von Maria Müller
Die BRICS-Staaten hielten am 23. Juni das 14. BRICS-Gipfeltreffen als Videokonferenz mit China als Gastgeber in virtueller Form ab. Der Name der im Jahr 2009 gegründeten Wirtschaftsorganisation leitet sich aus den bisherigen Mitgliedern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika ab. Präsidenten und Außenminister nahmen an den virtuellen Debatten teil.
Die Staats- und Regierungschefs zahlreicher Länder folgten den Arbeitsprozessen als beobachtende Kandidaten für eine künftige Zusammenarbeit. (Kasachstan, Argentinien, Saudi-Arabien, Iran, Ägypten, Indonesien, Nigeria, Senegal, die Vereinigten Arabischen Emirate und Thailand). Das internationale BRICS-Forum repräsentiert heute bereits 42 Prozent der Weltbevölkerung und 24 Prozent des Welthandels.
Ein neues Mitglied: Argentinien
China hatte in den letzten Monaten vorgeschlagen, die Mitgliederzahl des Bundes zu erweitern und die Aufnahme Argentiniens unterstützt.
Das Beitrittsgesuch Argentiniens hat eine Vorgeschichte. Die chinesischen Kredite und Investitionen in Argentinien nahmen im vergangenen Jahrzehnt konstant zu. Auf seiner Reise nach Peking am 5. Februar erörterte Argentiniens Präsident Alberto Fernández nun mit seinem Amtskollegen Xi Jinping die formelle BRICS-Mitgliedschaft Argentiniens und die Unterstützung Chinas für diesen Schritt.
Des Weiteren einigten sich die Präsidenten über die Eingliederung des lateinamerikanischen Landes in das internationale Projekt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit "Neue Seidenstraße" – Chinas Initiative zur Stimulierung des Handels- und Investitionsflusses.
Der argentinische Botschafter in China Sabino Vaca schrieb im Februar auf seinem Twitter-Account:
"Mit dieser strategischen Entscheidung wird die nationale Regierung verschiedene Vereinbarungen unterzeichnen, die die Finanzierung von Investitionen und Arbeiten für mehr als 23,7 Milliarden Dollar garantieren und einen neuen Meilenstein in den bilateralen Beziehungen setzen, die in den letzten 15 Jahren erheblich ausgebaut und gestärkt wurden."
Ein Bund der Schwellen- und Entwicklungsländer
Der chinesische Außenminister Wang Yi rief dazu auf,
"… angesichts der neuen Herausforderungen der internationalen Situation eine neue Vitalität in die Kooperationsdynamik der Organisation einzubringen."
Und weiter betonte er:
"Solidarität und Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern ist eine hervorragende Tradition der BRICS-Staaten und auch ein unvermeidlicher Weg für die Entwicklung und das Wachstum des BRICS-Mechanismus."
Der russische Präsident Wladimir Putin äußerte sich ähnlich:
"Nur auf der Grundlage einer ehrlichen und für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit können wir einen Ausweg aus der Krisensituation finden, die sich in der Weltwirtschaft durch unüberlegtes und egoistisches Handeln einiger Länder entwickelt hat."
Argentiniens Beitrag für die BRICS-Gemeinschaft
Argentiniens Präsident Alberto Fernández sagte in seiner Rede, dass angesichts einer Weltordnung, die nur zum Wohle einiger weniger gearbeitet habe, der Integrationsblock für sein Land eine hervorragende Alternative zur Zusammenarbeit darstelle.
Auf der Konferenz stellte er den möglichen Beitrag seines Landes zu den BRICS-Wirtschaftsaktivitäten dar. Argentinien sei ein sicherer und verantwortungsvoller Lebensmittellieferant, der auf dem Gebiet der Biotechnologie und der angewandten Logistiktechnologie anerkannt sei. Fernández sagte:
"Damit sind wir nicht nur in der Lage, Lebensmittel zu produzieren und zu exportieren. Wir wissen auch, wie man Dienstleistungen erbringt und Fachkräfte ausbildet, damit andere Länder ihre Produktionseffizienz steigern und damit die Lebensqualität ihrer Einwohner verbessern können. Wir verfügen über große Energieressourcen."
Gleichzeitig räumte er ein, dass Argentinien mit den Schwierigkeiten eines hochverschuldeten Entwicklungslandes zu kämpfen habe. Deshalb müsse der Staat tiefgreifende Reformen durchführen. Dazu zählen die Verbesserung der Infrastruktur und neue Produktionszweige mit mehr Arbeitsplätzen.
Kritik am IWF und Debatte über dessen Richtlinien
Argentiniens Präsident legte Themen der internationalen Politik auf den Tisch, an denen multinationale Kreditorganisationen beteiligt sind. Er kritisierte bei dieser Gelegenheit auch die bisherigen Arbeitsmethoden des Internationalen Währungsfonds IWF und rief dazu auf,
"… die Richtlinien, die die allgemeine Zuweisung von Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds bestimmen, zur Diskussion zu stellen."
