Elon Musks Einfluss auf das Militär und somit auch auf sämtliche Kriegsschauplätze wie beispielsweise dem in der Ukraine wird immer größer. Sein Satelliten-Internetdienst Starlink kommt aktuell gar an der Front zum Einsatz. Die ukrainische Armee nutzt ihn, um Drohnenangriffe auf die russischen Streitkräfte zu verüben.
In dieser Woche wurden 5.000 weitere Starlink-Sets von der United States Agency for International Development (USAID), der amerikanischen Behörde für internationale Entwicklungshilfe, an die Ukraine geliefert. Die Kosten werden von der US-Regierung getragen, so die US-Behörde gegenüber CNN.
"Die Starlink-Satellitenterminals ermöglichen unbegrenzte, ungedrosselte Datenverbindungen von jedem Ort in der Ukraine aus. Die Terminals werden es Beamten und wichtigen Dienstleistern ermöglichen, weiterhin innerhalb der Ukraine und mit der Außenwelt zu kommunizieren", selbst wenn der weitere Kriegsverlauf die Glasfaser- oder Mobilfunkverbindungen der Ukraine kappen sollte, heißt es in einer Erklärung der USAID.
Musk hatte bereits zu Beginn des Krieges auf Bitte des ukrainischen Digitalministers Michail Fedorow angeboten, das Land mit satellitenbasierten Internetverbindungen zu versorgen. Denn SpaceX betreibt mit "Starlink" aktuell das leistungsfähigste satellitenbasierte Kommunikationsnetzwerk, über 2.000 Mini-Satelliten sind dafür bereits im Orbit unterwegs.
Für seine Entscheidung, in den Ukraine-Krieg einzugreifen, wurde Musk auf Twitter stark kritisiert. Die Starlink-Technik sei nicht für Krisengebiete gedacht, bemängelte die Internetgemeinde und spottete, dass die Ukraine dafür niemals genügend Satelliten-Sender in die Hände bekommen würde. Daraufhin lieferte der Tech-Milliardär gleich containerweise Basisstationen in die Ukraine.
Unter anderem nutzt der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij die Technik für die Übertragung seiner Video-Auftritte vor Parlamenten auf aller Welt. Auch seine Social-Media-Aufrufe postet er via Starlink. Jedoch wird das von Musk eigentlich als ziviles Programm konzipierte Starlink-System zunehmend militärisch genutzt, und zwar zur Steuerung ukrainischer Drohnen und der Fernaufklärung.
Brisant ist, dass es bezüglich der militärischen Nutzung von Starlink vorab keine geheimen Depeschen, keine langen Debatten und erst recht keine Regierungs- oder Parlamentskontrollen gab – lediglich einen Twitter-Deal zwischen Fedorow und einem rätselhaften US-Milliardär, der den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum "Einzelkampf" herausforderte. Was zunächst wie ein PR-Coup aussah, scheint nun eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Ukraine zu spielen und offenbart erneut einen direkten Einfluss der US-Regierung in dem Krieg.
Wie die britische Zeitung The Telegraph berichtet, wird das Starlink-System von der ukrainischen Armee für Drohnenangriffe auf russische Panzer und Stellungen eingesetzt. Demnach sei Starlink vor allem in Gebieten von militärischer Bedeutung, in denen die Infrastruktur schwach ist und es keine Internetverbindung gibt. Dem Bericht zufolge nutzt die private ukrainische Luftaufklärungseinheit Aeroroswidka Satelliteninternet von Elon Musk, um unbemannte Flugzeuge (Drohnen) nicht nur zu überwachen, sondern auch zur Koordination dieser. Dies ermöglicht, dass die ukrainischen Streitkräfte gezielt Panzerabwehrwaffen gegen russische Ziele abfeuern können.
"Wir verwenden Starlink-Ausrüstung und verbinden das Drohnenteam mit unserem Artillerieteam", sagte ein Offizier der Aeroroswidka-Einheit der britischen Zeitung The Times. "Wenn wir nachts eine Drohne mit Wärmesichtgerät einsetzen, muss die Drohne über Starlink mit dem Artillerie-Team verbunden werden und eine Zielerfassung durchführen." Laut dem Times-Bericht würden durch das Aeroroswidka-Team so täglich etwa 300 Einsätze zur Informationsbeschaffung durchgeführt. Die Angriffe auf russische Streitkräfte würden der Zeitung zufolge überwiegend nachts stattfinden, da die Drohnen, von denen einige mit Wärmebildkameras ausgestattet sind, in der Dunkelheit kaum zu sehen seien.
Russland kritisierte unterdessen die Ukraine-Offensive von Musk als Aggression. Dmitri Rogosin, der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, bezeichnete die Aktivitäten von Starlink als Einmischung. "Wenn Russland seine höchsten nationalen Interessen auf dem Territorium der Ukraine durchsetzt, taucht Elon Musk mit seinem Starlink auf, das zuvor als rein zivil deklariert wurde", sagte er gegenüber RT. Worauf Musk auf Twitter entgegnete: "Das zivile Internet in der Ukraine hatte seltsame Ausfälle – schlechtes Wetter vielleicht? –, also hilft SpaceX bei der Behebung."
