Die grausigen Bilder aus dem Städtchen Butscha in der Region Kiew gehen heute um die ganze Welt. Man sieht darauf mehrere Leichen und die Verantwortlichen dafür sind in den westlichen Medien bereits jetzt ausgemacht: Ein russisches Kriegsverbrechen soll es gewesen sein und einige deutsche Medien trommeln schon zum Vergeltungskrieg wie in Jugoslawien.
Der russische Journalist und Kriegsreporter Alexander Koz, der bis zum Abzug der russischen Truppen einen Monat lang in der Nähe von Kiew verbracht hat, widerspricht dieser Vorverurteilung vehement und schildert auch, warum die ukrainische Darstellung zu dem "Massaker von Butscha" eine Fälschung ist. Er hält es für wahrscheinlich, dass die Tat von ukrainischen Freischärlern, die sich "Territorialverteidigung" nennt, begangen wurde.
"Die Taktik der Videoinszenierung erstaunt mich seit Syrien gar nicht mehr, wo massive Raketenangriffe auf der Grundlage von [vorherigen] Inszenierungen der 'Weißhelme' beschlossen wurden. Und hier sind die 'Lehrmeister' für solche informationspsychologischen Operationen dieselben – mit britischen Ohren, die deutlich sichtbar abstehen.
Ich habe gesehen, wie sich die Haltung der Einheimischen gegenüber dem russischen Militär verändert hatte. Zuerst hatten sie Angst vor ihnen – das Ergebnis einer tiefgreifenden Gehirnwäsche im Fernsehen. Dann gab es eine vorsichtige Haltung, als die Neugier siegte und die Leute aus ihren Kellern kamen. Und später kam das Geschäftliche: Die Einheimischen tauschten Naturalien mit dem Militär. Wir haben zum Beispiel Benzin für einen Generator gegen Milch und Hüttenkäse getauscht. Außerdem verlangten wir keine Milch, sondern gaben den Kraftstoff kostenlos ab. Aber unsere Nachbarn dort hielten es für ihre Pflicht, sich zu revanchieren. Das Militär gab ihnen Trockenrationen und brachte Medikamente …
Aber das ist natürlich auch nicht das Hauptargument dafür, dass das ukrainische 'Srebrenica' eine Fälschung ist. Tatsächlich wurde Butscha anderthalb Monate lang nie vollständig von russischen Truppen kontrolliert, nicht einmal einen Tag lang. (…)
Die Wahrheit ist, dass die russischen Truppen im Rahmen der Umgruppierung Butscha einige Tage vor der Entdeckung der 'Opfer der Besatzung' verlassen hatten. Die ukrainischen Streitkräfte erkannten den Abzug nicht sofort und beschossen die Stadt fast drei Tage lang mit Artillerie, die auch Zivilisten hätte treffen können.
Als sie schließlich in die Stadt vorrückten, begann eine 'Hexenjagd' auf diejenigen, die mit den 'Besatzungstruppen' kollaboriert hatten. In der Hitze des Gefechts macht sich niemand die Mühe, nach Beweisen zu suchen, und so tauchen Leichen mit gefesselten Händen auf, die in Brunnen geworfen wurden. Nur: Der Zustand der Leichen lässt darauf schließen, dass sie frühestens vorgestern ermordet wurden. Ich weiß, wie Leichen aussehen, wenn sie tagelang auf der Straße gelegen haben. Hier ergibt sich ein ganz anderes Bild."
Dem Kriegsreporter ist aufgefallen, dass die auf den heute (!) von der ukrainischen Seite veröffentlichten Aufnahmen sichtbaren Getöteten in der Mehrzahl eine weiße Armbinde tragen. Solche weißen Armbinden, schreibt Koz, waren bekanntlich stets das Erkennungszeichen der russischen Verbände. Mit der Zeit haben auch einheimische Zivilisten dieses Erkennungszeichen benutzt und trugen mehrheitlich selbst gemachte weiße Armbinden, damit die russischen Soldaten sie als die Ihrigen erkennen.
Als die russischen Truppen in der Nacht vom 30. auf den 31. März die Stellungen in und um Butscha verließen und aus diesem Teil der Region Kiew abgezogen wurden, haben die ukrainischen Truppen dies nicht sofort erfahren, berichtet Koz. Erst am 1. April wären sie – zuvorderst die Freiwilligen der Territorialverbände – in den Ort eingerückt. Nun wurden den Zivilisten, in erster Linie Männern, weiße Armbinden zum Verhängnis: Die Freischärler hielten sie für russische Militärangehörige oder Partisanen und schossen auf sie.
Koz schreibt:
"Hier ist ein weiterer Beweis. Die Leichen in Butscha mit weißen Armbinden, die ein russisches Erkennungszeichen sind. Die ukrainischen Streitkräfte schossen auf Menschen – ohne Rücksicht darauf, ob sie Waffen trugen oder nicht. Die Hauptsache war, dass sie weiße Armbinden trugen, was [für die ukrainischen Streitkräfte] bedeutete, dass sie 'der Feind' sind. Ukrainische Journalisten, öffnet eure Augen! Es waren nicht die russischen Truppen, die die Zivilisten von Butscha abgeschlachtet haben. Es waren eure tapferen 'Terbatisten'."
Der Umstand, dass die russischen Truppen vor dem 31. März aus Butscha abgezogen sind, wahrscheinlich in der Nacht vom 30. März auf den 31. März, findet seine Bestätigung in einem bereits am Morgen des 31. März veröffentlichten Video des Bürgermeisters des Ortes, der darin triumphierend die "Befreiung" (von russischen Truppen) verkündet. Ein vorheriges Massaker erwähnte er dabei keineswegs.
Auch der von französischen Journalisten geschilderte Umstand – neben gleichfalls der Bestätigung der weißen Armbinden bei den Opfern –, dass bei einem dieser Getöteten dessen ukrainischer Pass lag, stützt die Hypothese des russischen Kriegsberichterstatters Koz: Nur gegenüber ukrainischem Militär ergibt das Hochhalten eines ukrainisches Passes Sinn – als Versuch, sie hoffentlich noch vom Schießen abzuhalten.
Die ersten Aufnahmen aus Butscha, auf denen Leichen zu sehen sind, kommen am 2. April medial in Umlauf, also am dritten Tag nach dem russischen Abzug aus diesem Ort.
Der 1978 geborene Koz arbeitet seit 1999 für die auflagenstarke Zeitung Komsomolskaja Prawda und war als Kriegsreporter im Kosovo, Afghanistan, dem Irak, Libyen, Syrien, dem Donbass und anderen Konfliktregionen im Einsatz.
Das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation wies jede Verantwortung russischer Truppen für die Tötungen von Zivilisten inzwischen offiziell zurück.
Zwar können auch Koz' Angaben derzeit nicht unabhängig überprüft werden. Sie sollten aber zumindest nochmals daran erinnern, dass solche Vorverurteilungen stets höchst fragwürdig sind.
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