von RT Investigativ
Vom Nationalen Sicherheitsarchiv der USA freigegebene Akten enthüllen das Ausmaß paranoider und aggressiver amerikanischer Schikanen in den Hinterzimmern bei den Verhandlungen über das Kyoto-Protokoll. Das historische Abkommen aus den 1990er Jahren, das fast alle Länder der Welt zur Verringerung der Treibhausgasemissionen verpflichtetet, um eine weitere Zunahme der globalen Erwärmung zu verhindern, verkommt damit zu einer Farce.
Washington wollte insbesondere erreichen, dass das Pentagon von den Emissionszielen ausgenommen wird. Dieser Wunsch war verständlich, denn eine 2019 veröffentlichte Studie der Universitäten Durham und Lancaster ergab, dass das US-Militär "einer der größten Klimaverschmutzer in der Geschichte ist, der mehr flüssige Brennstoffe verbraucht und mehr CO₂ ausstößt als die meisten Länder." Wäre es ein Nationalstaat, wäre es auf Platz 47 der größten Treibhausgasemittenten der Welt.
Dennoch hat Präsident Joe Biden den Klimawandel zur größten Bedrohung für die nationale Sicherheit erklärt, obwohl ein Zyniker vermuten könnte, dass die wirkliche Angst darin besteht, dass die Umweltzerstörung dazu führen könnte, dass der Verteidigungshaushalt der USA – 768 Milliarden Dollar allein in diesem Jahr – etwas gekürzt wird. Dies war sicherlich im Vorfeld der Unterzeichnung des Protokolls im Dezember 1997 der Fall.
Ein vertrauliches Telegramm des Außenministeriums vom Oktober 1997 riet dem UN-Botschafter Mark Hambley, eine "Ausnahmeregelung für die nationale Sicherheit in Bezug auf militärische Aktivitäten, die unmittelbar der Friedenssicherung dienen" zu beantragen, obwohl die Bundesregierung und ihre "Verteidigungsanlagen und Ausbildungsmaßnahmen" der "größte Einzelverbraucher von Energie" in den USA waren.
In einer Veröffentlichung der Brookings Institution aus dem Jahr 2007 wird vermutet, dass das Pentagon für 93 Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs der US-Regierung verantwortlich ist. Zahlreiche Dokumente, die in der Tranche des National Security Archive enthalten sind, zeigen jedoch, dass US-Beamte, insbesondere Bill Clinton, darüber informiert wurden, dass die wahre Zahl nur ein Bruchteil davon ist. Dieses falsche Bild wurde dann den Medien, den Gesetzgebern und der Öffentlichkeit zur Rechtfertigung der Emissionsausnahme für das Pentagon aufgetischt.
In einem Briefing im März 1998 teilten wichtige Berater des Weißen Hauses den Anwesenden im Oval Office mit, dass das Verteidigungsministerium nur 1,4 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen verursache, während die militärischen Operationen und die Ausbildung nur 0,8 Prozent beitrügen. In einem Papier des Außenministeriums, das zwei Monate zuvor die inländische Kritik am Protokoll in Frage gestellt hatte, hieß es, die Emissionen des US-Militärs machten "weniger als ein halbes Prozent der gesamten US-Treibhausgasemissionen aus".
Diese Zahlen sind völlig absurd, wenn man bedenkt, dass das Verteidigungsministerium im Jahr 2006 rund 30.000 Gigawattstunden Strom und zum Zeitpunkt der Studie durchschnittlich 46 Milliarden Gallonen Treibstoff pro Jahr verbrauchte - mehr als das Doppelte aller zivilen US-Fluggesellschaften von 2004 bis 2020.
Es ist eindeutig unmöglich, das Engagement für eine ernsthafte Bekämpfung der Treibhausgasemissionen mit der Entschlossenheit in Einklang zu bringen, ein ausgedehntes, weltumspannendes Netz von Lastwagen, Flugzeugen und Schiffen aufrechtzuerhalten. Dieser Widerspruch wird in einem Dokument, das das Vorgehen der USA gegenüber Russland im Hinblick auf die Einführung einer Ausnahmemöglichkeit für die nationale Sicherheit im Kyoto-Protokoll skizziert, treffend zusammengefasst.
