Chinas Top-Diplomat Wang Yi – Ukraine sollte keine Frontlinie zwischen Großmächten sein

Die Ukraine-Krise spitzt sich weiter zu. Während der Münchner Sicherheitskonferenz ergriff am Samstag der chinesische Außenminister Wang Yi das Wort. Dabei kritisierte er den Expansionismus der NATO. Jetzt gelte es, sich für den Frieden einzusetzen, anstatt "Krieg zu provozieren".

Zuletzt waren es vertrauliche Dokumente, die beim Thema Münchner Sicherheitskonferenz für Aufsehen sorgten. Ausgerechnet die Beratungsfirma von Konferenz-Chef Wolfgang Ischinger soll mitverdient haben, wenn sich die Entscheidungsträger die Klinke in die Hand gaben, um mal im Plenum, mal in vertraulicher Hinterzimmer-Atmosphäre die großen Fragen der internationalen Sicherheitspolitik zu erörtern. Auch den ein oder anderen Waffendeal soll Ischingers Unternehmen, die Agora Strategy Group, dabei im Sinn gehabt haben.

Doch all dies geht unter, angesichts des diesjährigen Top-Themas auf der 58. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC): Die vermeintliche russische Invasion der Ukraine.

Wenn es darum geht, die Quelle der Spannungen zu benennen, den "Aggressor" zu identifizieren, gibt es in den Reihen der transatlantischen Gemeinschaft keine zwei Meinungen: Russland ist es, das dieser Lesart zufolge, permanent Öl ins Feuer gießt und auf irgendeine Weise von unkalkulierbaren kriegerischen Auseinandersetzungen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft profitieren würde.

Am Samstag war es dann jedoch der Außenminister des von der westlichen Staatengemeinschaft zum "systematischen Rivalen" erklärten China, der zum Thema Ukraine das Wort ergriff, um ein anderes Bild der Gesamtsituation zu zeichnen.

Zuvorderst wies der chinesische Top-Diplomat darauf hin, "dass die NATO, ein Produkt des Kalten Krieges, sich an die veränderten Umstände anpassen" müsse, da der Kalte Krieg längst vorbei sei. Es war der Ost-West-Konflikt, der die ersten 40 Jahre des 1949 gegründeten westlichen Militärbündnisses prägte.

Wang Yi stellt die rhetorische Frage, ob es "dem Frieden und der Stabilität in Europa förderlich sei, und […] zu einer langfristigen Stabilität in Europa beitragen" werde, wenn die NATO sich noch weiter nach Osten ausdehne. Es handele sich dabei um eine sicherheitspolitische Frage, der sich die europäischen "Freunde" ernsthaft stellen sollten, so der 68-Jährige.

Ebenso unterstrich Wang Yi, "dass die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder geachtet und geschützt werden sollten". Dies sei seit jeher Pekings Haltung zu den Normen der internationalen Beziehungen. Chinas Position im Ukraine-Konflikt nicht direkt ansprechend, ergänzt Wang Yi, dass es sich bei anderweitigen Interpretationen chinesischer Politik um "böswillige Sensationslust und eine Verzerrung der chinesischen Position" handele.

Die chinesische Regierung hatte bereits zuvor betont, dass Russland legitime Sicherheitsinteressen formuliert habe, die es seitens der USA und ihrer Partner zu respektieren gelte. Auch was die NATO als mutmaßliches Relikt einer vergangenen Zeit anbelangt, sind sich Peking und Moskau einig. 

Anfang Februar wies die chinesische Vertretung bei der EU darauf hin, dass die NATO ein Überbleibsel des Kalten Krieges sei, das weiterwachse, obwohl der Kalte Krieg vor drei Jahrzehnten endete. Dieser Ansatz des von den USA geführten Militärblocks sei "nicht förderlich für die globale Sicherheit und Stabilität". In der Erklärung hieß es weiter:

"China ist der Ansicht, dass die regionale Sicherheit nicht durch die Stärkung oder Ausweitung von Militärblöcken gewährleistet werden sollte."

Wang Yi betonte nun, dass es angesichts der Spannungen unerlässlich sei, zu den Minsk II-Vereinbarungen zurückzukehren und entsprechende Gespräche aufzunehmen. Immerhin handele es sich bei Minsk II um ein von den Unterzeichnerstaaten und dem UN-Sicherheitsrat gebilligtes Abkommen. Nun könne es nur um die möglichst rasche Umsetzung des Minsker Abkommens gehen.

"Alle Parteien müssen jetzt ernsthaft Verantwortung übernehmen und sich für den Frieden einsetzen, anstatt die Spannungen zu erhöhen, Panik zu schüren oder Krieg zu provozieren."

Die Ukraine, ergänzte Wang Yi, sollte keine Frontlinie zwischen Großmächten sein, sondern vielmehr "eine Brücke der Kommunikation zwischen Ost und West". Was die Sicherheit Europas angeht, so steht es allen Parteien frei, ihre eigenen Bedenken vorzubringen, und die berechtigten Sicherheitsbedenken Russlands sollten respektiert und ernst genommen werden. China hofft, dass alle Parteien den Dialog und die Konsultationen fortsetzen werden, um eine Lösung zu finden, die wirklich zur Wahrung der Sicherheit Europas beiträgt.

Und während die Worte Wang Yis als diplomatisch ausgewogen und dann doch vor allem auch gegenüber der NATO kritisch gewertet werden können, wurden sie hierzulande zum Teil deutlich anders interpretiert. So fasste etwa der Stern die Worte des chinesischen Außenministers wie folgt zusammen: "Ukraine-Krise: China sendet Stopp-Signal an Putin". 

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