Eine Zusammenstellung von Maria Müller
Das 9. Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ging am Samstag zu Ende. Lateinamerika forderte mehrheitlich eine demokratischere US-Außenpolitik und eine neue OAS. Zwanzig Staaten unterzeichneten einen Vertrag über die Kontrolle und soziale Integration der Migrantenströme.
Der Generalsekretär Luis Almagro muss gehen – und zwar sofort!
Dieser Aufruf wurde von Alberto Fernández, dem Präsidenten Argentiniens und Vorsitzenden des Staatenbundes CELAC in aller Schärfe zum Ausdruck gebracht. Er repräsentiert den politischen Willen von 33 Ländern Lateinamerikas und der Karibik mit insgesamt 600 Millionen Einwohnern – fast doppelt so viel wie die USA und Kanada zusammen.
Der argentinische Präsident betonte, dass die OAS in der Region als Gendarm eingesetzt worden sei. Er erinnerte besonders an die Rolle des Generalsekretärs Luis Almagro in Venezuela, an dessen direkte persönliche Einmischung, um das Land zu destabilisieren und schließlich durch Sanktionen zu ruinieren. Fernández nannte auch den Staatsstreich 2019 in Bolivien, mit dem die OAS den Wahlsieg von Evo Morales verhindert hatte.
Der bolivianische Außenminister Rogelio Mayta beklagte ebenfalls den Putsch mit Unterstützung der OAS:
"Es gibt keine Transparenz in der OAS von (Luis) Almagro. Bolivien wartet immer noch auf eine ehrliche und unparteiische Untersuchung dessen, was passiert ist."
Trotz zehnmaliger Aufforderung habe die OAS die Vorgänge nicht geklärt. "Wir haben keine Antwort erhalten", so Mayta.
Projekt einer Neugründung der OAS
Der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard stellte den formalen Antrag für eine internationale Arbeitsgruppe:
"Sie wird das Projekt einer Neugründung der OAS vorbereiten."
Und er erklärte weiterhin:
"Es müssen neue Regeln im politischen Umgang zwischen den Staaten der Region entwickelt werden. Dazu gehören die Prinzipien der Nichteinmischung und des gegenseitigen Nutzens."
Analog dazu müsse die neue OAS nach diesen Leitlinien handeln.
Schluss mit den Sanktionen gegen Kuba und Venezuela – eine vehement vorgetragene Forderung
Zahlreiche Redner, so auch der Premierminister des Karibikstaates Dominica, Roosevelt Skerrit, forderten das Ende der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, welche die USA schon seit 60 Jahren Kuba aufbürden. Darüber hinaus sprach sich Skerrit dafür aus, Kuba von der Liste der Länder zu streichen, die den Terrorismus unterstützen. Er kommentierte:
"Der erste Punkt ist, Kuba von der Liste der Länder zu streichen, die den Terrorismus fördern. Kuba auf diese Liste zu setzen, ist lächerlich, aber es ist zu ernst, um darüber zu lachen."
Bidens Diskriminierungsversuche
Gastgeber Joe Biden musste einen bedeutenden politischen Preis für den Ausschluss Kubas, Venezuelas und Nicaraguas von dem Gipfeltreffen bezahlen. Von den 34 Unterzeichnerstaaten der OAS-Plattform im Jahre 1948 nahmen diesmal nur zehn Präsidenten teil (Panama, Paraguay, Peru, Surinam, Trinidad und Tobago, Brasilien, Ecuador, Uruguay, Chile und Argentinien). Andere Länder entsandten stattdessen demonstrativ "nur" ihre Außenminister.
Joe Biden musste sich in den meisten Reden Kritik anhören. Der Außenminister Boliviens, Mayta, erinnerte beispielsweise an die Gründungscharta der OAS:
"Das grundlegende Postulat der Charta der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) besagt, dass jede Nation das Recht hat, ohne äußere Einmischung ihr politisches, wirtschaftliches und soziales System zu wählen und sich so zu organisieren, wie es am besten zu ihr passt."
Die Erklärung von Los Angeles: Kontrolle und Schutz der Migranten
Am letzten Tag der Veranstaltung unterzeichneten 20 Staaten die von Joe Biden präsentierte "Erklärung von Los Angeles zur Kontrolle und zum Schutz der Migranten".
