In einem Interview mit dem US-amerikanischen Nachrichtenmagazin Time sagte der ehemalige brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, dass der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij "genauso verantwortlich" für den Konflikt in seinem Land sei wie dessen russischer Amtskollege Wladimir Putin. Das Interview mit Lula erschien am Mittwoch.
Der Favorit für die kommenden Präsidentschaftswahlen in Brasilien im Oktober sagte in dem Interview:
"Ich sehe, wie dem ukrainischen Präsidenten von allen Parlamenten [der Welt] stehend applaudiert wird. Aber dieser Mann ist genauso verantwortlich wie Putin. Ein Krieg hat nie einen einzigen Schuldigen."
Und der Politiker fügte hinzu:
"Er wollte den Krieg. Wenn er ihn nicht gewollt hätte, hätte er ein bisschen mehr verhandelt."
Lula bezeichnete Selenskijs Verhalten als "seltsam":
"Es ist, als ob er Teil einer Show ist. Er ist morgens, mittags und abends im Fernsehen, im englischen, französischen und deutschen Parlament, als ob er im Wahlkampf wäre. Er sollte sich mehr um den Verhandlungstisch kümmern."
Zudem warf er dem Westen vor, "Hass gegen Putin zu schüren". Weiter sagte Lula:
"Wenn man Selenskij stimuliert, denkt er selbst, dass er der Beste ist. Eigentlich hätte man ihm ernsthaft sagen sollen: 'Junge, du bist ein guter Komiker, aber wir werden keinen Krieg führen, damit du auftreten kannst.' Und zu Putin sagen: 'Du hast eine Menge Waffen, aber du musst sie nicht gegen die Ukraine einsetzen. Lass uns reden!'"
Der 76-jährige Lula, der von Anfang 2003 bis Ende 2010 zwei Amtszeiten lang Präsident Brasiliens war, kritisierte zudem US-Präsident Joe Biden, der seiner Meinung nach "nicht die richtige Entscheidung" in Bezug auf den Ukraine-Konflikt getroffen hatte. Lula sagte:
"Die USA haben ein sehr großes Gewicht und hätten den Konflikt verhindern können (...). Biden hätte sich mehr beteiligen können, er hätte nach Moskau fliegen und mit Putin sprechen können. Das ist die Art von Haltung, die man von einem Führer erwartet."
Auch die Vereinten Nationen bekamen von Lula ihr Fett weg:
"Es ist dringend notwendig, eine neue Weltordnungspolitik zu schaffen. Die UNO steht für nichts mehr, sie wird von den Staatsführern nicht mehr ernst genommen. Putin ist einseitig in die Ukraine einmarschiert, ohne die Vereinten Nationen zu konsultieren."
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine nimmt die brasilianische Linke eine zwiespältige Haltung ein, indem sie einerseits den russischen Angriff verurteilt, andererseits aber die NATO dafür mitverantwortlich macht. In jüngsten Umfragen liegt Lula vor dem amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro, der sich bei der Wahl im Oktober eine weitere Amtszeit sichern will. Die Zustimmung für den Amtsinhaber war im Laufe der Corona-Krise immer weiter gesunken. Zuletzt holte er allerdings wieder etwas auf.
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