Biden hatte Putin am Samstag bei einem Besuch in Polen unter anderem als "Schlächter" bezeichnet und damit die Haltung der USA gegenüber Moskau im Zusammenhang mit dem Einmarsch in die Ukraine deutlich verschärft. Er äußerte in aller Öffentlichkeit, Putin dürfe nicht an der Macht bleiben und zog damit Kritik nicht nur aus Moskau auf sich, sondern auch aus eigenen Reihen.
Am Sonntag beim Verlassen eines Gottesdienstes in Washington von einem Reporter gefragt, ob er einen Regimewechsel in Russland fordere, antwortete Biden mit einem Wort: "Nein."
Aktive US-Spitzendiplomaten versuchten bereits am Sonntag, Bidens Erklärung herunterzuspielen.
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Julianne Smith, die US-Botschafterin bei der NATO, hatte versucht, Bidens Äußerungen in einen diplomatisch verdaulicheren Kontext zu rücken: Die Worte seien nach einem Tag gefallen, an dem Biden mit ukrainischen Flüchtlingen in Warschau gesprochen habe. "Ich denke, dies war eine prinzipiell menschliche Reaktion auf die Schilderungen, die er an diesem Tag gehört hatte", erklärte Smith in der CNN-Sendung "State of the Union." Sie befand es für wichtig, klarzustellen:
"Die USA verfolgen keine Politik eines Regiemewechsels in Russland. Punkt."
Richard Haass, der Vorsitzende der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations, äußerte seine Besorgnis darüber, dass Biden "soeben die Kriegsziele der USA ausgeweitet und zum Regimewechsel aufgerufen" habe. "Wie wünschenswert das auch sein mag, es liegt nicht in unserer Macht, dies zu erreichen." Die Implikationen in Bidens Äußerung bergen ein Risiko, Putins "Neigung" zu verstärken, das Ganze als einen Kampf bis zum Ende zu sehen. Dies erhöhe wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass er Kompromisse ablehne, eskaliere oder beides, so Haass. Seine Kritik brachte er folgendermaßen auf den Punkt:
"Unser Interesse ist es, den Krieg zu Bedingungen zu beenden, die die Ukraine akzeptieren kann, und eine russische Eskalation zu verhindern. Der heutige Aufruf zum Regimewechsel ist mit diesen Zielen unvereinbar."
Der altgediente Diplomat legte sogar nahe, ein hochrangiger Beamter von Biden, möglicherweise der nationale Sicherheitsberater oder der Außenminister, müsse sich dringend an seinen russischen Amtskollegen wenden und erklären, dass Bidens Bemerkung in der Hitze des Gefechts gefallen sei, nicht die Politik der USA widerspiegele und dass man sich weiterhin für eine Zusammenarbeit mit Russland zur Beendigung des Krieges in der Ukraine einsetze.
Gegenüber Journalisten des Senders France 3 bemerkte auch der französische Präsident Emmanuel Macron zu Bidens Äußerungen: "Ich würde diese Worte nicht benutzen."
In Bezug auf den laufenden militärischen Sondereinsatz Moskaus in der Ukraine machte der französische Präsident außerdem als Frankreichs Zielsetzung deutlich, "zuerst einen Waffenstillstand und dann den vollständigen Rückzug der Truppen mit diplomatischen Mitteln zu erreichen". Mit seinen Aussagen torpediere Biden diese Bemühungen, deutete Macron an:
"Wenn wir etwas erreichen wollen, dürfen wir weder in Worten noch in Taten eskalieren."
Kritik brachten erwartungsgemäß auch Kongressabgeordnete aus Reihen der Republikaner an. "Es spielt den russischen Propagandisten in die Hände – und in die Hände von Wladimir Putin", sagte Senator Rob Portman. Senator James Risch sprach von einem "entsetzlichen Fehltritt", der für ein großes Problem sorgen werde.
Dies ist nicht der einzige internationale Fehltritt Bidens in jüngster Zeit: Gerade erst am Freitag hatten US-Funktionäre und Diplomaten aller Art alle Hände voll zu tun, Bidens am Freitag vor US-Luftlandetruppen in Polen erfolgte Äußerung zur Ukraine zu entschärfen:
"Wenn ihr dort seid – und manche von euch sind schon dort gewesen – werdet ihr Frauen, junge Menschen vor einem verdammten Panzer sehen, mit den Worten 'Ich gehe nirgendwo hin!' auf den Lippen."
Diese Äußerung implizierte nicht nur Pläne für einen Einsatz regulärer US-Truppen in der Ukraine, sondern auch, dass ein solcher Einsatz möglicherweise bereits läuft. Auch diesbezüglich bestand die US-Regierung darauf, dass die USA weiterhin nicht vorhaben, mit eigenen Truppen am Ukraine-Konflikt teilzunehmen.
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