Diese Vereinbarung zielt auf eine verbesserte Verwaltung der Migrationsströme quer durch Mittelamerika und Mexiko bis zur Grenze der Vereinigten Staaten ab. Dazu gehört die systematische Erfassung der Migranten in überregionalen Datenbanken, wofür eine Zusammenarbeit in Süd- und Mittelamerika notwendig ist.
Migrantenausweise für einen legalen Status
Gleichzeitig erhalten die Migranten dann Ausweise, die ihnen einen legalen Status verleihen. In den Grenzregionen zwischen Mexiko und den USA werden nun auch Personalkarten für Grenzgänger erstellt. Migranten sollen Berechtigungskarten für die Saisonarbeit und Erntehilfe vor allem in der US-Landwirtschaft erhalten.
Die Biden-Regierung will die großen US-amerikanischen Landwirtschaftskonzerne mit 65 Millionen Dollar subventionieren, damit sie den bisher rechtlosen Hilfstruppen aus dem Süden reguläre Lohn- und Arbeitsrechte zugestehen. Die Maßnahmen sollen vor allem die US-Nahrungsmittelwirtschaft stützen, die ohne die Tausenden von billigen Saisonarbeitern nicht existieren kann.
Biden will dafür außerdem weitere 300 Millionen aus Krediten der amerikanischen Entwicklungsbank BID im Rahmen eines Projekts für die Ernährungssicherheit der USA beziehen.
Rücktransport und Wiedereingliederungshilfen
Andererseits ermöglicht die digitale Erfassung der Migranten, Menschen zurück in ein Herkunftsland zu deportieren, wenn sie "keine Migrationsberechtigung" besitzen, also weder Arbeitsausweise haben, noch ein Anrecht auf Familienzusammenführung vorweisen oder politische Verfolgung mit Asylrecht angeben können. Sie sollen in das jeweilige Ursprungsland verbracht und vermittels sozialer Wiedereingliederungsprogramme dort erneut integriert werden. Die betreffenden Staaten längs der Migrationsrouten würden entsprechende soziale Projekte mit Finanzierungshilfen erhalten.
Kampfansage an den Menschenhandel
Mit der digitalisierten Kontrolle will man nun auch den Menschenraub und Menschenhandel unterbinden, der die Migrantenströme verfolgt. Auch eine überregionale Zusammenarbeit spezialisierter Polizeieinheiten soll diese Mafiastrukturen bekämpfen. In seiner Abschlussrede sagte Joe Biden diesbezüglich:
"Keine Nation soll diese Verantwortung für sich alleine tragen. Illegale Migration ist nicht akzeptabel und wir werden unsere Grenzen sichern."
Der US-Präsident war zuvor auf dem Gipfel heftig wegen der automatischen Abschiebung der meisten irregulären Migranten kritisiert worden.
Finanzierungspläne Washingtons
Joe Biden führte auf dem Gipfeltreffen Gespräche mit Unternehmerverbänden und Großkonzernen, um finanzielle Unterstützung zu mobilisieren und vor allem Investitionsinteressen für Mittelamerika zu wecken.
Einen Tag vor dem OAS-Treffen gab Vizepräsidentin Kamala Harris Zusagen von privaten Unternehmen in Höhe von 1,9 Milliarden US-Dollar an Investitionen für die nächsten Jahre bekannt.
Die US-Regierung versprach, Projektbeiträge in Höhe von rund 25 Millionen Dollar einzusetzen.
Mexiko fordert Entwicklungsplan von vier Milliarden
Der mexikanische Präsident Manuel López Obrador hat im Vorfeld des OAS-Gipfels mehrfach betont, dass Zentralamerika mindestens 4 Milliarden Dollar benötige, um eine dauerhaft stabile und arbeitsintensive Wirtschaft aufzubauen. Den Betrag habe Mexiko bereits seit der Amtszeit Obamas vergeblich angefordert, trotz mehrfacher Zusagen der USA.
Im Mai dieses Jahres beklagte López Obrador, dass der US-Kongress 30 Milliarden Dollar für die militärische Aufrüstung der Ukraine bewilligt habe, jedoch kein Geld für ein gemeinsames Entwicklungsprojekt in El Salvador, Guatemala und Honduras. Mit dem Aufbau von Industrieanlagen sollten die Migranten vor Ort durch das Arbeitsplatzangebot motiviert werden, nicht weiterzuwandern.
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