In Polen sind nach Regierungsangaben seit Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine 100.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland angekommen. Aufgrund der langen Staus auf der ukrainischen Seite der Grenze habe man sich entschieden, an allen Grenzpunkten auch einen Übergang für Fußgänger zu öffnen, sagte Polens Vize-Innenminister Paweł Szefernaker am Samstag am Grenzübergang Medyka-Schegini.
Seinen Angaben zufolge handelt es sich überwiegend um Frauen mit Kindern sowie Männer im nicht wehrfähigen Alter. Auf der ukrainischen Seite der Grenze hätten sich lange Staus gebildet. Die Abfertigung der Flüchtlinge verlangsame sich zudem, weil es durch die Kriegssituation zu Ausfällen im Computersystem des ukrainischen Grenzschutzes komme, teilte Szefernaker dem öffentlich-rechtlichen Sender TVP mit. Polen sei in der Lage, täglich bis zu 50.000 Flüchtlinge aus der Ukraine an der Grenze abzufertigen.
Die Flüchtlinge am Grenzübergang Medyka-Schegini berichteten laut einer Mitarbeiterin der Deutschen Presse-Agentur (dpa) von stundenlangen Wartezeiten auf der ukrainischen Seite auch für Menschen, die die Grenze zu Fuß überqueren wollen. Der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Filippo Grandi, berichtete am Freitag auf Twitter, dass aus der Ukraine innerhalb von 48 Stunden mehr als 50.000 Menschen über die Grenzen ins Ausland geflüchtet seien.
Viele weitere Menschen seien auf dem Weg zu den Grenzen. Die Mehrheit sei nach Polen und Moldau geflohen. "Herzlichen Dank an die Regierungen und die Bevölkerung dieser Länder, dass sie ihre Grenzen offenhalten und Flüchtlinge aufnehmen", twitterte Grandi. Das UNHCR stellt sich nach vorläufigen Schätzungen auf bis zu vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine ein, sollte die Lage sich nach dem russischen Einmarsch weiter verschlechtern.
Auch Flüchtlinge in Ungarn
Zuvor hatten bereits die UN von Hunderttausenden auf der Flucht gesprochen. "Ich denke, es ist fair zu sagen, dass Hunderttausende Menschen innerhalb der Ukraine unterwegs sind und die Ukraine verlassen, während wir hier sprechen", sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths am Freitag in New York. Die große Frage dabei sei, wie viele Flüchtlinge tatsächlich das Ziel hätten, ins Ausland zu gelangen – dies hänge auch vom weiteren Verlauf des Krieges ab.
In Ungarn sind seit Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine 1.600 Flüchtlinge eingetroffen. Dies berichtete der Bürgermeister der ungarischen Grenzstadt Záhony, László Helmeczi, am Freitag der staatlichen Nachrichtenagentur MTI. Den Großteil der Menschen holten in Ungarn lebende Verwandte und Freunde an den Grenzübergängen ab, um sie ins Landesinnere zu bringen, fügte er hinzu. Die Stadtverwaltung musste lediglich für 80 Menschen Unterkünfte bereitstellen.
Ungarische Medien berichteten am Freitag, dass über die fünf Grenzübergänge zur Ukraine hauptsächlich Angehörige der ungarischen Minderheit kamen, die in der westukrainischen Region Transkarpatien leben. Viele von ihnen haben Angehörige, die in Ungarn arbeiten oder sich dort dauerhaft niedergelassen haben. Die Grenze zwischen Ungarn und der Ukraine ist etwa 140 Kilometer lang.
Laut dem Euronews-Mitarbeiter Gábor Tanács kommen im ungarischen Bereksurány "ohne Unterlass" Flüchtlinge an. Auf der anderen Seite der Grenzen warte eine Menschenmenge auf Einlass. Doch, so Tanács auf Euronews, die Männer hätten ein Problem – alle männlichen Personen im wehrfähigen Alter müssen in der Ukraine bleiben. Sie stünden daher vor der Entscheidung, ob sie mit Frau und Kindern zusammen bleiben oder ob diese ohne sie nach Ungarn weiterreisen, so der Journalist weiter.
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(rt de/dpa)