Mysteriöse Lebererkrankungen bei Kindern – erster Fall in Deutschland

Der Ausbruch einer plötzlichen schweren Lebererkrankung bei fast 200 Kindern in mehreren Ländern stellt Gesundheitsbehörden bislang vor ein Rätsel. Die Krankheit wird als Hepatitis unbekannten Ursprungs bezeichnet. Auch hierzulande ist nun offenbar ein Kind betroffen.

Eine mysteriöse Lebererkrankung bei Kindern – eine Leberentzündung (Hepatitis) ohne klare Ursache –, die vor allem in Großbritannien gehäuft auftritt, wurde nun auch bei einem Kind in Deutschland festgestellt. Die Erkrankung des Kindes entspreche der Falldefinition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Erkrankungsbeginn liege bereits im Januar, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) in einer Publikation vom Dienstagabend.

Fälle wurden in mindestens einem Dutzend Ländern gemeldet, darunter Dänemark, Frankreich, Irland, Israel, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schottland, Spanien und den USA. In den Vereinigten Staaten waren Fälle in Alabama, Illinois und North Carolina aufgetreten. In einer landesweiten Gesundheitswarnung haben die US-Centers for Disease Control and Prevention (CDC), eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, letzte Woche bekannt gegeben, dass die ersten bekannten Fälle in den USA im Oktober in Alabama aufgetreten sind. Laut RKI-Bericht sind aus Großbritannien nun über 110 Fälle bekannt. Laut einem Bericht der AP vom Dienstag sind bisher insgesamt etwa 200 Kinder im Alter von einem Monat bis 16 Jahren betroffen.

Die Zahl der bisher bekannten Fälle in der EU halten die RKI-Experten für schwer einzuordnen. Zwar berichteten einzelne Länder über mehr betroffene Kinder als eigentlich zu erwarten, eine große Rolle könne aber auch die erhöhte Aufmerksamkeit spielen. Die Falldefinition sei auch noch wenig spezifisch. Womöglich könnte sich im Nachhinein zeigen, dass einige Fälle doch nicht Teil des Ausbruchs sind.

Die Behörden sind sich nicht sicher, was die Ursache der rätselhaften Lebererkrankung ist. Hepatitis wird in der Regel durch eines von mehreren ansteckenden Hepatitis-Viren – die Hepatisisviren A bis E – verursacht, die bei den betroffenen Kindern aber nicht gefunden wurden. Manchmal verläuft die Krankheit mild und erfordert keine spezielle Behandlung. Schwere Fälle erfordern jedoch einen Krankenhausaufenthalt und können zu Leberversagen führen. Wissenschaftler und Ärzte ziehen andere mögliche Ursachen als Hepatitis-Viren in Betracht.

"Leichte Hepatitis ist bei Kindern nach einer Reihe von Virusinfektionen sehr häufig, aber das, was im Moment beobachtet wird, ist ganz anders", sagte Graham Cooke, Professor für Infektionskrankheiten am Imperial College London. Einige der Kinder im Vereinigten Königreich mussten in Leberstationen behandelt werden, einige benötigten eine Lebertransplantation.

Die Leber verarbeitet Nährstoffe, filtert das Blut und bekämpft Infektionen. Die Erkrankungen verursachen Symptome wie Gelbsucht, Durchfall und Bauchschmerzen. Hepatitis kann lebensbedrohlich sein, wenn sie nicht behandelt wird. Bei den meisten Kindern wurden Adenoviren nachgewiesen. Diese häufig vorkommenden Viren seien für die britischen Experten die wahrscheinlichste Ursache, heißt es im RKI-Bericht.

Leberentzündungen seien jedoch "eine bekannte seltene Komplikation", die meist Immungeschwächte betrifft. Bei den Fällen in Großbritannien könnte demnach eine neue Variante zirkulieren, die das Krankheitsbild verursacht. Durch Pandemie-Effekte könnten gerade jüngere Kinder besonders empfänglich sein, hieß es.

Das RKI schreibt, von Fachgesellschaften und Kinderkliniken lägen keine weiteren Hinweise auf Fälle oder Häufungen in Deutschland vor. Ärzte werden um erhöhte Aufmerksamkeit bei unklaren Fällen von akuter Hepatitis oder Leberversagen bei Kindern unter 16 Jahren sowie um Meldung gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) gebeten. Fälle von akuter Hepatitis oder Leberversagen bei Kindern bis zum Alter von 16 Jahren sollten an das Gesundheitsamt gemeldet werden, bei denen eine Hepatitis A bis E ausgeschlossen wurde. Insgesamt sei noch ein paar Wochen Geduld notwendig, bis Ergebnisse verschiedener Untersuchungen vorliegen, teilte das Vorstandsmitglied der Deutschen Leberstiftung, Christoph Sarrazin, auf Anfrage mit. Wenn man mehr Klarheit habe, könne dies eventuell auch zu Empfehlungen führen.

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(dpa/ap/rt)