Eine Analyse von Thomas J. Penn
In einem Interview mit Bloomberg TV am Montag hat der deutsche Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Unternehmen geraten, nicht auf russische Forderungen einzugehen, Gaslieferungen in Gold oder Rubel zu bezahlen.
"Wir können keine Erpressung akzeptieren." Die Verträge basierten auf Dollar und Euro, und "wir empfehlen privaten Unternehmen, sich an diese Währungen zu halten", sagte er.
Es wirkt ein wenig heuchlerisch, Vertragsrecht als Grund für die Ablehnung der Forderung Moskaus anzuführen, das russische Gas nunmehr in Rubel zu bezahlen – vor allem angesichts der Tatsache, dass die gesamte G7 auf Verlangen aus Washington, D.C. völlig illegal alle russischen Währungsreserven eingefroren hat. Dies entspricht einfachem Diebstahl. Wäre er ehrlich, hätte Lindner eine andere, realpolitische Ankündigung gemacht, etwa in folgender fiktiver Art:
Russland hat unserem auf dem US-Dollar basierenden Währungssystem und damit auch dem Euro gerade einen verheerenden Schlag versetzt. Die EU als Ganzes ist der größte Erdgasimporteur der Welt. Und der größte Teil dieses Gases, nämlich 40 Prozent, kommt aus Russland. Es gibt derzeit keine praktikablen Alternativen, um diesen Bedarf zu decken. Mit der Verhängung absurder Sanktionen gegen die Russische Föderation auf Geheiß Washingtons, die wir nicht ganz nachvollziehen konnten, haben wir uns offiziell selbst ins Knie geschossen.
Die durch nichts gedeckten Dollars, die die US-Zentralbank nach Belieben druckt (was im Übrigen auch der Europäischen Zentralbank mit dem Euro erlaubt ist) und den Nationen der Welt mit Gewalt aufzwingt, werden von der russischen Regierung nicht mehr als Zahlungsmittel für Erdgas akzeptiert. Daher wird der Anteil der Dollar- und Euro-Reserven auf dem gesamten Kontinent beträchtlich schrumpfen und sich negativ auf unsere Fähigkeit auswirken, wie betrunkene Matrosen massive Defizite anzuhäufen. Jetzt will Russland, ein echter Produzent eines realen Rohstoffs, tatsächlich in seiner eigenen Währung für diesen wahren Rohstoff, den es produziert, bezahlt werden.
Wir dachten, wir würden Russland einen Strich durch die Rechnung machen. Wir haben das Land bei jeder sich bietenden Gelegenheit herabgesetzt, 2014 einen Putsch in der Ukraine auf dem Maidan angezettelt, Selenskij über den Erwerb von Atomwaffen reden lassen und Russland so lange unter Druck gesetzt, bis wir es gezwungen haben, gegen die Ukraine vorzugehen. Als es uns gelungen, Russland in die Ukraine zu treiben, haben wir ein Sanktionspaket auf den Weg gebracht, von dem wir hofften, es würde die russische Wirtschaft vernichten. Aber das geht jetzt leider nach hinten los. Stattdessen können wir jetzt nur noch über Vertragsrecht faseln, wohl wissend, dass die Dollar- und Euro-Reserven auf dem ganzen Kontinent schrumpfen werden und wir nun tatsächlich gezwungen sein werden, den Rubel zu stützen! Entweder ringen wir uns dazu durch – oder Russland kappt die Gaslieferungen und wir stehen vor einer gewaltsamen Revolution im eigenen Land. Meine Güte, Leute, wir haben total versagt! Wir hätten ein gleichwertiger und für beide Seiten erfolgreicher Partner Russlands sein können, aber wir haben uns entschieden, als Washingtons Marionette zu agieren.
Ich habe in meinen Texten oft und ausführlich darüber geschrieben, wie Washington seine Macht aufrechterhält. Im Wesentlichen nutzt es seinen unverdienten Status als Emittent der Weltreservewährung (siehe Aufhebung des Goldstandards), um nach Belieben Dollars zu drucken, um damit wiederum massive Defizite zu finanzieren und seine größten multinationalen Konzerne auf Kosten aller anderen zu stützen. Sie können dies nur dann weiterhin tun, wenn die Welt den US-Dollar bereitwillig akzeptiert und zulässt, dass ihr der US-Dollar weiterhin aufgezwungen wird. Massive Dollarreserven müssen im Ausland gehalten werden, damit die Nationen am internationalen Handel teilnehmen können. Wenn diese Dollars und damit auch die Euros – die EZB nutzt den Dollar-Mechanismus als Trittbrettfahrer – nicht mehr gebraucht werden, fließen sie an ihre Emittenten zurück. Diese wohlbekannten Emittenten sind dann nicht mehr in der Lage, ihre Inflation hinaus in die Welt zu exportieren, sondern wären gezwungen, auf der Grundlage ihrer Fähigkeit, reale Güter zu produzieren und international zu konkurrieren, anstatt Fiat-Gel, also einfach Papiergeld zu drucken.
Der wahre Krieg, für den der aktuelle militärische Konflikt in der Ukraine nur eine Projektionsfläche ist, spielt sich in seinem Kern als ein Krieg um das aktuelle Währungssystem ab. Die Ukraine war das Pfand, mit dem Washington und seine Vasallen in Europa versuchten, Russland einzudämmen. Denken Sie daran, dass ein souveränes Russland zu Recht eine Bedrohung für das auf dem US-Dollar basierende System darstellt. Sie konnten nicht einfach die gewählte Regierung in Russland stürzen, wie sie es andernorts immer wieder getan haben. Washington und seine Vasallen haben in der Ukraine 2014, als sie den Maidan anzettelten, Putin gewaltig unterschätzt. Bereits in Syrien hatte Washington Russland gewaltig unterschätzt, als Putin schließlich, wenn auch erst 2015, den Sturz der Assad-Regierung verhinderte und damit endgültig verhinderte, dass diesem Land der Dollar aufgezwungen wurde. Russland ist nicht der Irak, Syrien oder Libyen. Russland ist eine wahre Macht und hat ein Staatsoberhaupt, der seine Aufgabe wahrnimmt, die Souveränität des Landes zu bewahren. Die USA und ihre Vasallen mussten sich noch nie mit dieser Art von Wettbewerb auseinandersetzen und können damit offenkundig nur schlecht oder gar nicht umgehen.
Der kollektive Westen hat sich in der Ukraine schwer verkalkuliert. Wladimir Putin war in seinem Kalkül den westlichen Politikern viele Schritte voraus. Die Bedeutung der russischen Regierung, die nun Rubel für Gas verlangt, kann nicht nur für das gegenwärtige, auf dem Dollar basierende Währungssystem, sondern für die ganze Weltgeschichte kaum unterschätzt werden.
Vor unseren Augen entwickelt sich in der Tat eine neue Weltordnung, in der die tatsächlichen Produzenten der Welt Oberhand gewinnen könnten – anstelle einer exklusiven Clique im Westen, die die unverdiente Fähigkeit hat, nach Belieben Fiat-Geld drucken zu können. Denn der quasi "goldgedeckte" Rubel ist de facto bereits Realität.
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Thomas J. Penn ist US-Amerikaner und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Er war Unteroffizier der Infanterie bei der US Army. Penn studierte Finanzwirtschaft und Management und verfügt über umfangreiche Erfahrungen auf den Finanzmärkten. Sie können ihn auf Twitter unter @ThomasJPenn erreichen.
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