Großbritannien will Asylanträge zukünftig in Ruanda bearbeiten – Kritiker empört

London hat mit Ruanda ein Abkommen unterzeichnet, das vorsieht, die Asylanträge von illegal nach Großbritannien Einreisenden zukünftig im afrikanischen Staat zu bearbeiten. Es gibt jedoch auch Kritik an dem Vorhaben.

Großbritannien will Migranten für die Dauer der Bearbeitung ihres Asylantrags nach Ruanda schicken. Damit versucht die konservative Regierung nach eigenen Angaben, Wirtschaftsflüchtlinge von der gefährlichen und illegalen Überfahrt über den Ärmelkanal abzuschrecken und Schleusern das Handwerk zu legen. In der Meerenge zwischen Großbritannien und Frankreich soll die britische Marine gegen Menschenschmuggler vorgehen, wie Premierminister Boris Johnson am Donnerstag ankündigte. Dafür soll sie unter anderem mehrere neue Patrouillenboote erhalten.

Die britische Innenministerin Priti Patel unterzeichnete das Asylbewerberabkommen zusammen mit Ruandas Außenminister Vincent Biruta in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Im Rahmen des auf fünf Jahre angelegten Programms werden Migranten aus dem Vereinigten Königreich in Gemeinden in ganz Ruanda verteilt. Dort sollen sie nach ruandischem Recht vollen Schutz genießen, gleichen Zugang zu Beschäftigung haben und in das Gesundheits- und Sozialwesen aufgenommen werden, so die Vertreter beider Seiten.

Patel erklärte gegenüber Journalisten:

"Die Umsiedlung gilt für die illegale Einreise in das Vereinigte Königreich. Kriminelle Banden schleusen Menschen nach Europa ein, was zum Verlust von Menschenleben führt. Die Umsiedlung wird den Asylbewerbern helfen, sich wieder niederzulassen und ihr Leben neu aufzubauen. Die globalen Systeme haben bei der Bewältigung der Migrationskrise versagt."

Die Ministerin nannte das Abkommen die größte Reform des britischen Einwanderungssystems seit Jahrzehnten.

Aktivisten und Opposition zeigten sich empört über das aus ihrer Sicht "grausame und gemeine" Vorhaben. Kritiker werfen Johnson zudem vor, er wolle vor den wichtigen Kommunalwahlen in England von der "Partygate"-Affäre in der Downing Street ablenken.

Die Pläne "widersprechen dem Geist und Text der Genfer Flüchtlingskonvention", warnte das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR. Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung fliehen, sollten nicht wie Waren zur weiteren Bearbeitung ins Ausland geschickt werden, sagte UNHCR-Vertreterin Gillian Triggs. Großbritannien habe die Pflicht, solchen Menschen Zugang zu Asyl zu gewähren.

Migranten rund 6.500 Kilometer weit weg nach Ostafrika zu schicken, "wird sie kaum davon abhalten, ins Land zu kommen, sondern nur zu mehr menschlichem Leid und Chaos führen", sagte Enver Solomon vom Flüchtlingsrat Refugee Council. Er schätzt die Kosten für die Steuerzahler auf 1,4 Milliarden Pfund (1,7 Milliarden Euro) pro Jahr. Auch das britische Rote Kreuz zeigte sich besorgt über die Pläne, "traumatisierte Menschen um die halbe Welt zu schicken". Ruanda muss jedem Flüchtling, den Großbritannien nach Afrika schickt, zustimmen.

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(rt/dpa)