eine Analyse von Seyed Alireza Mousavi
Laut Angaben der ukrainischen Regierung haben sich etliche Ausländer freiwillig gemeldet, um im Krieg gegen russische Streitkräfte zu kämpfen. Demnach sollen sich bisher etwa 20.000 Kämpfer aus 52 Ländern freiwillig gemeldet, um "für die Ukraine in den Kampf zu ziehen". Die Ukraine wirbt über ihre diplomatischen Vertretungen in West- und Mitteleuropa ganz offen um Fremden-"Legionäre". Solche Freiwilligen ermuntert die ukrainische Regierung ganz offiziell, sich mit den Konsulaten in Verbindung zu setzen. Die überregionale deutsche Zeitung FAZ macht inzwischen Werbung für diese Söldner-Rekrutierung und erläutert dabei eingehend, dass es schließlich nicht verboten sei, "als Deutscher in die Ukraine zu reisen, sich eine Kalaschnikow geben zu lassen und auf russische Soldaten zu schießen".
Mehr als 3.000 US-Amerikaner sollen sich bereits freiwillig gemeldet haben, um für die ukrainische Regierung zu kämpfen. Die meisten von ihnen sollen Berichten zufolge US-Kriegsveteranen sein. Die New York Times berichtet über einen US-Veteranen namens Hector, der kürzlich einen Flug in Richtung Ukraine gebucht haben soll, um als ausländischer Freiwilliger in der Ukraine zu kämpfen. Eine Reihe von Mainstream-Medien in den USA, darunter Military Times und Time, haben Schritt-für-Schritt-Anleitungen zum Eintritt in solche Kampfeinheiten in der Ukraine veröffentlicht.
Gerüchte machen diesbezüglich die Runde, dass sich auch einige islamistische Söldner aus Idlib bereit erklärt hätten, an der Seite des Westen gegen die russische Armee in der Ukraine zu kämpfen. Der stellvertretende syrische Außenminister Baschar al-Dschafari erklärte vor Kurzem, dass der Westen dabei kein Hindernis sehe, selbst den "Teufel" gegen Russland zu bewaffnen. Er schloss die Möglichkeit der Verlegung bewaffneter Terroristen, darunter auch Mitglieder des IS, in die Ukraine nicht aus, da sie auch in anderen Teilen der Welt eingesetzt würden, um den "Interessen der USA und des Westens zu dienen". Der Sender Al Alam behauptete, dass auch die Türkei entschieden hätte, bewaffnete Gruppen aus Idlib in die Ukraine zu verlegen.
Angeblich soll umgekehrt auch Russland syrische Kämpfer für den Einsatz in der Ukraine rekrutiert haben. Laut Wall Street Journal unter Berufung auf vier US-Beamte hätte Russland kampferfahrene Söldner aus Syrien für die Militäroperation in der Ukraine rekrutiert. Die Kämpfer hätten Erfahrung im "Häuserkampf" und könnten den russischen Truppen demnach bei der Einnahme Kiews helfen. Einige in Russland ausgebildete syrische Kämpfer sollen seinerzeit an der Jagd auf Mittglieder der IS-Zellen in Syrien beteiligt gewesen sein.
Das russische Militär wird derzeit tatsächlich in der Ukraine von Kämpfern aus der autonomen Republik Tschetschenien unterstützt. Auch soll sich eine kleine Zahl von exilierten Tschetschenen den ukrainischen Streitkräften angeschlossen haben. Der in Großbritannien lebende tschetschenische Exilpolitiker Achmed Sakajew hatte bereits dazu aufgerufen. Das Oberhaupt der tschetschenischen Republik Ramsan Kadyrow hatte bereits seine Männer nach Syrien geschickt, um russische Militäroperation gegen Terrorgruppen zu unterstützen. Der tschetschenische Präsident Kadyrow hatte seinerzeit bekanntgegeben, dass die Mehrheit der russischen Militärpolizisten in Syrien Tschetschenen seien.
Die Beteiligung tschetschenischer Kämpfer unter der Führung von Kadyrow am russischen Krieg gegen die Ukraine hat inzwischen einen Streit unter den Islamisten in Idlib ausgelöst. Die Dschihadisten in Idlib ihrerseits verurteilten Kadyrow und seine Soldaten, die an dem Ukraine-Krieg teilgenommen hatten, als "ungläubige Abtrünnige", die vom Glauben abgefallen seien. Eine dschihadistische Terrorgruppe, die der Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) in Idlib nahesteht, erklärte gegenüberAl-Monitor unter der Bedingung der Anonymität, die Tschetschenen, die an der Seite der russischen Armee kämpfen, seien "Abtrünnige". Ein nicht namentlich genannten Islamist in Idlib sagte auch gegenüber Al-Monitor, die Dschihadisten in Idlib möchten Teil der "muslimischen Kämpfer" sein, die in der Ukraine gegen die Russen kämpfen.
Der Einsatz ausländischer Kämpfer aus verschiedenen Teilen der Welt in der Ukraine wird den Ukraine-Krieg internationalisieren und könnte daher diesen Krieg an der Grenze zu EU mit der überregionalen Dynamik verbinden, insbesondere mit Kriegsschauplätzen im Nahen Osten. Private Söldner sind zweifellos weniger kontrollierbar als reguläre Soldaten in einer Befehlshierarchie, und deren Einsatz könnte zu ungewollten Gewaltakten führen, da sie unter anderem ohnehin keinerlei Bindungen zur lokalen Gesellschaft haben. Mehrere europäische Regierungen unterstützen die Idee ausländischer Kämpfer in der Ukraine, was die Lage in Ukraine noch weiter anheizen und eine neue Konfliktzone entlang der EU-Grenze bilden könnte. Insofern läuft der Westen Gefahr, dass aus dem Ukraine-Krieg ein neues "Syrien" wird – eine Entwicklung, die langfristig mehr dem Westen als Russland schaden wird. Es gibt allerdings bislang noch einen Unterschied zwischen Syrien-Konflikt und Ukraine-Krieg: Es hat derzeit noch den Anschein, dass die Söldner in der Ukraine zumindest unter dem Dach der Armee kämpfen und agieren sollen und nicht in gänzlich unstrukturierten Rebellentrupps.
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