Sein Land sei kein "russisches U-Boot" und "keine Marionette", sondern ein "souveräner unabhängiger Staat, der auf seinem EU-Pfad ist", erklärte der serbische Präsident Aleksandar Vučić in einem Interview mit dem Handelsblatt. Der 52-Jährige war zu Besuch in Deutschland und kam unter anderem mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen. Schon seit Wochen muss sich Serbien Kritik anhören, keine Sanktionen gegen Moskau im Zuge der russischen Militäroperation in der Ukraine verhängt zu haben.
Wie schon mehrmals in den vergangenen Tagen, wiederholte Vučić auch in diesem Interview, dass Belgrad "nicht an die Politik von Sanktionen" glaube. Schließlich sei man selbst "jahrzehntelang Opfer von Sanktionen" gewesen. Den Angriff auf die Ukraine betrachte Serbien aber als einen "Bruch des Völkerrechts". Vučić fügte hinzu:
"Vergessen Sie nicht: Wir wurden 1999 von der NATO völkerrechtswidrig und ohne UN-Mandat angegriffen und haben sehr gelitten. Serbien hat sich auch deshalb den beiden UN-Resolutionen angeschlossen und den Krieg in der Ukraine verurteilt."
In den vergangenen Wochen war der Druck auf das Balkanland immer größer geworden. Vor allem aus Washington und Brüssel hieß es, wenn Serbien zur EU gehören wolle, müsse es seine Außenpolitik auch jener der EU angleichen. Das würde auch heißen, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Doch Belgrad hat dies bislang nicht getan – aus "unseren eigenen Interessen", wie es Vučić mehrmals betont hatte. Gegenüber dem Handelsblatt erklärte er, dass man ja auch "noch nicht Teil der EU" sei – "leider".
In Serbien hatten auch prowestliche Politiker im Land, unterstützt durch Aussagen von Diplomaten westlicher Länder, von dem serbischen Präsidenten tagtäglich verlangt, jetzt, im Zuge des Ukraine-Krieges, die Schaukelpolitik zwischen Ost und West endlich zu beenden; gar einen sofortigen Bruch mit Moskau zu vollziehen.
In Berlin wurde Vučić dann nicht so ausdrücklich mit Fragen nach Russland-Sanktionen konfrontiert, sehr wohl aber mit einer anderen – der Kosovo-Frage. Denn der serbische Präsident war nicht alleine in Berlin. Der Premierminister der abtrünnigen serbischen Provinz, deren selbst ausgerufene Unabhängigkeit Serbien bislang nicht anerkennt, war ebenfalls in der deutschen Hauptstadt zu Gast. Albin Kurti und Vučić kamen dann auch mit dem EU-Sondergesandten für die Kosovo-Frage, Miroslav Lajčák, zusammen. Er soll den sogenannten Brüsseler Dialog zwischen Serbien und Kosovo vermitteln, der zu einer "Normalisierung" der Verhältnisse führen soll.
Deutschland erkennt die Unabhängigkeit Kosovos an, und Scholz hat dies gegenüber dem serbischen Präsidenten nochmals deutlich betont. Gegenüber serbischen Medien beschrieb Vučić die serbische Position diesbezüglich als "sehr schwierig".
Am Freitag will sich Vučić mit einer Grundsatzrede an das serbische Volk wenden. Ob der Präsident eine Neuausrichtung der Außenpolitik seines Landes verkündet, bleibt abzuwarten. Laut Umfragen sind mehr als 75 Prozent der Serben gegen Sanktionen gegen Russland. Zudem bezieht Serbien rund 90 Prozent seines Gases von Gazprom zu Vorzugspreisen. Im Falle von Strafmaßnahmen könnte das Land schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile erleiden.
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