Medien: Neue US-Militärhilfe besonderer Art – Lieferung sowjetischer Luftabwehrwaffen an die Ukraine

Die USA liefern Kiew Luftabwehrsysteme sowjetischer Herkunft, meldete das Wall Street Journal am Montag. Damit soll Russland die Luftherrschaft über der Ukraine streitig gemacht werden. Washington erwarb die Waffen vor Jahrzehnten im Rahmen eines geheimen Programms.

Russlands Militär hat sich im Rahmen seines Sondereinsatzes in der Ukraine weitgehend die Herrschaft im Luftraum des Landes erstritten. Sowohl die Luftwaffe als auch die Luftabwehr der Ukraine wurden mittlerweile handlungsunfähig gemacht beziehungsweise faktisch vernichtet. Daneben erwiesen sich bereits zu Beginn der russischen Kampagne russische Langstrecken-Präzisionslenkwaffen, die wichtige militärische Ziele im Hinterland treffen, für die ukrainischen Luftabwehr als nur sehr schwer abfangbar. Hier wollen die USA mit weiteren Militärhilfen ansetzen: Umfassten Luftabwehrwaffen-Lieferungen der USA und anderer NATO-Staaten lediglich tragbare Luftabwehrraketen vor allem vom Typ FIM-92 "Stinger", so schrieb das Wall Street Journal am Montag mit Verweis auf anonyme US-Beamte von Lieferungen nun auch schwerer Luftabwehrwaffen – und zwar solchen aus sowjetischer Produktion. Das Blatt führte folgende Aussage eines US-Beamten an:

"Wir arbeiten weiterhin mit unseren Verbündeten und wichtigen Partnern zusammen, um der Ukraine jeden Tag neue Unterstützung zukommen zu lassen – einschließlich Flugabwehrsysteme sowjetischer oder russischer Herkunft und der für ihren Einsatz notwendigen Munition."

Die sowjetischen Luftabwehrsysteme wurden seinerzeit von den USA beschafft, um die russische Militärtechnologie zu untersuchen und mit den gewonnenen Daten die Ausbildung der US-Truppen zu unterstützen, erklärten US-Beamte der Zeitung. 

Washington ist der Ansicht, die Waffen könnten dem ukrainischen Militär von Nutzen sein, da es bereits mit dem Einsatz sowjetischer Systeme bestens vertraut ist.

Sowohl der Nationale Sicherheitsrat der USA als auch das Pentagon lehnten jede Stellungnahme dazu ab, welche Waffensysteme genau nun in die Ukraine geschickt wurden: "Die operative Sicherheit ist den Ukrainern im Moment sehr wichtig", so Pressesprecher John Kirby am Montag.

Allgemein ist allerdings bekannt, dass die USA über eine kleine Anzahl sowjetischer Raketenabwehrsysteme verfügen, die sie im Zeitraum der vergangenen 30 Jahre im Rahmen eines geheimen 100-Millionen-Dollar-Projekts erwarben. Dies erklärte ein Militärangehöriger beziehungsweise Beamter im Ruhestand, der an diesem Projekt beteiligt gewesen sei, gegenüber dem WSJ. Information über dieses Projekt gelangte erstmals im Jahr 1994 an die Öffentlichkeit. Einige Waffen aus diesem Bestand sollen aktuell im Redstone Arsenal im US-Bundesstaat Alabama aufbewahrt werden. Bekannt sei auch, dass das Kurzstrecken-Boden-Luft-Raketensystem 9K33 "Ossa" (NATO-Code SA-8 "Gecko") mit bis zu zehn Kilometern Reichweite und bis zu sechs Kilometern Zielflughöhe zu diesen Waffensystemen gehört. Die "Ossa" kann leicht zusammen mit den zu schützenden Bodentruppen bewegt werden, denen sie Deckung vor Flugzeugen und Hubschraubern bietet. 

Auch das S-300-Luftabwehrsystem mit weitaus größerer Reichweite gehört bekanntermaßen zum US-Bestand. Es ist für den Schutz größerer Gebiete konzipiert und befindet sich bereits im Besitz und Betrieb der ukrainischen Armee. Allerdings soll diese Waffe nicht an die Ukraine geliefert werden – zumindest nicht aus US-Beständen. Doch dafür haben sich die USA bereits darum bemüht, dass die Slowakei der Ukraine ihre S-300 zur Verfügung stellt. Auch an die Türkei erfolgten Signale bezüglich der frisch erworbenen S-400, ein Nachfolgersystem der S-300. Indes will der NATO-Verbündete Slowakei eine Garantie, dass er "angemessenen Ersatz" erhält – und zwar bald. Eine Einigung zwischen den beiden Ländern steht noch aus, ebenso eine offizielle Stellungnahme der Türkei. Allerdings wertete zumindest der türkische Politologe Iqbal Durre gegenüber dem russischen Online-Nachrichtenportal News.ru diese Möglichkeit als schlicht ausgeschlossen. Vielmehr solle durch diesen von den USA erfolgten Vorstoß die Beziehung zwischen Russland und der Türkei verschlechtert werden – "zumindest auf diesem Niveau":

"Ein Ergebnis wird das Ganze nicht zeitigen – aber wenigstens Lärm machen."

Auch laut der von Reuters in diesem Zusammenhang eingeholten Expertenmeinungen sei die US-Initiative von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Dogu Perincek, der Leiter der türkischen linken Partei Vatan, wertete den US-Vorstoß schlicht als "Propaganda der US-Geheimdienste".

Ähnlich negativ fallen zumindest teilweise auch Nutzerkommentare in türkischen Online-Nachrichtenportalen aus. Auf Haber7 etwa führten Nutzer das Argument an, ein Überlassen ihrer S-400-Systeme an die Ukraine würde die Türkei selbst ohne Flugabwehr dastehen lassen. Auch mögliche wirtschaftliche Sanktionen von der russischen Seite gegen die Türkei werden befürchtet, nicht zuletzt in Bezug auf Lebensmittellieferungen aus Russland. Weitere Nutzer zeigten in Richtung Griechenland mit dem Hinweis, Athen möge doch bitte seine S-300-Systeme an die Ukraine liefern. Schließlich kam auch die Meinung zum Ausdruck, die Türkei spare ihre S-400-Flugabwehr auf. Für einen etwaigen Einsatz gegen … die USA.

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