Der 75-jährige ehemalige Model-Agent Jean-Luc Brunel saß aufgrund von Ermittlungen wegen Vergewaltigung von Minderjährigen und sexueller Nötigung gut ein Jahr in Pariser Untersuchungshaft. Nach Informationen der französischen Zeitung Le Parisien wurde der Beschuldigte, der unter anderem auch wegen "Menschenhandel" unter Zeugenstatus gestellt worden war, in der Nacht erhängt aufgefunden.
Im Sommer 2019 hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Brunel eingeleitet und dessen Pariser Model-Agentur durchsucht. Sein enger Freund und Auftraggeber in Bezug der Kontaktaufnahme mit und "Organisierung" von jungen Mädchen und Frauen, Jeffrey Epstein, war im August 2019 in einem New Yorker Gefängnis zu Tode gekommen, wo er in den USA wegen Missbrauchs Dutzender minderjähriger Mädchen erneut angeklagt war.
Epstein besaß demnach auch in Paris, in der Nähe der Champs-Élysées, ein Luxus-Appartement. Brunel, der zu Epsteins engeren Vertrauten gehörte, war im Dezember 2020 auf dem Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle festgenommen worden, als er gerade das Land hatte verlassen wollen. Epstein hatte sein Vermögen unter anderem auch in der Modeszene investiert, so zum Beispiel in der Modelagentur MC2. In einem Artikel mit dem Titel: "Das Geschäftsmodell – Scout für Sexhandel" heißt es:
"Laut einem ehemaligen Buchhalter arbeiteten einige der Mädchen für MC2, die Modelagentur Jean-Luc Brunels, einem langjährigen Bekannten und häufigen Gast von Epsteins. Models dieser Agentur wurden bevorzugt gecastet von Victoria's Secret."
Victoria's Secret ist eine US-amerikanische Modemarke, die zum Einzelhandelskonzern Limited Brands gehört und hauptsächlich für Reizwäsche und Damenunterwäsche bekannt ist. In dem Artikel heißt es weiter:
"Am beunruhigendsten, was den möglichen Sexhandel angeht, war Epsteins Beziehung zu Jean-Luc Brunel, dem Inhaber der Modelagentur MC2. Laut einer Klage, die beim US-Bezirksgericht für den südlichen Bezirk von Florida eingereicht worden war, sagte ein mutmaßliches Opfer, dass Epstein, [Assistentin und Freundin Ghislaine] Maxwell, Brunel, [Hausmanager Alfredo] Rodríguez (...) 'absichtlich an einem Muster von Erpressung beteiligt waren, das darin bestand, minderjährige Kinder durch MC2 anzulocken, meist Mädchen unter 17 Jahren, damit sie sich gegen Geld an sexuellen Spielen beteiligen'."
Der Besitzer von Victoria's Secret hieß bis 2020 Leslie Wexner. In einem Artikel des US-Magazins Vanity Fair aus dem August 2021 mit dem Titel: "Der Mogul und das Monster: Die jahrzehntelange Beziehung zwischen Jeffrey Epstein und seinem größten Kunden" heißt es:
"Von den vielen Geheimnissen, die das Leben und die Verbrechen des berüchtigten Finanziers noch immer umgeben, ist die Quelle seines Reichtums und damit seiner Macht vielleicht das größte. Seine langjährigen Geschäftsbeziehungen zu seinem prominentesten Kunden, dem milliardenschweren Einzelhandelsmagnaten Leslie Wexner, sind der Schlüssel dazu."
Brunel war laut dem berüchtigten "Little Black Book", einer 92-seitigen Sammlung maschinengeschriebener Kontakte, zusammengestellt von Maxwell und Epstein, zusammen mit zahlreichen jungen Models ein häufiger Passagier in Epsteins Privatjet, dem sogenannten Lolita Express. Der Agentureigentümer soll 2005, als er zusammen mit seinem Partner Jeffrey Fuller MC2 gegründet hatte, ebenfalls eine Million Dollar von Epstein erhalten haben. Brunel hatte nachweislich auch Epstein im Gefängnis besucht.
Die Pariser Staatsanwaltschaft bestätigte Le Parisien, dass Brunel tot in seiner Zelle aufgefunden worden war, und teilte demnach mit, dass "eine Untersuchung zur Ermittlung der Todesursache" eingeleitet worden ist. Erwan Saoudi, Delegierter der Gewerkschaft FO pénitentiaire für die Region Île-de-France, teilte der Zeitung mit: "Nach den ersten Informationen, die uns vorliegen, gibt es keine Verfehlungen seitens der Beamten, die in der Nacht Dienst hatten."
Seine Anwälte Mathias Chichportich, Marianne Abgrall und Christophe Ingrain werden zu den möglichen Gründen für einen Selbstmord Brunels mit den Worten zitiert:
"Seine Not war die eines 75-jährigen Mannes, der von einem Medien- und Justizsystem zerrieben wurde, das zu hinterfragen an der Zeit wäre. Jean-Luc Brunel hat immer wieder seine Unschuld beteuert. Er hat seine Anstrengungen vervielfacht, um sie zu beweisen. Ein Richter hatte ihn vor einigen Monaten auf freien Fuß gesetzt, dann wurde er unter unwürdigen Bedingungen wieder inhaftiert. Seine Entscheidung wurde nicht von Schuldgefühlen geleitet, sondern von einem tiefen Gefühl der Ungerechtigkeit."
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