New York Times: USA wollen Erfahrungen aus Ukraine-Krieg in Taiwan nutzen

Die USA haben sich bereit erklärt, Taiwan im Fall eines bewaffneten Konflikts mit China militärisch beizustehen. Laut einem Bericht der US-Zeitung New York Times könnte sich Washington dabei auf die Lehren stützen, die es zurzeit aus der Militärhilfe für die Ukraine zieht.

Zurzeit versuchen die USA, Taiwans Verteidigungssysteme im Lichte ihrer Erfahrungen aus der Militärhilfe für die Ukraine umzugestalten, die derzeit in einen Konflikt mit Russland verwickelt ist, berichtete die New York Times am Dienstag unter Berufung auf ungenannte US-Beamte. Demnach zielt Washingtons neue Strategie darauf ab, Taiwan mit asymmetrischen Verteidigungsfähigkeiten auszustatten, die es ermöglichen würden, sich gegen eine weitaus mächtigere Macht zu wehren.

Die jüngsten Waffenkäufe, die Taiwan von den USA getätigt hat, sollen laut der Zeitung diesen veränderten Ansatz widerspiegeln. Dazu gehören mobile Raketenplattformen, F-16-Kampfjets und Anti-Schiffs-Raketen, die "besser für die Abwehr einer Invasionsmacht geeignet sind". Gleichzeitig soll Washington Taipeh vom Kauf von Hubschraubern Seahawk MH-60R und Kampfpanzern M1A2 Abrams abgeraten haben.

Die New York Times fragte bei Analysten nach, woraus künftige Käufe bestehen könnten. Laut der Schätzung von James Stavridis, einem pensionierten Vier-Sterne-Admiral und ehemaligen Dekan der Fletcher School of Law and Diplomacy an der Tufts University in Massachusetts, wären darunter wahrscheinlich "kluge" Minen, Anti-Schiffs-Marschflugkörper, Cybersicherheit-Fähigkeiten und Spezialkräfte, die chinesische Voraustrupps neutralisieren können, sowie Luftabwehrsysteme zu finden.

US-Beamte betrachten auch mobile landgestützte Harpoon-Schiffsabwehrraketen und Stinger-Luftabwehrraketen als entscheidend für die Verteidigung des Inselstaates. Dem Papier zufolge könnten die USA auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse mit dem taiwanesischen Militär austauschen, um im Falle eines Konflikts effektiver agieren zu können, wie es derzeit in der Ukraine der Fall ist. Die NYT schreibt:

"Das Ziel ist es, Taiwan in das zu verwandeln, was einige Beamte als 'Stachelschwein' bezeichnen – ein Territorium, das mit Waffen und anderen Formen der US-geführten Unterstützung vollgestopft ist und zu schmerzhaft für einen Angriff erscheint."

Die Rüstungsimporte aus den USA haben in den letzten zehn Jahren drastisch zugenommen, so die Zeitung. Seit 2010 haben die USA laut einem Pentagon-Bericht aus dem Jahr 2021 Waffenverkäufe im Wert von über 23 Milliarden US-Dollar an den Inselstaat angekündigt. Im Jahr 2020 genehmigten die USA Waffengeschäfte mit Taiwan im Gesamtwert von mehr als fünf Milliarden US-Dollar. Die Verkäufe umfassten moderne Drohnen, Langstreckenraketen und Artillerie sowie Schiffsabwehrraketen.

Angesichts der russischen Militäroperation in der Ukraine erwägt Washington laut Berichten auch Wirtschaftssanktionen, die es gegen Peking verhängen könnte, falls es Taiwan angreift. Der NYT zufolge erörtern US-Beamte, ob sie diese Maßnahmen wiederholen könnten.

Washington hüte sich jedoch davor, mit seiner Unterstützung zu weit zu gehen, so Beamte und Analysten gegenüber der NYT. Bonnie Glaser, die Leiterin des Asien-Programms der US-Stiftung German Marshall Fund, sagte der Zeitung:

"Sind wir uns darüber im Klaren, was China abschreckt und was China provoziert? Die Antwort darauf ist 'nein', und das ist ein gefährliches Terrain."

Bereits die Regierung des früheren Präsidenten Donald Trump soll laut dem Beitrag die Stationierung von US-Truppen in Taiwan erwogen haben, während das Weiße Haus und das Pentagon vorgeschlagen hätten, eine hochrangige Militärdelegation auf die Insel zu schicken. Beide Ideen seien jedoch fallen gelassen worden, weil sie als zu provokativ angesehen worden seien.

Am Montag hat Präsident Joe Biden vor Journalisten erklärt, dass die Vereinigten Staaten im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch zur Verteidigung Taiwans mobilisieren würden. Die Frage, ob die USA die Insel mit militärischen Mitteln unterstützen würden, bejahte der Präsident und fügte hinzu, dass Washington eine Verpflichtung habe.

Die Erklärung stieß auf Entsetzen Pekings, das die USA aufforderte, die Entschlossenheit des chinesischen Volkes in Bezug auf Souveränität und territoriale Integrität nicht zu unterschätzen. Das Weiße Haus bemühte sich daraufhin umgehend, Bidens Erklärung abzuschwächen, indem es erklärte, die Taiwan-Politik habe sich nicht geändert, und Washington werde Taiwan weiterhin mit den Waffen beliefern, die es zur Stärkung seiner Verteidigung benötige.

Taiwan hat China wiederholt vorgeworfen, seine Verteidigungszonen mit Flugzeugen und Kriegsschiffen zu verletzen. Peking, das Taiwan als integralen Bestandteil seines Territoriums betrachtet, hat regelmäßig seine militärischen Muskeln in der Nähe der Insel spielen lassen, sie mit großen Flugzeugen überflogen und Militärschiffe entsandt.

Taiwan ist seit 1949 selbst verwaltet, als die Reste der nationalistischen Regierung nach ihrer Niederlage im Bürgerkrieg aus dem Festland geflohen waren, hat aber nie offiziell die Unabhängigkeit von China erklärt. Die USA unterhalten keine formellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, pflegen aber eine enge militärische Zusammenarbeit mit der Insel ein Thema, das den Beziehungen zwischen den USA und China seit langem ein Dorn im Auge ist.

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