Dass die "Initiative" von Musk in der Ukraine vor allem jedoch im Auftrag des US-Militärs erfolgte, lässt sich anhand von Äußerungen erahnen, die der oberste Befehlshaber der US Space Force Anfang März gegenüber US-Senatoren bei einer Sitzung des Verteidigungsausschusses im US-Senat machte. Das US-Weltraum-Kommando sei beeindruckt von der SpaceX-Fähigkeit, den vom Krieg zerrissenen Teilen der Ukraine einen stabilen Internetzugang bereitzustellen, schwärmte General James Dickinson laut der US-Zeitschrift Space News vor den US-Senatoren:
"Was wir mit Elon Musk und den Starlink-Fähigkeiten sehen, zeigt uns wirklich, was eine Megakonstellation oder eine erweiterte Architektur in Bezug auf Redundanz und Fähigkeiten bieten kann."
Dickinson reagierte damit auf Fragen des US-Senators Tim Kaine, der zuvor angemerkt hatte, die Fähigkeit von Starlink, Kommunikation aus dem Weltraum über der Ukraine zu übertragen, sei eine "positive Nachricht" und ein Beispiel für "private Akteure im Weltraum, die in umkämpfte Umgebungen eindringen". "Russland hat versucht, die Signale zu stören und den Empfang zu blockieren, und das hat mich stutzig gemacht", sagte Kaine und deutete somit eine direkte Beteiligung des US-Senats an dieser Ukraine-Offensive an.
Dagegen scheint es gar keinen rechtlichen Rahmen für die Arbeit von SpaceX über und in der Ukraine zu geben, denn Kaine fragte den US-General bei der Anhörung danach, ob es überhaupt einen solchen "rechtlichen Rahmen" für kommerzielle US-Raumfahrtunternehmen gebe, die sich in umstrittenen Regionen und Situationen engagieren. "Wir prüfen das, Herr Senator", entgegnete Dickinson dem Space News-Bericht zufolge:
"Wir arbeiten mit unserer Gruppe für kommerzielle Integration sehr wohl an diesem Thema."
Die Commercial Integration Cell (CIC) ist eine Gruppe von zehn kommerziellen Satellitenbetreibern, die Seite an Seite mit dem US-Weltraumkommando auf der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien arbeiten. Die CIC wurde ursprünglich vom United States Strategic Command, dem Strategischen Kommando der Vereinigten Staaten, gegründet, um Informationen über Bedrohungen im Weltraum und andere aufkommende Fragen auszutauschen, die angesichts der Abhängigkeit des Militärs von kommerziellen Raumfahrtdiensten wie SpaceX von Bedeutung sind. Zur CIC gehören die Unternehmen Intelsat, SES Government Solutions, Inmarsat, Eutelsat, Maxar Technologies, Viasat, XTAR, SpaceX, Iridium Communications und Hughes Network Systems.
Dass Starlink zunehmend der Ausübung militärischer US-Interessen statt Interessen der weltweiten Zivilbevölkerung dient, lässt sich nicht nur anhand der SpaceX-Mitgliedschaft im CIC, sondern auch anhand der vielen öffentlich gewordenen Verträge des Raumfahrtunternehmens mit US-Behörden erahnen. Unter anderem testet die US Air Force derzeit, ob das Starlink-System auch für die zur Koordinierung ihrer neuesten F-35A-Kampfjets benötigte Hochgeschwindigkeitsdatenübertragung einsetzbar ist. Die Kampfjets vom Typ F-35A sollen auch zum neuen Luftwaffen-Standard innerhalb der Europäischen Union werden. Mehrere EU-Mitgliedsstaaten hatten in den vergangenen Wochen die Anschaffung dieses Kampfflugzeug-Typs für ihre jeweiligen Streitkräfte angekündigt.
Laut einer Pressemitteilung nutzte die US-Luftwaffe das Starlink-Satelliteninternet erst kürzlich, um eine F-35-Debriefing-Einrichtung mit einem autonomen Logistikinformationssystem-Server zu verbinden und in das Lieferkettennetzwerk der US Air Force für die Lieferkette und Logistik der F-35A einzubinden.
Das Starlink-System sei für den Einsatz der F-35A besonders geeignet, da die erforderliche Ausrüstung in die Transportkapsel des Kampfjets passt und das System in weniger als zehn Minuten einsatzbereit ist. Zudem könne es von jedem geschulten Piloten eingerichtet werden, heißt es in der Meldung der US Air Force weiter. Leutnant Corbin Meredith erklärte:
"Was wir wirklich wollen, sind Optionen für die Kommunikation. Wir haben nicht an allen möglichen Orten die nötige Infrastruktur, aber mit diesem System können wir auf SATCOM oder LTE-Mobilfunk umsteigen und dann als letzten Ausweg auf Offline-Fähigkeiten zurückgreifen. Die Tatsache, dass jeder geschult werden kann, um es einzurichten, gibt uns mehr personelle Optionen und bringt ein weiteres Element zur Schaffung von vielseitiger einsetzbaren Piloten."
Bei ihren Tests stellte die US-Luftwaffe der Meldung zufolge fest, dass Starlink die bessere Alternative zum derzeitigen militärischen Satelliteninternet sei, da das alte System nicht nur eine längere Vorlaufzeit für die Einrichtung erfordere, sondern auch nicht für die schnelle Datenübertragung zur Kommunikation mit den F-35A geeignet sei.
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