US-Sicherheitsbehörden veröffentlichten am Mittwoch eine Statistik, wonach Automobilhersteller über einen Zeitraum von zehn Monaten fast 400 Unfälle mit Fahrzeugen gemeldet hatten, die mit teilautomatisierten Fahrerassistenzsystemen ausgestattet sind. Die Autohersteller meldeten die Unfälle vom Juli letzten Jahres bis zum 15. Mai auf Anweisung der US-Behörde, die solche Unfälle zum ersten Mal umfassend prüft.
"Wenn wir mehr Daten sammeln, wird die NHTSA in der Lage sein, aufkommende Risiken oder Trends besser zu erkennen und mehr darüber zu erfahren, wie sich diese Technologien in der Praxis bewähren", sagte Steven Cliff, der Leiter der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA).
Mehr als 270 Unfälle ereigneten sich allein bei Tesla, während die Fahrzeuge mit Autopilot, "Full Self-Driving", Traffic Aware Cruise Control oder anderen Fahrerassistenzsystemen fuhren, die eine gewisse Kontrolle auf Geschwindigkeit und Lenkung ausüben. Das Unternehmen hat etwa 830.000 Fahrzeuge mit diesen Systemen auf der Straße.
Von einem Dutzend an Autoherstellern, die Unfälle meldeten, war Honda mit 90 am nächsten dran. Honda hat nach eigenen Angaben etwa sechs Millionen Fahrzeuge mit solchen Systemen auf den Straßen der USA. Subaru folgte mit zehn, alle anderen Hersteller meldeten fünf oder weniger.
In einer Anordnung vom Juni 2021 forderte die NHTSA mehr als 100 Automobilhersteller und Hersteller von automatisierten Fahrzeugtechnologien auf, schwere Unfälle innerhalb eines Tages nach Bekanntwerden zu melden und weniger schwere Unfälle bis zum 15. des Folgemonats zu melden. Die Behörde prüft, wie die Systeme funktionieren und ob möglicherweise neue Vorschriften erforderlich sind.
Bei den Unfällen mit Fahrerassistenzsystemen kamen sechs Menschen ums Leben, fünf wurden schwer verletzt. Von den Todesfällen ereigneten sich fünf in Tesla-Fahrzeugen, einer wurde von Ford gemeldet. Drei der Schwerverletzten waren in Tesla-Modellen unterwegs, während Honda und Ford jeweils einen derartigen Unfall meldeten.
Laut der NHTSA können die Zahlen nicht zum Vergleich der Autohersteller herangezogen werden, da sie nicht nach der Anzahl der Fahrzeuge jedes Herstellers gewichtet wurden, die die Systeme verwenden, oder nach der Summe der von diesen Fahrzeugen zurückgelegten Meilen.
Tesla setzt demnach Telematiksysteme zur Überwachung seiner Fahrzeuge ein und erhält Unfallberichte in Echtzeit. Andere Autohersteller haben diese Möglichkeit nicht, sodass ihre Berichte langsamer eintreffen oder Unfälle womöglich gar nicht gemeldet werden, so die NHTSA.
Die Unfälle von Tesla machten fast 70 Prozent der 392 Unfälle aus, die von einem Dutzend Autoherstellern gemeldet wurden. Obwohl der Autohersteller Tesla aus Austin in Texas mit einer Fabrik auch in Grünheide bei Berlin seine Systeme "Autopilot und Full Self-Driving" nennt, gibt Tesla an, dass die Fahrzeuge nicht selbst fahren können und die Fahrer jederzeit bereit sein müssen einzugreifen.
Senator Edward Markey aus Massachusetts ist jedoch der Ansicht, dass die Daten der NHTSA nicht der einzige Beweis dafür seien, dass Tesla die Vorschriften ignoriert und die Öffentlichkeit in Gefahr bringt. Auch wenn die Erhebung der NHTSA begrenzt sei, gebe es "eine nicht enden wollende Parade von Berichten" über Teslas mit automatisierten Systemen, die Stoppschilder überfahren oder ohne Grund bremsen, so der Abgeordnete.
"Wie die heutigen Daten zeigen, hat diese Missachtung der Gesetze zur Fahrzeugsicherheit Konsequenzen in der realen Welt", sagte Markey, während er die NHTSA aufforderte, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Befürworter von Autosicherheit meinen, dass fahrerunterstützende und selbst fahrende Systeme das Potenzial haben, Leben zu retten – aber erst, wenn die NHTSA Mindestleistungsstandards festlegt und Sicherheitsverbesserungen zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer fordert.
"Es ist klar, dass die US-Verkehrsteilnehmer unwissentlich an den Betatests der automatisierten Fahrtechnologie teilnehmen", sagte Cathy Chase, Präsidentin von Advocates for Highway and Auto Safety.
Von den Unternehmen, die vollständig autonome Fahrzeuge betreiben, wurden insgesamt 130 Unfälle gemeldet. Dabei führte das Google-Spin-off Waymo mit 62 Unfällen, gefolgt von Transdev Alternative Services mit 34 und der von General Motors kontrollierten Cruise LLC mit 23.
Bei 108 der Unfälle mit vollautonomen Fahrzeugen wurden keine Verletzten gemeldet, es gab einen Schwerverletzten. Bei den meisten Zusammenstößen wurden die Fahrzeuge von hinten angefahren.
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