"Unsere Delegation würde die Unterstützung aller Mitglieder dieses Gremiums bei der Prüfung der Frage begrüßen, wie wir den Weltfrieden schützen und gleichzeitig unseren Planeten durch eine Art nationale Sicherheits- oder Notfallbestimmung bewahren können", erklärten Beamte am 31. Oktober 1997.
"Wir haben eine Verpflichtung gegenüber der Weltgemeinschaft, unseren einzelnen Nationen und letztlich auch gegenüber den Männern und Frauen, die in unseren Streitkräften dienen, sorgfältig zu prüfen, wie wir militärische Operationen in diesem Protokoll behandeln."
Washington verfügte über andere Mittel, um sich die Zustimmung zu seiner von der nationalen Sicherheit dominierten Agenda zu sichern. Aus einem von Hambley verfassten Memo von Anfang Dezember 1997 geht hervor, dass die japanischen Delegierten in Kyoto ihn gebeten hatten, die Position der USA zu überdenken
"Wir haben uns diese Idee kurz angesehen und waren nicht beeindruckt", so der Diplomat.
Daher schlug er vor, Tokio und den "Entwicklungsländern" im weiteren Sinne "Emissionszucker" anzubieten, um "ihre Akzeptanz zu erkaufen". In demselben Memo werden die Verhandlungssitzungen detailliert beschrieben, wobei darauf hingewiesen wird, dass Vertreter des Pentagons direkt an den Gesprächen beteiligt waren, und als es um die Ausnahmeregelungen ging, "haben sie dieses Thema, das in jedem Fall sehr problematisch erscheint, sorgfältig inszeniert".
Eine weitere Taktik der USA bestand darin, den neuseeländischen Delegierten Daryl Dunn zu benutzen, um die Idee eines Folgeprozesses zu den Kyoto-Diskussionen einzubringen, so dass jede Einigung nur vorläufig wäre und Gegenstand weiterer, zukünftiger Verhandlungen werden könnte.
In einem separaten Memo von Hambley wird festgehalten, wie die USA Dunn dazu drängten, diesen unpopulären Vorschlag zu machen, und Dunn kommentierte, er fühle sich an die beliebte BBC-Sitcom 'Yes, Minister' erinnert, "in der der Minister, der routinemäßig vorschlug, riskante oder einfach nur dumme Unternehmungen zu unternehmen, von seinen leitenden Beratern dazu ermutigt wurde, nur um dann blutverschmiert aus der Schlacht zurückzukehren." Dunn, so heißt es in dem Memo, "war besorgt darüber, ein solcher 'Minister' zu werden".
Diese Kombination aus Bestechung, Bettelei und Einschüchterung führte zu einer Koalition der Willigen. Japan und eine Reihe anderer Nationen, die auf das US-Militär angewiesen sind – darunter Kanada, Australien, Neuseeland und die Schweiz – sagten ihre Unterstützung für Ausnahmen von den Emissionszielen aus Gründen der nationalen Sicherheit zu.
Andere Kyoto-Teilnehmer, darunter China, Russland und sogar das Vereinigte Königreich, waren jedoch weniger überzeugt. Hambley verzweifelte in einem Memo vom 5. Dezember über "ungewöhnlich heftige Angriffe" auf die USA wegen ihrer Bemühungen, alle Gespräche über die Rettung des Planeten mit der Doppeldeutigkeit der nationalen Sicherheit zu verschleiern.
Wie es der Zufall wollte, akzeptierte der Kyoto-Ausschuss vier Tage später Ausnahmeregelungen, die gemeinsame militärische Anstrengungen zwischen Ländern einschlossen, was bedeutet, dass die Emissionen aus solchen Operationen nicht als Teil der nationalen Gesamtwerte gemeldet werden müssen. Entscheidend ist, dass dies auch für den Flugverkehr und "Bunkertreibstoffe" gilt, die von Kampfjets, Kriegsschiffen und Militärfahrzeugen außerhalb der Landesgrenzen verwendet werden.
