Der von Elon Musk ursprünglich für zivile Zwecke entwickelte Satelliten-Internetdienst Starlink entwickelt sich zunehmend zu einer militärischen Waffe. So wird die schnelle Übertragungsrate des Systems vom ukrainischen Militär nicht nur mehr zur Kommunikation, sondern auch für die Steuerung sowie für die Zielbestimmung der dort eingesetzten tödlichen Drohnen genutzt.
Die in der Ukraine bisher vielfältig unter Beweis gestellten Einsatzmöglichkeiten des Satelliten-Systems begeistern auch die Bundeswehr. Diese überlegt, das Weltraum-Internet unter anderem für die Betreuungskommunikation der Soldaten in Einsatzgebieten zu nutzen. China wiederum sieht in Starlink mitunter auch deshalb eine zunehmende Bedrohung für seine innere Sicherheit und arbeitet bereits an Gegenmaßnahmen.
Insbesondere der letzte Punkt zeigt, wie tief sich SpaceX-Chef Musk mit seinem Satelliten-Internetdienst in geopolitische Konflikte verstrickt hat und dadurch sogar neue auslösen könnte. Doch was macht Starlink so besonders, dass nunmehr auch das Militär wachsendes Interesse an den Diensten des Start-ups zeigt? Die Antwort ist einfach: Die Starlink-Satellitenterminals ermöglichen unbegrenzte sowie ungedrosselte Datenverbindungen von jedem Ort in der Welt aus. Dabei ist Highspeed-Internet nicht nur für die militärische Kommunikation in Krisengebieten von Nutzen – es wird zunehmend auch für den erfolgreichen Einsatz neuester Waffensysteme wie etwa Drohnen, Roboter oder Hyperschall-Raketen benötigt.
Grundlage für Musks Satelliten-Internet ist ein derzeit noch wachsendes Netz aus Satelliten, das eine sichere, schnelle und vor allem nahezu störungsfreie Datenverbindung zur Erde garantiert. Bis Ende 2021 schickte SpaceX für das Projekt bereits rund 1.800 Satelliten ins All. Insgesamt 12.000 Satelliten sollen dann später in einem erdnahen Orbit für eine schnelle Internetverbindung sorgen.
Die Starlink-Satelliten sollten ursprünglich unterversorgte Regionen fernab der Städte mit Internet versorgen. Dabei dachte Musk auch an freie Informationen für Menschen in zensierten Autokratien. Doch an einen Einsatz in Kriegsgebieten wie dem in der Ukraine dachte bei Einführung des Systems noch niemand.
Starlink und die Drohnen
Entgegen der geläufigen Meinung wird das von Musk bereitgestellte Satelliten-Internet weniger zur Kommunikation, sondern stattdessen vielmehr zur Steuerung von Drohnen verwendet. Unter anderem wird das Starlink-System von der ukrainischen Armee für Drohnenangriffe auf russische Panzer und Stellungen eingesetzt, wie die britische Zeitung The Times berichtete.
Demnach sei Starlink vor allem in Gebieten von militärischer Bedeutung, in denen die Infrastruktur schwach ist und es keine Internetverbindung gibt. Dem Bericht zufolge nutzt die private ukrainische Luftaufklärungseinheit Aeroroswidka das Satelliten-Internet von Elon Musk, um unbemannte Flugzeuge (Drohnen) nicht nur zu überwachen, sondern auch, um sie zu koordinieren. Dies ermöglicht, dass die ukrainischen Streitkräfte gezielt Panzerabwehrwaffen gegen russische Ziele abfeuern können.
"Wir verwenden Starlink-Ausrüstung und verbinden das Drohnenteam mit unserem Artillerieteam", sagte ein Offizier der Aeroroswidka-Einheit der Times. "Wenn wir nachts eine Drohne mit Wärmesichtgerät einsetzen, muss die Drohne über Starlink mit dem Artillerie-Team verbunden werden und eine Zielerfassung durchführen." Laut dem Times-Bericht werden durch das Aeroroswidka-Team so täglich etwa 300 Einsätze zur Informationsbeschaffung durchgeführt. Die Angriffe auf russische Streitkräfte finden der Zeitung zufolge überwiegend nachts statt, da die Drohnen, von denen einige mit Wärmebildkameras ausgestattet sind, in der Dunkelheit kaum zu sehen sind.
Starlink zur militärischen Kommunikation
Wie das IT-Magazin Golem berichtet, soll Starlink künftig nun auch von der Bundeswehr genutzt werden. Der Test von Starlink erfolge demnach im Rahmen einer Erprobung von Alternativen für die Satellitenkommunikation von Soldaten, die in Krisengebieten stationiert sind. Das "Innovationsvorhaben" finde unter der Leitung des Cyber Innovation Hub (CIHBw), einer Innovationsdenkfabrik der Bundeswehr, statt, erklärte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums auf Anfrage von Golem.
Weiter sagte er, dass "Starlink oder vergleichbare Systeme (...) besonders für Gebiete und Orte ohne bestehende Mobilfunk- oder Landline-Anbindung interessante Ansätze und die Möglichkeit für einen innovativen Fortschritt" bieten würden. Allerdings gehe es bei dem nun erfolgenden Test noch nicht darum, "bestehende kritische Infrastruktur zu ersetzen", so der Sprecher.
