihe russischer Staatsführer bereits wiederholt beschworen hatte, selbst als die Beziehungen zum Westen viel weniger kontrovers waren. Aber die europäisch orientierte Denkweise, die Nähe und offensichtliche Leichtigkeit des Tausches von Ressourcen gegen westliche Waren und Technologien und der Ehrgeiz, in den Kreis der westlichen Eliten aufgenommen zu werden, verhinderten, dass diese globalen Absichten je realisiert wurden.
Es ist jedoch allgemein bekannt, dass jemand oft erst dann anfängt, das Richtige zu tun, wenn ihm wirklich keine andere Wahl mehr bleibt. Und sicherlich ist ein Kapitulieren vor dem Westen derzeit keine Option für Russland. Die Dinge sind einfach zu weit getrieben worden.
Abgesehen von der Notwendigkeit eines Überdenkens der Außenbeziehungen Russlands gibt es echte Möglichkeiten, die es zu verfolgen gilt. Seit dem Ende des Kalten Krieges haben sich die führenden Länder Asiens, des Nahen Ostens, Afrikas und Lateinamerikas in jeder Hinsicht spektakulär entwickelt – wirtschaftlich und politisch bis hinein in den technologischen und militärischen Bereich.
Schon vor Ausbruch des "hybriden Krieges" hatte China für Russland Deutschland nicht nur als den wichtigsten Handelspartner Russlands, sondern auch als den führenden Exporteur von Maschinen und Ausrüstungen überholt. Indien, ein traditioneller Importeur sowjetischer und heute russischer Waffensysteme, entwickelt sich nun zu einem für beide Seiten wichtigen Technologiepartner. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind Russlands wichtigste Partner bei der Regulierung der Ölförderung im erweiterten Format von OPEC+. Die Türkei und Iran sind wichtige unabhängige Akteure in einer strategisch wichtigen Region. Die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der nichtwestlichen Länder sich weigerte, Russland für sein Vorgehen in der Ukraine zu verurteilen – viele von ihnen sogar trotz des immensen Drucks der USA –, war und ist für Moskau äußerst ermutigend – in dem Sinne, dass diejenigen, die nicht gegen uns sind, als auf Seiten Russlands stehend angesehen werden können. Von Indonesien bis Brasilien und von Argentinien bis Südafrika gibt es viele dynamische und ehrgeizige Länder, die Moskau ansprechen möchte.
Dazu muss Russlands Außenpolitik eine entsprechende Strategie finden. Vor allem muss sie den Beziehungen zu nichtwestlichen Ländern klaren Vorrang vor den de facto eingefrorenen Westbindungen einräumen. Botschafter in Indonesien zu sein, sollte prestigeträchtiger als ein Botschafterposten in Rom sein, und ein Posten im usbekischen Taschkent könnte wichtiger sein als jener in Wien.
Ferner muss es eine vertiefte Prüfung wirtschaftlicher und anderer Möglichkeiten für Russland in den BRICS-Ländern geben und einen Plan, um diese weiterzuentwickeln. Abgesehen von der Wirtschaft sollten die Austauschprogramme für Studenten ausgebaut und sollte auch der russische Tourismus nach Osten und in den Süden ermutigt werden. Die russischen Medien täten gut daran, die Berichterstattung über die Entwicklungen in den wichtigsten nichtwestlichen Nationen zu verstärken und sowohl die russischen Eliten als auch die breitere Öffentlichkeit über die wirtschaftlichen Realitäten, die Politik und die Kultur dieser Nationen aufzuklären.
Übersetzt aus dem Englischen
Dmitri Trenin ist Mitglied des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik Russlands und war Direktor des Carnegie-Instituts in Moskau.
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