Die USA setzten sich in Kyoto eindeutig durch – aber selbst diese bedeutenden Zugeständnisse reichten bestimmten Kreisen nicht aus. Als die Nachricht von den vereinbarten Protokollen an der amerikanischen Küste eintraf, ging ein Aufschrei der Entrüstung durch die Reihen der Politiker.
In einem Schreiben, das eine Gruppe republikanischer Abgeordneter im Januar 1998 an den damaligen Präsidenten Bill Clinton richtete, wurde argumentiert, dass "der größte Teil der Ausbildung und der Operationen unseres Militärs im Inland unter die Beschränkungen des Protokolls fallen wird", was daher "Druck seitens der UNO erzeugen könnte, die Ausbildung und die Operationen zu beschneiden, die unsere Streitkräfte zu den besten der Welt gemacht haben". Offensichtlich wurde die Aufrechterhaltung von Washingtons "Vollspektrum-Dominanz" als viel wichtiger erachtet als der Versuch, den Planeten zu retten, über den es herrscht.
Diese Haltung fand sich auch in einer äußerst kritischen Bewertung der Bedingungen des Protokolls durch das Büro für Umweltinitiativen des Weißen Hauses, das feststellte, dass "nur" multinationale und humanitäre militärische Anstrengungen von der Berichterstattung ausgenommen sind. "Das wird uns unweigerlich unter Druck setzen, einseitige Militäraktionen wie in Grenada, Panama oder Libyen zu begrenzen", verzweifelte der namenlose Autor des Dokuments.
Das Papier des hauseigenen Umweltbüros bietet auch einen außerordentlich offenen Einblick in die paranoide Denkweise der US-Planer. So wurden beispielsweise finanzielle Anreize für Länder, die Emissionsziele erfüllen, als unheilvolles Nullsummenspiel betrachtet – "ein Schwindel", durch den "Milliarden von Dollar" an Länder wie Russland und "Schurkenstaaten" wie den Iran, den Irak oder Libyen fließen könnten, während Washington gleichzeitig Ziele auferlegt würden, die "zu hart" und "nicht hart genug" für andere seien.
In dem Memo, das sich in der Clinton Presidential Library befindet, wurde beklagt: "Wird dieses Protokoll nicht unweigerlich die Souveränität der USA beeinträchtigen?" Der Autor verstieg sich dann völlig in die Verschwörungstheorie und fragte:
"Werden wir nicht unweigerlich Entscheidungen über den amerikanischen Energieverbrauch und damit die amerikanische Wirtschaft internationalen Gremien überlassen, die von den Entwicklungsländern dominiert werden und vielleicht in Abstimmung mit der EU handeln? Welche Überprüfungsverfahren gibt es, um sicherzustellen, dass andere Länder ihre Verpflichtungen einhalten? Wie wird das Protokoll durchgesetzt?"
Letzten Endes waren alle amerikanischen Pläne, Intrigen, Gespräche und Ängste umsonst. Das Kyoto-Protokoll trat im Jahr 2005 in Kraft und lief 15 Jahre später aus, ohne dass die USA es jemals ratifiziert hätten. Sie waren ohnehin nicht annähernd in der Lage gewesen, auch nur eines der bescheidenen, in Aussicht gestellten Ziele zu erreichen, zu denen sie – völlig freiwillig – gezwungen gewesen wären, wenn sie es unterzeichnet hätten.
Diese Dokumente zeigen deutlich, dass das Pentagon und das Weiße Haus bei der Wahl zwischen globaler "Sicherheit" und dem Fortbestand des Planeten in einer auch nur annähernd bewohnbaren Form immer Letzteres wählen werden – auf Kosten der Umwelt und des menschlichen Lebens.
Übersetzt aus dem Englischen.
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