Westliche Beamte haben weitgehend die Hoffnung verloren, dass das Atomabkommen mit Iran wiederbelebt werden kann, berichtete Reuters unter Berufung auf Quellen, die mit der Angelegenheit vertraut sind. Der Westen sei nun dabei abzuwägen, wie er das iranische Atomprogramm wieder einschränken kann, auch wenn Russlands Militäroperation in der Ukraine die Großmächte gespalten hat.
Obwohl westliche Beamte den Atomdeal 2015, nach dem Iran sein Nuklearprogramm im Gegenzug für die Aufhebung von Sanktionen zurückfahren muss, noch nicht vollständig aufgegeben hätten, "wächst die Überzeugung, dass er möglicherweise nicht mehr zu retten ist", hieß es bei Reuters.
Die Atomverhandlungen sind bereits festgefahren, nachdem Iran bei der angestrebten Einigung über einen möglichen neuen Atomdeal vom US-Präsidenten Biden gefordert hatte, die Entscheidung Donald Trumps rückgängig zu machen, wonach die Iranische Revolutionsgarde im Jahr 2019 als ausländische Terrororganisation eingestuft wurde. Die USA versuchten inzwischen, einen Kompromiss zu schließen, indem sie die Revolutionsgarde (IRGC) aus der schwarzen Liste entfernten, aber deren Eliteeinheit, nämlich die "Quds-Einheit", nach einer möglichen Wiederbelebung des Atomabkommens weiterhin als "terroristische Organisation" einstufen.
Die Quds-Einheit ist für exterritoriale Operationen der Iranischen Revolutionsgarde vorgesehen. Iran soll laut iranischen Medien nicht nur dieses Angebot der USA, sondern auch auch ein weiteres, wonach die Sanktionen im Gegenzug für einen Verzicht auf Rache für die Ermordung von General Soleimani aufgehoben werden, ablehnten. Iran bekräftigte, dass die Suche nach Rache für die Ermordung von Soleimani durch die USA ein "grundlegendes und definitives Prinzip" der Außenpolitik Irans sei. Laut Reuters hofft Washington jedoch weiterhin, dass Iran seine IRGC-Forderung fallen lässt.
Abgesehen von möglichen US-amerikanischen oder israelischen Militäraktionen zur Zerstörung iranischer Atomanlagen (sogenannter Plan B) bestehe der wichtigste Hebel, den die Großmächte zur Verfügung hätten, darin, die Ölexporte Irans zu drosseln, berichtete Reuters. China sei der Hauptabnehmer von "illegalem iranischem Öl", und Reuters kommentierte, es werde schwierig sein, es zu kürzen, wenn die Ölversorgung im Zuge des Ukraine-Krieges knapp bleibt.
Zugleich berichtete das Wall Street Journal (WSJ), Iran erhöhe seine Ölexporte inmitten der Ukraine-Krise und profitiere gar von einem Anstieg der Ölpreise, da sein Hauptabnehmer China seine Käufe von russischem Öl aufgrund des Krieges mit der Ukraine reduziere: "Die iranischen Ölexporte stiegen in den ersten drei Monaten des Jahres auf 870.000 Barrel pro Tag, was einem Anstieg von 30 Prozent gegenüber durchschnittlich 668.000 Barrel pro Tag im Gesamtjahr 2021 entspricht." Iran verkaufe nun laut WSJ mehr Öl an China, obwohl er höhere Preise verlange als Moskau, nachdem die Ölpreise nach der russischen Operation in der Ukraine angestiegen sind.
Mit anderen Worten sieht Iran sich nicht mehr motiviert, einen Atomdeal mit dem Westen anzustreben, da die Aufhebung der Sanktionen für Iran insofern von Bedeutung sei, wie die Islamische Republik in der Lage sein sollte, ihr Öl unter normalen Bedingungen zu verkaufen und ihr Geld zu erhalten.
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