Die Ukraine hat offenbar ihre Kriegsziele neu formuliert. Sie wolle nun versuchen, die russischen Streitkräfte aus dem Land zu drängen, "solange die westlichen Verbündeten versprochene schwere Waffen an Kiew liefern", sagte Außenminister Dmytro Kuleba am Mittwoch.
Nachdem Moskaus Offensive in der östlichen Donbass-Region angeblich ins Stocken geraten zu sein schien, sagte Dmytro Kuleba gegenüber der britischen Zeitung Financial Times, das "Bild des Sieges" habe sich auf eine vollständige Befreiung der Gebiete von der "russischen Besatzung" ausgeweitet.
Der britische Verteidigungsminister, Ben Wallace, hielt kürzlich einen Sieg der Ukraine gegen Russland für "sehr wahrscheinlich". Bei einer Rede im National Army Museum in London forderte er den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, sich mit der Tatsache abzufinden, dass Russland langfristig "verloren" habe.
Während Kuleba auf die Linie der britischen Regierung einschwenkte, sagte er gegenüber Financial Times, "wenn wir nun an der militärischen Front stark genug bleiben und den Kampf um den Donbass gewinnen, der für die weitere Dynamik des Krieges entscheidend ist, wird der Sieg für uns in diesem Krieg natürlich die Befreiung aller besetzten Landesteile sein."
Kuleba sagte zudem, nur die "Niederlage Russlands" würde es der Ukraine ermöglichen, ihre Schwarzmeerhäfen wieder zu öffnen und ihre Exportwirtschaft wiederzubeleben. "Wenn Kiew noch mehr militärische Unterstützung erhält, können wir die Russen aus der Region Cherson (in der Südukraine) zurückwerfen", um die Schwarzmeerflotte zu besiegen und die Schifffahrtsstraße wieder freizugeben. Er räumte jedoch auch ein, dass das Blutvergießen zu groß sein könnte und die Ukraine letztendlich möglicherweise eine Einigung aushandeln müsste.
Die Linie der britischen und der US-Regierung stößt nicht überall in Europa auf Zustimmung. Kanzler Olaf Scholz sagte mit einer sehr viel vorsichtigeren Wortwahl mehrfach, dass Russland diesen "Angriffskrieg" gegen die Ukraine nicht gewinnen dürfe. Scholz unterscheidet sich damit auch erheblich von der Aussage des britischen Premierministers Boris Johnson, der von einem "Sieg" der Ukraine gesprochen hat.
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