Der Bürgermeister von Ottawa, Jim Watson, hat aufgrund der anhaltenden Proteste in Ottawa den Notstand ausgerufen und begründet dies mit einer "ernsten Gefahr und Bedrohung der Sicherheit der Einwohner" der kanadischen Hauptstadt. Seit über einer Woche protestieren Lastwagenfahrer in einem sogenannten "Freiheitskonvoi" aus Hunderten Fahrzeugen und ihre Unterstützer, die zu Fuß unterwegs sind, gegen die Corona-Maßnahmen und Impfvorschriften. Die Stadt brauche mehr Unterstützung von anderen Kommunen und von der Regierung, heißt es weiter in einer Mitteilung der Stadt.
Die Entscheidung erfolgte, nachdem Watson zuvor am Sonntag beklagt hatte, dass die Polizei den Demonstranten zahlenmäßig unterlegen sei, und angedeutet hatte, dass er die Bundesregierung um Hilfe bei der Zerschlagung der Proteste bitten wolle. Gegenüber Newstalk Radio erklärte Watson:
"Die Situation ist derzeit völlig außer Kontrolle, weil die Teilnehmer des Protests das Sagen haben."
Er fügte hinzu: "Sie haben viel mehr Leute als wir Polizeibeamte, und ich habe dem Polizeipräsidenten gesagt, dass wir bei diesen Ereignissen viel flexibler und proaktiver sein müssen."
Bevor Watson den Ausnahmezustand ausrief, appellierte er an die Bundesregierung, "sich an einen Tisch zu setzen und eine Art Diskussion zu führen, eine Art Vermittlung, um diese Situation zu lösen, da sie sich nun über das ganze Land ausbreitet".
Nach Angaben von Polizeipräsident Peter Sloly hätten an diesem Samstag rund 1.000 Lastwagen und andere Fahrzeuge Teile der Innenstadt blockiert. Schätzungsweise 5.000 Menschen hätten sich laut Polizei an den Protesten beteiligt. Auslöser der Demonstrationen waren im Januar eingeführte Impfvorschriften für Lkw-Fahrer, die aus den USA zurückkehren. Am Samstag seien demnach mehr als 450 Strafzettel verteilt worden. In den meisten Fällen handele es sich nach Angaben der Behörden um geringfügige Verstöße wie verstellte Nummernschilder, Verstöße gegen den Sicherheitsgurt oder die Benutzung von Mobiltelefonen. Die Polizei von Ottawa ermittelt auch wegen mutmaßlicher Drohungen gegen Beamte und wegen sage und schreibe 200 Anrufen bei ihrer Hotline für Hassverbrechen, wobei nicht bekannt ist, gegen wen sich der "Hass" gerichtet hat.
Polizeichef Sloly hatte bereits am Samstag erklärt, dass man "nicht genügend Ressourcen" habe, "um dieser Situation angemessen und effektiv zu begegnen und gleichzeitig eine angemessene und effektive Polizeiarbeit in dieser Stadt zu leisten". Die Protestaktion bezeichnete er als "Belagerung" und betonte, dass es sich um etwas handele, "das in unserer Demokratie anders ist als etwas, das ich je in meinem Leben erlebt habe".
Während Sloly wiederholt betonte, dass "alle Optionen auf dem Tisch liegen", schloss Premierminister Justin Trudeau letzte Woche den Einsatz des Militärs aus und erklärte, dass eine solche Reaktion das letzte Mittel sein sollte. Die Demonstranten haben angekündigt, so lange durchzuhalten, bis die Regierung ihre Impfvorschriften sowie die "Gesundheitspässe" mit den QR-Codes abschafft.
Anwohner wurden seitens der Polizei bereits aufgerufen, sich aus der Innenstadt fernzuhalten. Zugleich wurden all jene, die versuchen sollten, die Trucker des Konvois sowie andere Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen "materiell zu unterstützen", vor einer möglichen Festnahme gewarnt. Die Polizei schrieb am Sonntagnachmittag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter:
"Jeder, der versucht, die Demonstranten mit Hilfsgütern (Benzin usw.) zu unterstützen, kann verhaftet werden. Durchsetzungsmaßnahmen werden eingeleitet."
Auf die Frage, ob "materielle Unterstützung" auch lebensnotwendige Artikel wie Lebensmittel und Wasser umfasse, erklärte ein Polizeisprecher gegenüber dem Sender Fox News, dass sich die Ankündigung "auf gefährliche Materialien bezieht, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder einen Brand darstellen".
Berichten zufolge haben die Beamten in der Innenstadt von Ottawa den Fahrern mitgeteilt, dass nach Mitternacht am Sonntag keine Gas- und Dieselkanister oder Propangasflaschen mehr in das abgesperrte Gebiet gelangen dürfen. Offiziell wollte sich die Polizei von Ottawa nicht zu der angeblichen Frist äußern und erklärte, dass sie "aus Gründen der Sicherheit der Beamten" nicht über Aktionen spreche, berichtet die Zeitung Ottawa Citizen.
Mehreren Videos zufolge, die in den sozialen Medien verbreitet wurden, hat die Polizei bereits mehrere Mengen Treibstoff von Demonstranten beschlagnahmt, aber bis 21 Uhr Ortszeit gab es noch keine Berichte über Festnahmen.
In der vergangenen Woche errichteten die Behörden schwere Barrikaden an wichtigen Verkehrsknotenpunkten im Stadtzentrum und sperrten mehrere Straßen, so dass neue Lastwagen mit vollen Tanks nicht mehr in die sogenannte "rote Zone" gelangen konnten. Nun versuchen die Behörden, auch diese Verbindung zu kappen.
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