Ohne die Entwicklung eines Wirtschaftsmodells, das die finanzielle Ausgrenzung beendet, gebe es keine Möglichkeit, eine gerechtere Welt aufzubauen. Dafür müssten regionale Förderbanken kapitalisiert werden. Ein entscheidender Schritt in diese Richtung sei die Neue Entwicklungsbank (New Development Bank, NDB) der BRICS-Mitglieder, mit deren Hilfe Entwicklungsprojekte finanziert werden können.
Verstärkter Einsatz nationaler Währungen
Fernández nannte im Zusammenhang mit Fragen der Währungsstabilität auch die bilaterale Abmachung zwischen China und Argentinien über die verstärkte Nutzung der nationalen Währungen bei Investitionen und im Handel.
Alles in allem habe das ökonomische Potential des BRICS-Verbundes "das institutionelle und wirtschaftliche Gewicht, um zu einem Faktor der finanziellen Stabilität zu werden", so Fernández.
Auswirkungen des Krieges auf den globalen Süden
Am Schluss seiner Rede nahm Präsident Fernández Bezug auf den Krieg in der Ukraine und erinnerte daran, dass auch die Länder des globalen Südens schwer davon betroffen sind. Er sagte:
"Ich möchte meine Stimme erheben, damit die ganze Welt versteht, dass, obwohl der Krieg in Europa geführt wird, seine tragischen Folgen Auswirkungen auf Lateinamerika und die Karibik, auf Afrika und die gesamte südliche Halbkugel der Erde haben. Wir sind die Peripherie, die leidet."
Gleichzeitig bekräftigte Fernández die Bereitschaft Argentiniens, dafür beizutragen, dass die Konfliktparteien einen Dialog führen, um den Krieg zu beenden.
Der Richtungswechsel in die östliche Welt
Aus Anlass des 14. Gipfeltreffens der BRICS-Staaten am 23. Juni 2022 sprach RT mit der Präsidentin des BRICS-Forums Purnima Anand über die Perspektiven der Organisation. Die Vertreterin Indiens glaubt, dass mit der aktuellen Krise in der Ukraine neue Allianzen gebildet werden und prognostiziert einen Richtungswechsel von der westlichen Welt in die östliche Welt.
"Mit der Ukraine-Krise werden neue Bündnisse geschlossen und die Menschen schauen mehr nach Osten."
Sie erklärte weiter:
"Eine neue Weltordnung findet statt: Viele Länder, Gesetze, Menschen und Kulturen werden sich ändern müssen."
und betonte dabei, dass eine Alternative zur US-Sanktionspolitik erforderlich sei.
Frau Anand prognostiziert:
"Wenn sich die BRICS-Staaten eng zusammenschließen, wird sie die stärkste Gruppe sein."
Die Präsidentin des diesjährigen Forums der Organisation erläuterte, dass die Mitglieder den Vorschlag Chinas zur Erweiterung des Blocks befürworten.
Krise der Lieferkette und nicht Lebensmittelknappheit
Andererseits kommentierte sie, dass die Welt mit einer Krise der Lieferketten und nicht mit einer Lebensmittelknappheit konfrontiert sei, und stellte fest, dass zuerst der lokale Vertrieb und dann der internationale Vertrieb geplant werden müsse.
Russland als strategischer Partner Indiens
In diesem Sinne wies sie darauf hin, dass Russland ein strategischer Partner Indiens sei, und erinnerte daran, dass Moskau und Neu-Delhi in den letzten 75 Jahren immer zusammengestanden hätten. Sie führte detailliert aus, dass Russland im Verteidigungsbereich Indien Unterstützung gewährt habe, während Indien im Geschäfts- und IT-Bereich kooperierte:
"Der Druck seitens Amerikas verlangt von uns, nichts von Russland zu kaufen und ihnen auch nichts zu verkaufen. Ich halte diese Idee für unrealistisch, weil unsere Bindungen so tief sind, dass sie nicht von US-Entscheidungen beeinflusst werden können."
Der Druck der USA auf Indien sei sehr groß, weil Indien ein neutrales Land ist. Der Sub-Kontinent sei aber immer ein Mitglied der Bewegung der blockfreien Staaten gewesen und wolle diese Position beibehalten.
Der Präsident Südafrikas fand deutliche Worte
Cyril Ramaphosa, der Präsident Südafrikas, betonte die gemeinsame historische Erfahrung der Teilnehmer.
"Wir alle teilen den Wunsch nach größerer Bedeutung und progressiven Perspektiven in Institutionen der globalen Entscheidungszentren. Wir alle teilen eine gemeinsame Geschichte des Kampfes gegen Imperialismus, Kolonialismus, Ausbeutung und fortgesetzte Unterentwicklung."
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