Wegen der anhaltenden russischen Sonderoperation in der Ukraine hat das umstrittene Weltwirtschaftsforum (WEF) seine Beziehungen zu Russland und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, aber auch langjährig bestehende Partnerschaften des WEF mit von Oligarchen geführten Konglomeraten vorerst auf Eis gelegt. Das gab Amanda Russo, eine Sprecherin des Wirtschaftsforums, am Mittwoch bekannt. Auch ein von der russischen Regierung unterstütztes Moskauer Forschungszentrum im Bereich der künstlichen Intelligenz wurde torpediert.
"Wir arbeiten mit keiner der sanktionierten Personen zusammen und haben alle Beziehungen zu russischen Unternehmen eingefroren", sagte Russo am Mittwoch dem Nachrichtenmagazin Politico. So seien die Beziehungen zwar vorerst eingefroren, aber nicht tot, betonte die WEF-Sprecherin und erklärte, das WEF werde sich weiterhin die Möglichkeit offenhalten, zu einem späteren Zeitpunkt als "Brückenbauer" zwischen Russland und der Ukraine zu fungieren.
Der Schritt des WEF folgte auf eine Reihe schwerer, zuvor von den USA, der Europäischen Union (EU), Kanada und weiteren Ländern verhängter Sanktionen gegen den russischen Bankensektor, russische Oligarchen und Putin selbst. Auch viele Großkonzerne hatten sich mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine aus Russland zurückgezogen und die gemeinsamen Geschäftsbeziehungen beendet.
Bei dem sanktionierten Forschungszentrum handelt es sich um eine Moskauer Zweigstelle des WEF-Zentrums für die "Vierte Industrielle Revolution", die erst im Oktober 2021 eröffnet wurde. Das Zentrum konzentrierte sich auf aufkommende Technologien in den Bereichen künstliche Intelligenz und Internet und wurde auf der Grundlage einer zuvor zwischen Russland und dem WEF erfolgten Vereinbarung betrieben.
Der Schritt des Weltwirtschaftsforums kommt durchaus überraschend. Blicken Putin und WEF-Gründer Klaus Schwab doch auf eine seit 1990 bestehende enge Beziehung zurück. So war Schwab von jeher stolz darauf, "allen" Interessierten die Teilnahme an seinen alljährlichen, in Davos stattfindenden Treffen offenzuhalten. So genoss er jahrelang die Aufmerksamkeit des Kremls, schreckte aber gleichzeitig vor den Eskapaden russischer Oligarchen zurück.
Erst im Januar 2021 hatte Schwab den russischen Präsidenten im Rahmen einer virtuellen Versammlung des WEF als "unverzichtbar" für das Weltgeschehen bezeichnet. Damit wiederholte er eine Bemerkung aus dem Jahr 2009, wonach ihm kein einziges Problem von globaler Bedeutung einfalle, das ohne Russlands Beteiligung gelöst werden könne.
Bei dem virtuellen Treffen im vergangenen Jahr, das inmitten der COVID-19-Pandemie stattgefunden hatte, hatte Putin noch vor einem Krieg "aller gegen alle" gewarnt. "Die COVID-19-Pandemie ist zu einer großen Herausforderung für die Menschheit geworden, und sie hat strukturelle Veränderungen beschleunigt, deren Voraussetzungen bereits gegeben waren", sagte das russische Staatsoberhaupt damals:
"Wir haben allen Grund zu der Annahme, dass sich die Spannungen noch weiter verschärfen könnten."
Das letzte der Öffentlichkeit bekannte Treffen der beiden hatte Mitte 2021 stattgefunden. Bei der Zusammenkunft hatte der WEF-Gründer gegenüber Putin zugegeben, dass er der Teilnahme russischer Vertreter an den Veranstaltungen des Forums in Davos "besondere Bedeutung" beimesse. Zu seiner aktuellen Beziehung zu Putin wollte sich Schwab dem Politico-Bericht zufolge nicht äußern.
Im Zuge der Pandemie hatte der Ruf des WEF erheblichen Schaden genommen. Grund dafür war eine Reihe überaus umstrittener Initiativen des von Schwab angeführten Weltwirtschaftsforums. So sorgte besonders die sogenannte "Great Reset"-Agenda für Unmut bei der Weltbevölkerung, für die das WEF auf seiner Webseite und bei Twitter mit dem Slogan "Willkommen im Jahr 2030. Ich besitze nichts, habe keine Privatsphäre, und das Leben war noch nie besser" warb.
Auf die berechtigte Kritik an der Agenda-Kampagne entgegnete das WEF, die Beiträge seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Bei der Agenda 2030 gehe es stattdessen um das Ziel, dass alle Menschen Zugang zu Eigentum und Kontrolle über das sich in ihrem Eigentum befindliche Land und andere Formen von Eigentum haben sollen.
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