Nicht nur in Deutschland, sondern auch im südlichen Nachbarland Österreich wird das Thema Nord Stream 2 im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise intensiv diskutiert. Die Situation ist dabei ähnlich wie in Deutschland: So hatte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer noch im Dezember betont, er erwarte, dass Nord Stream 2 bald wie geplant in Betrieb genommen werden kann. Vor wenigen Tagen hatte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg einen Bericht der US-Zeitung Politico, wonach Österreich und Ungarn als "Bremser" bei Sanktionen gegen Russland gelten sollen, dahingehend kommentiert, dass Nord Stream 2 im Falle eines Angriffs Russlands auf die Ukraine "keine Betriebsgenehmigung erhalten wird". Im Interview mit RT DE erklärte nun der russische Botschafter in Österreich Dmitri Ljubinski die Hintergründe.
Dem Botschafter zufolge ist Nord Stream 2 eine der "verlässlichen und langzeiterprobten Säulen unserer Beziehungen mit Österreich". Seit mehr als 50 Jahren werde von der Sowjetunion und der Russischen Föderation Gas geliefert. Die ersten langfristigen Verträge wurden ausgerechnet mit den Österreichern geschlossen. Mit den österreichischen Partnern von Gazprom und dem österreichischen Konzern OMV arbeite man daher intensiv zusammen, er habe keine Zweifel, dass dieses Projekt die Unterstützung der österreichischen Regierung genieße. Dies gelte auch trotz des "Geredes über Sanktionen":
"Die Informationsangriffe gegen Russland werden auch weitergeführt und hochstilisiert, aber trotz alledem ist es ein Bestandteil eines großen politischen Spiels, in dem eine nicht vernachlässigbare Rolle die Kräfte außerhalb von Europa spielen."
In Bezug auf Anschuldigungen, Russland setze Gaslieferungen als Waffe ein, würde übersehen, dass es sich um eine bilaterale Zusammenarbeit handele. Für Russland habe es nie einen Anlass gegeben, seine Zuverlässigkeit als Energielieferant für Europa in Frage zu stellen.
"Was heute rund um das Thema Gas alles passiert, stellt einen Teil eines großen Informationsangriffes gegen Russland dar. Das Gas-Thema wird als Informationswaffe gegen Russland missbraucht, das heißt in die entgegengesetzte Richtung. In den österreichischen Geschäftskreisen hat man diese Ansicht erkannt. Verstanden wird auch dieses ununterbrochene Aufbürden der Sanktionen und die pausenlosen Drohungen gegen Russland (das Thema der Sanktionen verschwindet nicht und bleibt im Medienraum aktuell)."
Gegenwärtig kommen noch weitere Elemente hinzu, die die Berichterstattung beeinflussen – die Pandemie, die schwere Wirtschaftssituation sowie komplizierte innenpolitische Abläufe:
"Je schwerer die Situation in einem konkreten Land ist, desto aggressiver ist die Medienkampagne gegen Russland. Die österreichischen Berichterstatter aus Moskau schreiben nicht mehr Schwarz-Weiß. Sie haben sich darauf verständigt 'und bei Russen ist die Situation noch schlimmer' zu schreiben."
Demnach sei es wichtig, dass jeder, der sich dafür interessiere, entsprechende Informationen finde. Das Interesse an der russischen Sichtweise sei durchaus vorhanden, doch die Zugänglichkeit der Informationen bleibe durch den Fokus der westlichen Medien eine Frage der Konfrontation. Wenn selbst "kundige Personen mit schablonenhaften Fragen anfangen", beginne man zu begreifen, "wie sehr in Europa und insbesondere in Österreich der Zugang zu verschiedenen Meinungen begrenzt ist".
"RT ist gefragt, RT wird gelesen, RT wird gehört, und es ist auch interessant."
Der Botschafter fügte hinzu, dass es in Österreich erstaunlicherweise kein Thema sei, dass die Bundesrepublik im Falle von RT DE praktisch ein "Monopol" auf die deutsche Sprache habe und durch die Zulassungsbehörden bestimme, was gesehen werden darf und was nicht. Dies liege jedoch daran, dass das Thema nicht so geläufig sei. So wurde zwar durchaus über die Nichtanerkennung der Zulassung berichtet, aber meist nur in kurzer Form:
"Aber wenn Russland Gegenmaßnahmen in Bezug auf die Deutsche Welle trifft, dann wird es automatisch zum Top-Thema: Willkür der Russen. Dass es aber eine Gegenmaßnahme ist, bleibt im Hintergrund."
In Bezug auf die Ukraine-Krise kritisierte Ljubinski, dass ausschließlich eine einseitige Sicht auf die Dinge geäußert werde. Exemplarisch konnte man dies an in den letzten Tagen sehen, in denen eine bekannte Reihe von bekannten Besuchern nach Kiew gekommen sind, darunter auch der Außenminister Österreichs Alexander Schallenberg und seinem tschechischen bzw. slowakischen Amtskollegen.
"Zu einem unentbehrlichen Bestandteil dieser Reisen sind die Blitzbesuche der Berührungslinie im Donbass geworden. Die Gäste werden dorthin für 30 bis 40 Minuten gebracht, und dann – ein Bild für die Presse, Panzerweste, Helm. Und es gibt beinahe schon eine die Schlange an Außenministern, die so ein Bild mit sich haben wollen."
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