Das Starlink-System wird laut Angaben des Verteidigungsministeriums im Rahmen des Tests vorerst allerdings lediglich für die Betreuungskommunikation der Soldaten im Einsatzgebiet genutzt. "Bisher ist hierfür der Einsatz angemieteter (militärischer) Satellitenkommunikation erforderlich, die teuer und komplex ist", sagte der Sprecher weiter. In den Versuch will die Bundeswehr demnach auch derzeit im Ausland stationierte Soldaten einbeziehen.
Wie bereits zuvor schon in der Ukraine, gehen auch die Starlink-Bestrebungen der Bundeswehr lediglich auf eine Twitter-Anfrage des CIHBw-Leiters Sven Weizenegger an Elon Musk zurück. Parlamentarische Debatten über einen möglichen Einsatz von Musks Satelliten-Internetsystem gab es auch hierzu vorab keine. In dem am 19. Mai veröffentlichten Ersuchen an Musk heißt es:
"Hey Elon Musk, Deutschland hier. Lassen Sie uns Starlink für die deutschen Streitkräfte ausprobieren. Ich warte auf Ihren Anruf. Lassen Sie uns das umsetzen."
Ob Weizenegger und Musk bereits in Kontakt stehen, ist allerdings nicht bekannt.
China sieht in Starlink verlängerten Arm der US-Streitkräfte
Im Gegensatz zu Deutschland ist China der Dienst zunehmend ein Dorn im Auge. Das wird erkennbar in einer Studie von Forschern des Pekinger Instituts für Ortung und Telekommunikation, das der sogenannten "Strategischen Unterstützungseinheit" der chinesischen Streitkräfte untersteht. Diese Studie war kürzlich im chinesischen Journal für moderne Verteidigungstechnologie veröffentlicht worden. Nachdem die chinesische Zeitung South China Morning Post über die Arbeit berichtet hatte, verschwand die Studie allerdings aus der Online-Datenbank des Journals. Eine übersetzte Kopie ist jedoch auf der Webseite des ehemaligen US-Diplomaten David Cowhig weiterhin einsehbar.
Die Wissenschaftler plädierten in der Studie mit Blick auf den Einsatz von Starlink in der Ukraine dafür, dass China stärker an Strategien für einen zukünftig möglichen Krieg im All arbeiten und zudem mehrere Möglichkeiten entwickeln müsse, um gegen Starlink vorzugehen zu können, sollte sich dieses System zu einem Problem für die nationale Sicherheit entwickeln. Laut den Forschern benötigt China ein Überwachungssystem mit bisher nicht erreichter Genauigkeit, das in der Lage ist, jeden einzelnen der Satelliten von Musk nachzuverfolgen. Außerdem müsse das asiatische Land Wege finden, die Signale jedes Satelliten abfangen zu können, um potenzielle Bedrohungen zu identifizieren, heißt es in der Studie.
Dazu brauche es auch neue Methoden, die es China ermöglichen, die Satelliten gegebenenfalls zu zerstören. Peking verfüge nach Aussage der Forscher zwar über Raketen, mit denen es möglich sei, solche Flugkörper in der Erdumlaufbahn zu zerstören. Diese Mittel gegen die Vielzahl relativ günstig herstellbarer Starlink-Satelliten einzusetzen, sei allerdings zu teuer und würde zudem eine zu große Menge an Trümmern in der Umlaufbahn erzeugen, die dann eine Gefahr im Erdorbit darstellten.
Ihre Aufrüstungsforderungen begründen die Forscher damit, dass das US-Militär durch Nutzung der Starlink-Verbindung künftig dazu in der Lage sei, die Datenübertragungsgeschwindigkeit ihrer Militärdrohnen und Kampfjets um mehr als das Hundertfache zu erhöhen. Zudem entwickele SpaceX für das US-Militär auf der Grundlage der Starlink-Plattform neue Technologien, darunter empfindliche Instrumente, die Hyperschall-Waffen aufspüren und verfolgen können. Auch die Ionentriebwerke der Satelliten des Systems könnten demnach gefährlich werden. Diese Triebwerke könnte das US-Militär nach Meinung der Forscher nämlich zudem dazu nutzen, um offensiv gegen hochwertige feindliche Ziele im Erdorbit vorzugehen.
China verfügt nach eigenen Angaben bereits heute über ein lasergestütztes System, das von der Erde aus Satelliten mit hoher Genauigkeit orten kann. Zudem arbeitet das Land derzeit an Mikrowellen-Waffen, die ebenfalls dazu imstande sind, Satelliten zu beeinträchtigen oder gar zu zerstören.
Der Einsatz in der Ukraine hat die Skepsis Chinas gegenüber Starlink zwar deutlich erhöht, allerdings sorgt diese Unternehmung von Elon Musk auch aus anderen Gründen bereits seit geraumer Zeit für Verärgerung in der chinesischen Regierung. Im vergangenen Jahr musste zweimal eine Kursänderung für das Kernmodul Tianhe der neuen chinesischen Raumstation ausgelöst werden, um eine Kollision mit einem von Musks Starlink-Satelliten zu verhindern.
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